Expeditionsbericht Charakusa Valley, Pakistan 2009 Simon Oswald

Expeditionsbericht Charakusa Valley, Pakistan 2009

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Diesen Sommer gelang uns eine Erstbesteigung eines 6000er und diverse Neutouren im Charakusa Valley. Das Tal liegt im Karakorum und ist ein Seitenarm des Hushe Valley.

Unser Schweizer Team setzte sich zusammen aus Simon Oswald, Simon Riediker und Mirco Stalder. Von Islamabad reisten wir mit dem Auto über den Karakorum?Highway nach Skardu. Im Jeep ging es weiter nach Hushe und von dort in einem zweitägigen Fussmarsch ins Basecamp.

Unsere Touren im Charakusa Valley DRU Pakistan

(Name des Berges unbekannt)
Zur Akklimatisierung wiederholten Mirco und Simon Oswald eine Freikletterroute auf einen 5400m hohen Felszahn. Die Linie führt in sechs Seillängen in Schwierigkeiten von 6a ? 6c in Gipfelfalllinie durch ein Risssystem in perfektem Fels auf den Felszahn. Weder über die Route, noch über den Gipfel waren uns Informationen bekannt. Erstaunlich bei der wunderschönen Form, welche stark an die Dru in Chamonix erinnert. Beim Klettern fanden wir diverse Begehungsspuren, welche auf mehrere Begehungen hindeuten.

Lady Finger

«No More Imodium» 180 m, 4 SL, 7a (6a, 6b, 7a, 6b)
Am nächsten Tag nahmen wir uns dem schönen Risssystem auf eine vorgelagerte Felsnadel an. Die Route führt in vier schönen Risslängen auf den „Lady Finger“, wie wir die jungfräuliche Nadel tauften. In der 3. Seillänge und am Ende der Route steckt je ein Bohrhaken, ansonsten sind auch die
Stände selbst abzusichern.

Farol Extreme East, oder Rocky Farol, 6200 m

Unser nächstes Ziel war der östlichste Gipfel der Farol?Gruppe. Dieser 6200er Gipfel wurde gemäß unseren Recherchen schon einige Male Versucht, doch bis anhin ohne Erfolg. Unser Ziel war es den Gipfel über den Ostgrat zu erreichen, welcher bereits im 2006 von zwei Franzosen versucht wurde, welche jedoch unseren Informationen zufolge bereits unterhalb des Vorgipfels umgekehrt sind.

Nach einem ersten Camp auf dem Gletscher (5000) erreichten wir am zweiten Tagen den Sattel unterhalb des eigentlichen Ostgrates, wo wir Camp 2 an luftiger Stelle errichteten (5600). Die Nacht bescherte uns jedoch 20cm Neuschnee. Da keine Wetterbesserung in Sicht war, hieß es „zwei Felder zurück“ bis ins Basecamp. Zwei Tage später versprach das Wetter besser zu werden, und so packten wir erneut unsere Rucksäcke, mit zusätzlichen 150 Metern Fixseil. Nach Ankunft im Camp 2, widmeten wir uns sogleich dem eigentlichen Grat. Die Kletterei überraschte mit perfektem Granit und anspruchsvollem Mixedgelände. Die schwierigen Felspassagen, zwangen uns mit Finken zu klettern und die Schuhwechslerei kostete uns ziemlich viel Zeit. Mithilfe unserer Doppelseile und dem Fixseil konnten wir diesen Teil fixieren und hatten so gute Vorarbeit für den Gipfeltag geleistet.

Frühmorgens hingen wir mit unseren Yumars in den fixierten Seilen und quälten uns aufwärts. Es ist ganz schön energieraubend in dieser Höhe! Danach ging es in unbekanntem Terrain weiter. Es sollten nochmals vier zeitraubende Mixedlängen werden. Auf dem östlichen Vorgipfel schien der eigentliche Vorgipfel und Hauptgipfel noch meilenweit entfernt. Ein schwerer Felsgrat gewürzt mit riesigen Wächten und steilen Aufschwüngen stand noch vor uns. Mit dem Wissen, den gesamten Grat noch am selben Tag wieder zurückklettern zu müssen gaben wir Stoff. So ging es in anspruchsvoller Kletterei weiter. Der steile Felsaufschwung zum Vorgipfel hoch, bot nochmals happige Schlüsselängen.

Um halb fünf erreichten wir endlich den höchsten Punkt. Den 1. August, Nationalfeiertag der Schweiz gebührend würdigend, musste die selbst genähte Schweizer Fahne für ein Foto herhalten und dann ging es gleich wieder an den Rückweg. Mit einbrechender Dunkelheit erreichten wir nach 17 h Kletterei wieder Camp 2. Zurück im Basecamp empfing uns ein strahlender Officer und unser Koch mit frisch gebackenem Summit Cake. Glücklicherweise hatte Simon sein Lungenödem in der Zwischenzeit vollständig auskuriert und brannte nun auf neue Taten. So konnten wir es von nun an zu Dritt krachen lassen...


Naser?Brak, 5200m

(5200m, ca. 12 SL bis 6a+)
Die perfekt symmetrische Felspyramide stach uns bereits bei den Vorbereitungen zu Hause ins Auge. Vom Basecamp ist der Gipfel gut in einem Tag zu erreichen, wobei sämtliche Grate auf den Gipfel bereits schon teils mehrfach begangen wurden. Nach einem zweistündigen Zustieg über das Ostcouloir erwartete uns am Nordgrat super schöne Kletterei in bestem Fels. Würde dieser Berg in den Alpen stehen, wäre dieser Grat wohl hoffnungslos überlaufen.

Drifika (6480m), über „Nordgrat“

„Matterhorn des Charakusa Valley“ wäre wohl die treffendste Bezeichnung für diesen eindrucksvollen Berg. Nach zwei Tagen Zustieg durch zerschrundene Gletscher, errichteten wir unser
Camp II am Einstieg zum Nordgrat (5800m), welcher einer scharfen Schneide direkt zum Gipfel hochzieht.

Der Gipfelgrat wartet mit anspruchsvoller Mixed?Kletterei, Blankeis und Pulverschnee auf. Die Mühen wurden total belohnt, hatte wir doch bei bestem Wetter ein traumhaftes Panorama mit Blick auf sämtliche 8000er des Karakorums (K2, Nanga Parbat, Broadpeak,
Gashebrum I und II). Schwierigkeit TD

Pakistanischer Nationalfeiertag

Beinahe das ganze Basecamp war versammelt, als unser Officer mit einem feierlichen Allah?Singsang
die Zeremonie eröffnete. Ergriffen wie in einer Kirche, lauscht die ganze multi?kulti Basecampgemeinde den Erläuterungen des stolzen Pakistani. Nach diversen Gesängen, Tänzen und Nationalhymnen aller anwesenden Kletternationen, endete die Feier mit einem ausgiebigen Apéro, welche die Köche auf ihren Benziner für uns Gäste dieses wunderschönen Landes gezaubert hatten.

Gandelpeak 5400 m „Humen Touch“ 300m, 7SL bis 7a

Der Gipfel mit dem menschenkopfähnlichen Gebilde als höchster Punkt, stellt die höchste Erhebung des Iqball?Wall?Massives dar. Nach einem nährreichen Porritsch aus Alis Küchen, erreichten wir nach zwei Stunden Zustieg die Basis der Wand. Nach vier schönen, einfacheren Längen beginnt die eigentliche Headwall. 20 m kompakter, steiler Granit trennten uns vom perfekten Riss, der bis unter den Gandel (Kopf auf Balti) hochzieht. Anfängliche Befürchtungen einer unschönen Techno?länge, lösten sich zu unserer Überraschung in Form hervortretender Griffe in Luft auf. Kleine Strukturen erlaubten die Befreiung dieser Länge, die vorgängig als großes Fragezeichen
im Raum stand.

Der eigentliche „Kopf“ der als loser Block von 20m Durchmesser auf dem Massiv steht, wartet mit einer weiteren Überraschung auf. Über ein kleines Band, unter welchem die Wand überhängend 300m abfällt, kann der Kopf auf der Rückseite umkreist werden. Der Gipfel wartet mit einer kleinen ebenen Fläche auf, die direkt zum Picknicken einlädt. Da wir den ganzen Tag unter Beobachtung der Basecamp Bewohner standen, ging es jedoch ohne zu trödeln wieder „heimwärts“.

„The Last Move“ (250m, 6 SL 7b), Iqball Wall

Super Wetter und bestens akklimatisiert waren wir top?motiviert unseren letzten Tag vor der Rückreise nicht ungenützt verstreichen zu lassen. So verpulverten wir unsere letzten Kräfte am linken Rand der Iqball Wall. Mit einem vierten Mann von der Partie, konnten wir für diesmal mit zwei Seilschaften attackieren. Nach einer witzigen ersten Zustiegslänge geht es gleich richtig zur Sache. In phänomenalen Jam?sections geht es durch Risse und Verschneidungen durch die Wandflucht. Im Mittelteil ermöglicht ein Quarzband den Wechsel in ein weiteres Risssystem. Alles in allem eine super Route, auch wenn der Fels manchmal bröselte... Bei der nachfolgenden Seilschaft wars schon besser und in famoser Kletterei konnte die gesamte Route flash geklettert werden.

Rückreise

Die Rückreise über den Karakorum?Highway verlief für uns überraschend reibungslos. Mangels Nachschub an Diesel waren die Holperpisten in den ganzen „Northern?areas“ frei von jeglichem Verkehr. Dank den weitverzweigten militärischen Beziehungen unseres Officers konnten wir unsere Karre auf einer Militärbasis à discretion auftanken, und so stand der Heimreise nach Europa nichts mehr im Weg.

Simon Oswald

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