Was bedeutet Makel? - Interview mit Schönheitschirurg Dr. Schottler Ortenau Klinikum

Was bedeutet Makel? - Interview mit Schönheitschirurg Dr. Schottler

  • Maria Poursaiadi
Wir unterhielten uns mit Dr. Tilman Schottler, Chefarzt der Abteilung für Ästhetische und Plastische Chirurgie am Ortenau Klinikum, über äußerliche Makel, weshalb Menschen etwas an sich verändern wollen und wo die Plastische Chirurgie an ihre moralischen Grenzen stößt.

netzathleten: Herr Dr. Schottler, als Chefarzt der Abteilung für Ästhetische und Plastische Chirurgie am Ortenau Klinikum haben Sie täglich Kontakt zu Patienten, die ihr Äußeres als verbesserungswürdig empfinden. Sind dies in Ihren Augen immer unästhetische Personen, oder spielt da die Eigenwahrnehmung manchen auch einen Streich?
Dr. Schottler: Die Eigenwahrnehmung spielt bei Menschen immer eine große Rolle, und jedes Zeitalter und jede Kultur haben ihr ganz spezifisches Schönheitsideal. Deshalb muss ein Arzt immer sehr kritisch zu prüfen, welchen Schönheitsidealen ein Patient anhängt. „Schönheit“ wird also sehr unterschiedlich bewertet, dagegen lässt sich „Ästhetik“ klar bestimmen: Darunter verstehen wir die Ausgewogenheit der Proportionen, die den menschlichen Körper oder ein Gesicht ästhetisch erscheinen lässt. Ein Plastischer Chirurg kann mittels eines operativen Eingriffs gezielt ästhetische Proportionen wieder herstellen.

netzathleten: Legen sich heutzutage mehr Frauen oder Männer „unters Messer“? Was ist der häufigste „Makel“ der ausgebessert werden soll?
Dr. Schottler: Was bedeutet Makel?

netzathleten: Makel, sind solche, die ich persönlich als solche wahrnehme...
Dr. Schottler: Abgesehen von klaren medizinischen Indikationen, beispielsweise aufgrund von Erkrankungen, gibt es eigentlich keine Makel. Wir versuchen allerdings, äußere Proportionen wiederherzustellen. Die Mehrzahl unserer Patienten sind dabei noch immer Frauen. Was die Gewichtung der Eingriffe betrifft, hat die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC - www.dgpraec.de) kürzlich durch eine Patientenumfrage durchgeführt – mit folgenden Ergebnissen:

Frauen:
Brustvergrößerung 21,7 Prozent
Lidstraffung 16,8 Prozent
Fettabsaugung 10,9 Prozent
Faltenunterspritzung 9,7 Prozent

Männer:
Lidstraffung 31,2 Prozent
Fettabsaugung 20,2 Prozent
Botoxbehandlung 9,2 Prozent
Nasenkorrektur 6,4 Prozent

netzathleten: Sicherlich gibt es auch Menschen, die ohne Ihre chirurgischen Fähigkeiten für immer entstellt wären. Beispielsweise Unfall- oder Brandopfer. Wo finden Sie Ihre größere Erfüllung, wenn Sie solchen Menschen helfen, oder können entfernte Fettpölsterchen genauso glücklich machen?
Dr. Schottler: Es fällt mir sehr schwer, mich hier festzulegen. Tatsächlich geht es bei jedem Eingriff ganz individuell um den Menschen. Wir hatten erst kürzlich eine Patientin, die nach einer Verbrennung erhebliche Probleme mit ihrer Mundpartie hatte. Nach dem Eingriff kann diese Patientin nun wieder besser essen und sprechen. Sie fühlt sich mit ihrem Äußeren wieder sicherer und kann an einem erfüllten Leben teilhaben – das ist ein großartiges Ergebnis. Aber auch im Bereich der ästhetischen Chirurgie können wir bei unseren Patienten sehr positive Veränderungen hervorrufen – wer sich ein ästhetischeres Äußeres wünscht und dieses erhält, ist sehr glücklich.

netzathleten: Es gibt auch Ärzte, die Eingriffe vornehmen, die u. U. unnötig sind. Wie stehen Sie dazu?
Dr. Schottler: Dazu muss man sagen, dass die sogenannte Schönheitschirurgie eine Bezeichnung ist, die ein Arzt auch ohne den Nachweis einer fundierten Ausbildung in ästhetisch-plastischer Chirurgie verwendet werden darf. Die Ärzte unserer Fachklinik und auch ich selbst sind dabei den Anforderungen und Leitlinien der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) verpflichtet. Bedingt durch die Fülle der Möglichkeiten ist die Beratung des Patienten heute eine Kernaufgabe des ästhetisch-plastischen Chirurgen – und genau zu dieser Beratung ist jedes Mitglied der DGPRÄC verpflichtet. Da prinzipiell jeder Eingriff Risiken mit sich bringt, muss der Patient genau über die Erfolgsaussichten und möglichen Komplikationen aufgeklärt werden. Nur wenn der Patient mit realistischen Erwartungen in die Behandlung geht, kann der Eingriff zu einem besseren Körpergefühl und damit seelischem Wohlbefinden führen.

netzathleten: Ein chirurgischer Eingriff ist letztendlich immer eine Ausnahme-Situation für Körper und Geist. Erfordern manche Maßnahmen auch eine seelische Betreuung? Welche?
Dr. Schottler: Jeder Eingriff erfordert eine umfassende Beratung und, wenn Sie so wollen, eine seelische Betreuung. Diese Betreuung leisten wir in Form eines umfassenden Ästhetischen Coachings, bei dem es auch darum geht, die bereits angesprochenen realistischen Erwartungen beim Patienten zu entwickeln. Dazu gehört es unter anderem, die Lebensumstände des Patienten zu hinterfragen. Ein Beispiel: Eine Brust-OP ist unter Umständen erst nach einer Schwangerschaft sinnvoll, da sich die weibliche Brust durch eine Schwangerschaft verändert. Ähnliches gilt für eine operative Veränderung der Bauchdecke. Auch da müssen wir zunächst klären, ob es noch einen Kinderwunsch gibt.

netzathleten: Würden Sie selbst jemals etwas an sich verändern lassen? Wo fängt bei Ihnen der nachvollziehbare Wunsch einer äußerlichen Veränderung an?
Dr. Schottler: Ja – ich würde auch an mir selbst Veränderungen vornehmen lassen, wenn der zugrunde liegende Zustand für mich nicht akzeptabel ist. Es kann bei jedem Menschen körperliche Auffälligkeiten geben – Hautschädigungen, Fettpolster etc. – die möglicherweise ein Grund sind, um sich in seiner Haut nicht wohl zu fühlen. Wer einen ästhetisch-plastischen Chirurgen aufsucht, ist nicht krank, sondern unzufrieden mit seinem Aussehen. Diese Unzufriedenheit kann in mangelndes Selbstvertrauen, in Minderwertigkeitsgefühle und depressive Stimmungsbilder umschlagen. Deshalb nehmen wir jeden Wunsch nach körperlicher Veränderung ernst, was wiederum bedeutet, dass wir unsere Patienten eingehend beraten.

netzathleten: Die Schönheits-Kundschaft wird in den letzten Jahren immer jünger. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung.
Dr. Schottler: Einen Trend zur Verjüngung können wir eigentlich nicht feststellen. Bei Frauen gibt es zwar eine gewisse Häufung von Patientinnen, die etwa Mitte zwanzig sind, doch ein großer Teil gehört dann schon zur Altersgruppe der 30- bis 40-jährigen.Männer gehen meist erst ab dem 40. Lebensjahr zum Schönheitschirurgen.

netzathleten: Wenn eine sehr junge Frau mit einem Veränderungswunsch an Sie herantritt, sei es eine Brustvergrößerung oder das Entfernen von Fettpölsterchen, was raten Sie ihr?
Dr. Schottler: Eine jüngere Patientin wird prinzipiell nicht anders behandelt als eine ältere Patientin. Wir gehen jeden Wunsch nach Veränderung auf den Grund und versuchen zu klären, worin die Ursache liegt – natürlich raten wir dann auch von Behandlungen ab. Außerdem gibt es sehr strenge Vorgaben von der DGPRÄC, beispielsweise, was die Volljährigkeit betrifft. Und wenn eine 18jährige Frau mit dem Wunsch nach körperlicher Veränderung zu mir käme, wäre ich zunächst einmal skeptisch, da die Ausbildung des Körpers meist noch bis zum 21. Lebensjahr weitergeht. Und natürlich braucht man auch eine gewisse seelisch-mentale Reife, bevor man sich zu einem solchen Eingriff entscheiden sollte.

Das Interview führte Maria Poursaiadi.

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