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Nomophobie – Die Sucht nach dem Smartphone

  • Christian Riedel
Unsere moderne Gesellschaft bringt eine Vielzahl an neuen Problemen mit sich. So hätte wahrscheinlich vor zehn Jahren noch niemand daran geglaubt, dass man eine Angst entwickeln kann, nicht mehr auf dem Mobiltelefon erreichbar zu sein. Doch genau das ist bei der Nomophobie der Fall.

Man muss sich einfach nur einmal in der Öffentlichkeit umschauen, um zu sehen, welchen Stellenwert die Smartphones in der Gesellschaft entwickelt haben. Egal ob in der U-Bahn, beim Einkaufen, in der Kneipe, beim Spazierengehen oder im Fitnessstudio, überall starren Menschen auf ihre intelligenten Handys. Auch beim Sport ist das nicht anders. Direkt nach dem Training stürzen sich alle Spieler/innen auf ihre Smartphones, um nachzusehen, ob sich nicht ein Kontakt bei ihnen gemeldet hat. Teilweise geht das so weit, dass man bereits in der Halbzeitpause lieber auf das Telefon guckt, statt dem Trainer zuzuhören. Bei so einer großen Bedeutung ist es auch nachvollziehbar, dass einige eine regelrechte Angst davor haben, auf dem Smartphone nicht mehr erreichbar zu sein.

Diese Angst ist sogar schon so weit verbreitet, dass sie einen eigenen Namen bekommen hat. Man bezeichnet sie als Nomophobie. Dies ist ein Kunstwort, das aus dem englischsprachigen Raum stammt, und die Abkürzung für „No-Mobile-Phone-Phobia“ beschreibt.

Tatsächlich ist diese Angst womöglich die am weitesten verbreitete Furcht auf den britischen Inseln. So ergab eine Studie aus dem Jahr 2012, dass rund 66 Prozent der britischen Mobilfunk-Benutzer zumindest Angst davor haben, mobil nicht mehr erreichbar zu sein. Und auch wenn es in Deutschland bislang keine entsprechende Studie gab, kann man davon ausgehen, dass die Zahl der Betroffenen ähnlich hoch sein dürfte wie im vereinigten Königreich.

Wer ist betroffen?


Wie nicht anders zu erwarten ist, ist vor allem die jüngere Generation, die mit Smartphones aufgewachsen ist, besonders gefährdet. Handy-Nutzer zwischen 18 und 25 Jahren zeigen besonders häufig Ausprägungen der Nomophobie, wobei Frauen wohl häufiger betroffen sind als Männer. Allerdings gibt es auch Nomophobiker bei Kindern und bei Senioren. Es kommt eben drauf an, wie oft man auf sein Smartphone starrt. Je häufiger man das Smartphone nutzt und für je mehr Zwecke man es verwendet, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass man zu den Betroffenen zählt. Hier spielt vor allem die Angst mit, den Kontakt zu Freunden und der Familie zu verlieren, wenn man einmal für eine gewisse Zeit nicht erreichbar ist.

Woran erkennt man Nomophobie?


Einen Test für die Angst gibt es noch nicht. Allerdings kann man typische Verhaltensmuster beobachten. Die Betroffenen nehmen beispielsweise ihr Smartphone überall mit hin, teilweise auch zur Toilette oder ins Bett. Sie schauen oft pausenlos auf den Bildschirm und hören nicht auf, immer wieder drauf zu tippen, auch wenn sie sich eigentlich mit anderen Menschen unterhalten. Schlimm wird es, wenn der Akku leer ist, sie in einem Funkloch sind oder sie das Handy gar verloren oder vergessen haben. Hier kann es zu einem subjektiv verschobenen, übermäßigen Angstgefühl kommen. Hier spielt die Angst mit, auf die Anforderungen des Alltags nicht mehr schnell genug reagieren zu können. Auch die Angst vor Einsamkeit und das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit sowie eine gewisse Art der Selbstbestätigung spielen bei der Verlustangst eine große Rolle.

Typische Kennzeichen der Nomophobie sind:


- Entzugserscheinungen (z.B. Nervosität, Angst, schlechte Stimmung), wenn das Handy nicht „am Mann“ ist
- Innerer Drang, das Smartphone zu benutzen
- Beklemmungen, Angst, Stress bei ausgeschaltetem Handy
- Schweißausbrüche, beschleunigter Puls, Zittern, Angst bis zur Panik bei Unerreichbarkeit
- Gefühl der Nacktheit, wenn das Handy nicht da ist

Oft schauen die Nomophobiker auch regelmäßig auf ihr Smartphone, ohne sich dessen bewusst zu sein. Und um diese Probleme zu vermeiden, schaltet jeder zweite Smartphone-Nutzer sein Telefon nie aus. Viele Betroffene haben sogar ein Zweitgerät, um für den Notfall abgesichert zu sein.

Was hilft?


Die meisten Betroffenen werden die Sicht nach dem Handy momentan noch verharmlosen, da das Phänomen noch unbekannt ist und man sich selber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zur Gruppe der Gefährdeten zählen wird. Für viele Psychologen ist die Nomophobie aber schon Alltag in der Praxis, die wie jede andere Sucht oder jede andere Phobie behandelt werden muss. Häufig setzen die Psychologen dabei auf eine Konfrontations-Therapie, bei der der Betroffene der gefürchteten Situation ausgesetzt wird. Dies ist auch ein guter Selbsttest, um herauszufinden, ob man selber bereits gefährdet ist. Schalte doch einfach einmal dein Smartphone für zwei Stunden aus und beobachte Dich selber, wie es um Deinen Gemütszustand bestellt ist. Wenn Du merkst, dass die Welt nicht untergeht, wenn Du auch mal zwei Stunden nicht erreichbar ist, dürftest Du noch nicht zu den Nomophobikern zählen. Ansonsten kannst Du auch das Handy einfach in der Hosentasche lassen, es auf lautlos stellen und den Vibrationsalarm ausschalten. So guckst Du nicht die ganze Zeit auf das Display und kannst Dich mit den Menschen beschäftigen, die in dem Moment um dich herum sind.

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