Pech oder anfällig – Warum erkälten sich manche leichter thinkstockphotos.de

Pech oder anfällig – Warum erkälten sich manche leichter

  • Christian Riedel
Es ist unfair… während einige Menschen nahezu immun gegen Erkältungen zu sein scheinen, stecken sich andere an, wenn man sie nur schief anschaut. Aber woran liegt das. Ist das Immunsystem so schwach, sind die Gene schuld oder ist es einfach nur Pech?

Egal wo man hinschaut, überall wird gehustet, geschnupft und geschnieft. Wo immer viele Menschen zusammen sind, steigt auch die Ansteckungsgefahr. Doch einige Menschen erkälten sich nicht, auch wenn sie jeden Tag mit kranken Personen zu tun haben. Woran das liegt, dass sich einige Menschen sofort und andere gar nicht anstecken, wollte nun ein US-Forscherteam herausfinden.

Für die Probanden war die Studie zunächst nicht schön. Die 152 Teilnehmer im Alter zwischen 18 und 55 Jahren mussten fünf Tage lang in Quarantäne. Zuvor bekamen sie aber noch ein Nasenspray, das mit einem Schnupfenvirus kontaminiert war. Zudem wurde ihnen Blut abgezapft, sie wurden vermessen und mussten einen Fragebogen ausfüllen. Während der Quarantänezeit wurden sie beobachtet, ob sie Symptome einer Erkältung entwickelten.

Absichtlich angesteckt

Bis zum Ablauf der Frist hatten sich 105 Probanden (69 Prozent) mit dem Virus infiziert. Bei ihnen konnte der Virus im Nasensekret nachgewiesen werden oder sie hatten entsprechende Antikörper gebildet. 33 Testpersonen (22 Prozent) wurden richtig krank. Sie bekamen einen Schnupfen sowie weitere typische Symptome einer Erkältung wie Husten und Halsschmerzen. Nur 14 Teilnehmer hatten ein so gutes Immunsystem, dass ihnen das Nasenspray nichts anhaben konnte.

Bei der Analyse der Blutwerte stellten die Forscher der Carnegie Mellon University, Pittsburgh/USA fest, dass sich vor allem die Länge der so genannten Telomere in bestimmten weißen Blutkörperchen bei den Gruppen unterschied. Telomere sind lange, fadenartige Strukturen an den Enden der Chromosomen im Zellkern. Sie erfüllen zum einen eine wichtige Schutzfunktion im Erbgut, zum anderen wird ihnen eine Rolle bei Alterungsprozessen zugeordnet. Bei jeder Zellteilung verkürzt sich sozusagen aus technischen Gründen der DNA-Faden. Die Telomere sind nun so platziert, dass sie sich anstelle des DNA-Strangs verkürzen. Dadurch schützen sie das Erbgut und die darauf liegenden Informationen gehen nicht verloren. Problematisch wird es, wenn nun das Telomer so viel an Länge eingebüßt hat, dass es sich nicht mehr verkürzen kann. Nun kann sich die Zelle nicht mehr teilen. Sie altert und stirbt. Je länger nun also das Telomer, desto länger kann die entsprechende Zelle leben.

Die Länge zählt

 

Die Länge des Telomers bestimmt nun also, wie alt die Zelle werden kann. Allerdings können wir die Länge auch beeinflussen. Neben genetischen Faktoren und dem biologischen Alter spielt auch der Lebensstil eine wichtige Rolle. In unserem Körper gibt es mehr oder weniger alle Längen von Telomeren, auch unabhängig vom biologischen Alter. Und genau das ist wohl bei der Immunabwehr ein entscheidender Faktor, so das Ergebnis der Studie. Denn je kürzer das Telomer, desto höher war die Ansteckungsgefahr oder sogar die Wahrscheinlichkeit, richtig krank zu werden. Vor allem die Telomer-Länge in einer bestimmten T-Zelle, die für das Erkennen und Beseitigen von virusbefallenen Zellen verantwortlich ist, scheint für diesen Faktor zuständig zu sein.

Ist es also nur eine Frage der genetischen Disposition und dem biologischen Alter, ob man sich ansteckt oder nicht? Die Forscher sind hier anderer Meinung. Zumindest in der Studie scheint die Länge der Telomere mit den Jahren immer wichtiger zu werden. Während in der Gruppe der 18-22 Jährigen praktisch noch kein Einfluss der Länge der Telomere auf die Ansteckungsgefahr nachzuweisen war, wurde diese bei den älteren Probanden immer wichtiger. Sie hatten fast doppelt so viele Zellen mit kurzen Telomeren. So kurz vor ihrem Ende sind die Zellen schwächer und weniger effektiv im Kampf gegen die Viren. Und je mehr Zellen dieser Art ein Mensch hat, desto schwächer scheint die Immunabwehr zu werden. Möglicherweise können in einem jungen Immunsystem die Lücken durch die geschwächten T-Zellen anderweitig geschlossen werden, so die Meinung der Forscher.

Sinnlose Studie?

 

Leider kann nun niemand selber mit dem Mikroskop die Länge seiner Telomere nachmessen. Insofern hilft die Studie auch nicht wirklich weiter bei der Frage, warum man selber vielleicht öfter krank wird als andere bzw. hilft sie auch nicht bei der Frage, wie mach sich vor einer Ansteckung schützen kann. Auch die Forscher räumen ein, dass man durch die Ergebnisse keine neuen Therapiemöglichkeiten bekommen hat. Zudem ist nicht ganz klar, ob es womöglich einen dritten Faktor neben der erhöhten Anfälligkeit und der Länge der Telomere gibt, der für die Infektionswahrscheinlichkeit verantwortlich ist. Zudem war die Zahl der Teilnehmer in der Studie mit 152 sehr gering, um eine Aussage treffen zu können.

Mit entsprechenden Folgeuntersuchungen wollen die US-Forscher weitere Antworten finden. Bis dahin bleiben anfälligen Menschen nur weiterhin die bisherigen Methoden, sich vor der Erkältung zu schützen: Kontakt mit Kranken vermeiden, Hygiene beachten, viel schlafen, viel trinken, eine gesunde Ernährung und Sport treiben, um das Immunsystem zu stärken.

Sheldon Cohen (Carnegie Mellon University, Pittsburgh) et al.: JAMA, Bd. 309, S. 699

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