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NCAA-Rückblick – Von Überfliegern und Unterforderten

Nach zwei Monaten NCAA-Basketball lassen sich wie immer erste Gewinner und Verlierer finden. Denn während die Syracuse Orange sämtliche Experten überraschen und Freshman John Wall von Sekunde null an dominiert, machen sich beispielsweise die UCLA Bruins zur Lachnummer. Und auch zwei Deutsche sind bei den Tops und Flops vertreten: Überflieger Elias Harris und die unterforderte Distanzwurfmaschine Lucca Staiger.

Tops:

1. Syracuse Orange

Jonny Flynn weg, Paul Harris weg, Eric Devendorf weg – na und?! Trotz des Abgangs ihrer drei wichtigsten Spieler sind die Syracuse Orange bisher eines der absoluten Top-Teams im Land. So konnten bisher alle zwölf Gegner zweistellig abgefertigt werden, darunter Hochkaräter wie California (95:73), North Carolina (87:71) und Florida (85:73).

Dass die Orange in den Rankings in Windeseile von null auf fünf geklettert sind, liegt vor allem an Flügelspieler Wesley Johnson. Nach seinem Transfer aus Iowa State im Sommer 2008 musste Johnson ein ganzes Jahr aussetzen und ist nun einer der dominanten Spieler der NCAA. Zusammen mit Freshman Brandon Triche und den Rückkehrern Rick Jackson, Arinze Onuaku, Kris Joseph und Andy Rautins bildet der athletische Small Forward nun eine sehr schlagkräftige Rotation.

 

2. Die Big-12-Conference

Nachdem im letzten Jahr die Big East Conference das Maß aller Dinge war, befindet sich das Machtzentrum der NCAA nun im Süden des Landes. Das liegt nicht zuletzt daran, dass mit den ungeschlagenen Kansas Jayhawks und Texas Longhorns die beiden besten Teams des Landes in der Big 12 an den Start gehen. Zum Showdown der Giganten kommt es übrigens am 8. Februar.
Doch die Big 12 ist weitaus mehr als nur Kansas und Texas. Mit Kansas State, Texas Tech, Oklahoma State und Baylor haben vier weitere Teams erst eine Niederlage kassiert; und auch Mannschaften wie Texas A&M oder Lucca Staigers Iowa State Cyclones sind keinesfalls zu verachten. Einzige Enttäuschung: die Oklahoma Sooners (8-4).

 

3. John Wall

Die Erwartungen an John Walls Freshman-Saison in Kentucky waren hoch. So galt er vor Saisonbeginn nicht nur als designierte Nummer eins des NBA Draft 2010, sondern sollte auch die Offensive eines legitimen Final-Four-Anwärters anführen. Doch bereits nach zwei Monaten müssen selbst Kritiker einsehen, dass der 19-Jährige dieser Aufgabe mehr als gewachsen ist.

Walls 17,2 Punkte pro Spiel bei starken Quoten (52,1% FG, 43,3% 3FG, 81,9% FT) sind ein Indiz für seine Scoring-Fähigkeiten. Noch wichtiger ist jedoch, dass er auch als Spielgestalter (7,5 ApG), Rebounder (4,0 RpG) und Verteidiger (2,4 SpG) überzeugt. Damit stellt Wall nicht nur die College-Statistiken von Bulls-Guard Derrick Rose, mit dem er regelmäßig verglichen wird, in den Schatten, sondern etabliert sich auch als ernsthafter Kandidat für die Auszeichnung zum Spieler des Jahres.

 

4. Die Southeastern Conference (SEC)

Während die SEC im College-Football die drei letzten Champions stellte, näherte sich das Niveau des Basketball-Wettbewerbs vor allem im letzten Jahr immer mehr dem Mittelmaß an. Doch dank eines gewissen John Calipari, der mit seinem Wechsel auf die Trainerbank der Kentucky Wildcats gleich mehrere Top-Talente nach Lexington lockte, verfügt die SEC auch in dieser Sportart wieder über einen legitimen Titelkandidaten.

Hinzu kommen solide Teams wie Tennessee, Florida oder Mississippi, die sich dank konstant guter Leistungen in die Top-25 gespielt haben und auch im Tournament für Furore sorgen könnten. Rechnet man die talentierten Mississippi State Bulldogs hinzu, muss sich die SEC nicht mehr vor den anderen Major Conferences verstecken.

 

5. Elias Harris

Dank des Abgangs diverser Leistungsträger war bereits vor Saisonbeginn davon auszugehen, dass der deutsche Nationalspieler starten und reichlich Spielzeit erhalten dürfte. Dass der athletische Forward nicht den Hauch von Startschwierigkeiten aufweisen und direkt zur potentesten Frontcourt-Waffe der überraschend starken Bulldogs reifen würde, war jedoch nicht zu erwarten.
13,3 Punkte und 6,8 Rebounds weist der 2,01-Meter-Mann nach zwölf Partien im Schnitt auf, drei Zwanzig-Punkte-Spiele gegen Washington State (24 Pkt, 12 Reb, 8/11 FG), Davidson (27 Pkt, 5 Reb, 7/9 FG) und Eastern Washington (22 Pkt, 7 Reb, 9/11 FG). Grund genug für die Experten von ESPN.com und Draftexpress.com, ihn schnurstracks zu einem Kandidaten für die mittlere bis späte erste Runde im Draft 2011 zu erklären. Dies ist natürlich sehr hoch gegriffen, zeigt jedoch zumindest eines: Elias Harris ist in den USA angekommen!


1. Die Pac-10-Conference

Bereits vor der Saison war abzusehen, dass die Pac-10 dieses Jahr die schwächste der sechs "Power Conferences" sein dürfte. Schuld dafür sind diverse Wechsel auf den Trainerbänken sowie der Mangel an adäquatem Ersatz für die abgewanderten Stars. Nach den ersten beiden Saisonmonaten muss jedoch die Frage berechtigt sein, ob sich die Pac-10 dieses Jahr überhaupt noch "Power Conference" nennen darf.

So scheint es derzeit nicht unwahrscheinlich, dass die Pac-10 am Ende nur zwei bis drei Teams zum Tournament schicken wird. Eines davon dürften die Washington Huskies sein, die bisher allerdings selbst nur bedingt überzeugten und zwei von drei namhaften Gegnern unterlagen. Das andere hochgehandelte Team, die California Golden Bears, mussten derweil vier Niederlagen in zwölf Spielen einstecken und drängen sich ebenso wenig auf wie die anderen Westküsten-Teams.

 

2. UCLA Bruins

Die Bruins sind als Sinnbild für die Krise der Pac-10 zwar eigentlich schon unter Punkt eins abgehandelt. Die derzeitige Misere des NCAA-Rekordmeisters ist inzwischen allerdings so erschütternd, dass sie an dieser Stelle extra gewürdigt werden muss. Dabei genügt ein Blick auf die Bilanz: 5-7!
So setzte es neben den zu erwartenden Niederlagen gegen Kansas und Butler auch Pleiten gegen Cal State Fullerton, Portland, Long Beach State, Mississippi State und Notre Dame. Besonders bitter: Sechs der sieben Niederlagen ereigneten sich auf heimischem oder neutralem Feld, so etwa das 27-Punkte-Heimdebakel gegen Portland. Nach Final-Four-Teilnahmen in 2006, 2007 und 2008 muss man in Los Angeles der Tatsache ins Auge blicken, dass den Bruins dieses Jahr einfach das Talent vergangener Jahre zu fehlen scheint.

 

3. Michigan Wolverines

Letztes Jahr war Michigan der große Gewinner der ersten Saisonmonate. Schließlich legte man im November durch Siege gegen Duke und die (damals noch gefürchteten) UCLA Bruins den Grundstein dafür, dass man trotz einer Bilanz von 9-9 in der Big Ten ein Ticket für das NCAA Tournament erhielt.
Dieses Jahr sieht es genau anders herum aus. Denn mit fünf Niederlagen vor Weihnachten könnten sich die Wolverines bereits ihr eigenes Grab geschaufelt haben. Während man gegen Marquette, Utah und Kansas zweistellig unterlag, schmerzten besonders die knappen Niederlagen gegen Boston College und Alabama. In jedem Fall wird der One-Two-Punch aus Manny Harris und DeShawn Sims im neuen Jahr mächtig dominieren müssen, um das Steuer noch herum zu reißen.

 

4. Evan Turners Verletzung

Bereits in der Auftaktpartie gegen Alcorn State setzte Ohio States Evan Turner mit 14 Punkten, 17 Rebounds und 10 Assists ein Ausrufezeichen, welches er im zweiten Spiel gegen James Madison (24 Pkt, 17 Reb, 4 Ast) eindrucksvoll bestätigte. Und auch gegen Hochkaräter wie North Carolina (23 Pkt, 11 Reb), California (26 Pkt, 14 Reb) und Florida State (25 Pkt, 13 Reb) konnte er scheinen, ganz abgesehen von Turners zweitem Triple Double gegen Lipscomb (16 Pkt, 10 Reb, 11 Ast).

Bis die Jagd nach dem National Player of the Year-Titel am 5. Dezember jäh beendet wurde. Gegen Eastern Washington hob der Combo Guard in der 7. Spielminute zum Dunk ab und landete dabei unglücklich auf seinem Rücken. Die Diagnose: Bruch diverser Rückenwirbel. Bis Februar wird Turner aller Voraussicht nach noch ausfallen und es bleibt zu hoffen, dass er in der March Madness – zumindest annähernd – an die wahnsinnigen Leistungen der ersten Saisonwochen anknüpfen kann.

 

5. Lucca Staigers Rolle

Um Missverständnissen vorzubeugen: Lucca Staiger spielte im Trikot der Iowa State Cyclones eine durchaus ansprechende Saison und gehörte wie bereits in seiner Debütsaison zu den absoluten Leistungsträgern seines Teams. Zudem zählt er spätestens seit seiner Meisterleistung gegen Drake (32 Punkte, 10/16 Dreier) zu den besten Distanzschützen des Landes.

Genau hier liegt jedoch das Problem: Staiger ist ein reiner Shooter. So stehen 80 Dreierversuchen lediglich fünf aus dem Zwei-Punkte-Bereich sowie fünf Freiwurfversuche gegenüber – FÜNF!!! Dabei sollte eigentlich außer Frage stehen, dass Staiger auch aus der Mitteldistanz sicher treffen und mit seinem kräftigen Körper in der Zone Schaden anrichten könnte. Sein Coach scheint ihm dies leider ebenso wenig zuzutrauen wie die Rolle des Spielgestalters (1,5 ApG in 26,0 MpG). Mittlerweile steht Staiger bei Alba Berlin unter Vertrag.