Von einem Rollenspieler neben den großen Drei zu einem Star in der NBA. Das ist die Geschichte des Rajon Rondo, dem vielleicht besten Celtics-Akteur im Moment. Wie hat der Point Guard den Schritt in die NBA-Elite geschafft?
Der Weg in die NBA
Rajon Pierre Rondo (Foto) wird am 22. Februar 1986 in Louisville, im US-Bundesstaat Kentucky, geboren. Seine Basketballlaufbahn beginnt in seiner Heimatstadt, nämlich an der Louisville Eastern High School. Dort geht der heute 23-Jährige drei Jahre unter Doug Bibby auf Korbjagd. In seiner Junior-Saison liefert er durchschnittlich überragende 27,9 Punkte, 10,0 Rebounds und 7,5 Assists pro Spiel. Von diesen starken Leistungen nimmt auch die Oak Hill Acadamy, wo bereits NBA-Akteure wie Stephen Jackson, Josh Smith und Carmelo Anthony ihren Feinschliff für die NBA erhalten haben, Notiz.
Für sein letztes Jahr an der High School wechselt Rondo dann zur Elite-Schule aus Virginia. Dort läuft er sogar mit Smith im gleichen Team auf. In Oak Hill setzt der Point Guard dann seine erfolgreiche High-School-Karriere fort. In seinem einen Jahr in Virginia spielt sich Rondo in die Geschichtsbücher der berühmten Schule. In der Spielzeit 2003/04 führt er das Team zu einer Bilanz von 38-0 und markiert im Schnitt 21,0 Zähler, 3,0 Rebounds und 12,0 Assists. Mit seinen durchschnittlich zwölf Vorlagen knackt er den schulinternen Rekord für Assists in einer Saison; unter anderem verteilt Rondo in einer Partie sensationelle 31 Korbvorlagen an seine Mitspieler. Auch diese Marke hat bis heute als Schulrekord bestand. Dank der beeindruckenden Bilanz der Mannschaft und Rondos starken individuellen Zahlen wird er ins McDonalds All-American Team 2004 nominiert.
Nach seinem Jahr an der Oak Hill Acadamy entscheidet sich Rondo gegen einen direkten Wechsel in die NBA und schreibt sich in Kentucky ein. Der Aufbauspieler geht zwei Jahre am College auf Korbjagd, doch weder in seiner Freshman- noch in seiner Sophmore-Saison erreicht Kentucky das Final Four. Doch genau wie an der High School hinterlässt der Regisseur seinen Namen in den Bestenlisten: In seinem ersten Jahr klaut Rondo, durch seine herausragende Schnelligkeit und Antizipation, 87 Bälle – ein Rekord für die Universität von Kentucky. Neben seinen Qualitäten in der Verteidigung zeigt er auch seine exzellente Rebound-Arbeit für einen Spielgestalter. Mit 19 „Boards" hält der Point Guard den Schulrekord für Abpraller von einem Guard.
2005 wird der damals 20-Jährige für die U21-Weltmeisterschaft in Argentinien berufen. In acht Turnierspielen erzielt Rondo durchschnittlich 11,0 Punkte und 4,5 Assists. Auch durch seine guten Auftritte im Trikot der US-Boys schreiben immer mehr NBA-Scouts seinen Namen auf ihre Notizzettel.
Nach der NCAA-Saison 2005/06 gibt der Aufbau bekannt, dass er sich für den Draft anmelden wird. Commissioner David Stern ruft dessen Namen am Draft-Tag an 21. Stelle auf – die Phoenix Suns haben Rondo ausgewählt. Der junge Aufbauspieler lernt gleich das Geschäft in der NBA kennen, denn er zieht nie in die Wüste Arizonas, da er noch am selben Abend mit Brian Grant für den Erstrunden-Pick der Cleveland Cavaliers aus dem Jahr 2007 und einem Geldbetrag zu den Boston Celtics getradet wird.
In seiner Rookie-Saison ist Rondo eines vieler junger Puzzle-Teilchen, die neben Paul Pierce die ruhmreiche Franchise wieder nach oben bringen sollen. Doch die erste Saison verläuft aus mehreren Gründen nicht optimal für den Neuling. Zum einen ist der Backcourt von jungen Talenten überfüllt. Rondo muss sich die Spielzeit mit Sebastian Telfair (Foto) und Delonte West teilen. Trotz der Konkurrenz auf seiner Position startet der Aufbau 25 Mal und beendet die Saison mit insgesamt 125 Steals unter den zehn besten Akteuren in dieser Statistik. Zu seinen im Schnitt 1,6 geklauten Bällen gesellen sich noch 6,4 Punkten, 3,7 Rebounds und 3,8 Assists pro Spiel.
Doch seine erste Saison birgt auch Schattenseiten: Rondos Umgang mit seinen Teamkollegen sorgt oft für Kopfschmerzen und Unzufriedenheit bei seinem Head Coach Doc Rivers, der selber einmal als Point Guard in der NBA agierte. Spielt Rondo einen Pass, der nicht gefangen wird, erntet der Teamkollege einen starren Blick; setzt ein Schütze nach einem Block den Wurf daneben, verdreht der Regisseur die Augen. Daraufhin beordert ihn Rivers in sein Büro. „Weißt du, dass deine Mitspieler es hassen, mit dir zu spielen?", stellt Rivers seinen Schützling zur Rede. Rondo zieht sich nach der Schelte erst einmal geschockt zurück und sagt heute über die Situation: „Er war nicht positiv, aber es war ein Test für mich. Es [seine Reaktion auf dem Feld, Anm. d. Red.] war nicht das, was ich sagen wollte, aber meine Körpersprache vermittelte etwas anderes." Diese Herausforderung, sich zu ändern, scheint Rondo gemeistert zu haben, denn zu Beginn der Saison 2007/08 steht der Aufbau immer noch im Kader der „C´s".
Der große Umbruch vom jungen Team mit massig Talent, hin zum Meisterschaftsfavoriten, wird in Boston innerhalb nur einer Offseason vollzogen. Rondo erhält das Vertrauen des Managements um General Manager Danny Ainge. Er soll das Puzzle-Teil im Aufbau sein, welches neben den Stars seine Rolle erfüllt und neben ihnen reifen kann. Und tatsächlich sind die „Big Three" (Paul Pierce, Kevin Garnett, Ray Allen) zu diesem Zeitpunkt genau das richtige für den unerfahrenen Rondo. Vor ihnen hat der Jungspund Respekt, während das Trio Rondos größte Schwäche demonstriert – die Konstanz. Mit viel Sorgfalt und heimlich, still und leise übernimmt er einige Gewohnheiten der Celtics-Stars, was ihm dabei hilft, konstant seine Leistung abzuliefern.
Rondo sieht an Spieltagen, wie jeder der großen Drei zum gleichen Zeitpunkt in die Halle kommt. Zudem nimmt er, vor allem bei Ray Allen, Kenntnis von vielen Ritualen, die helfen, sich auf das Spiel vorzubereiten. Der Shooting Guard duscht zum Beispiel vor jedem Spiel. Mit einigen Vorgehensweißen identifiziert sich der Point Guard. Rondo – der, wie er sagt, nie barfuß läuft – hat mittlerweile selbst das Duschen ritualisiert: nach dem Aufstehen, nach dem ersten Einwerfen, nach dem Mittagsschlaf, nach dem Aufwärmen in der Arena und nach dem eigentlichen Spiel. Rondo beginnt in der Kabine auch neben Kevin Garnett zu sitzen, bevor Doc Rivers ein letztes „let’s go" in Richtung seiner Spieler schickt – dann stehen „KG" und „R²" auf. „Eines Tages sehe ich rüber und da sitzt Rajon. Wir lachen darüber, aber weißt du was? Er lernt", meint Ray Allen über seinen Lehrling.
Doch trotz der Fortschritte trauen viele Experten Rondo es nicht zu, das Team zum Titel zu führen. Oft heißt es, er sei zu unerfahren, da er erst in seinem zweiten NBA-Jahr stehe. Zudem muss er drei Superstars bedienen, also zu zwei davon in einem Angriff „nein" sagen und ihnen den Ball nicht zupassen. In der regulären Saison kommt einige Male mit Allen einer der besten Schützen in der Geschichte der NBA um den Block gelaufen, doch der Point Guard muss zu Paul Pierce auf der anderen Seite passen, damit dieser seinen Rhythmus behält. Wenn Garnett sich im Post postiert hat und das Doppeln bereits auf dem Weg zum Big Man ist, spielt Rondo nicht „The Big Ticket" an. Diese Entscheidungen machen ihn nicht berühmt, aber er erhält dadurch Respekt bei der gesamten Mannschaft. „Er erarbeitet unser Vertrauen. Ich kann mir nicht vorstellen, als Sophmore den Ball zwischen drei All-Stars zu verteilen", meint Pierce über die schwierige Aufgabe seines Point Guards.
Große Hilfe bei dieser Entwicklung bekommt Rondo dabei von seinem eigenen Head Coach, der bereits selbst in einer ähnlichen Situation steckte. Damals war Rivers (Foto) 27 Jahre alt und Aufbau bei den Atlanta Hawks. Im Jahr 1988 hatten die Habichte mit Moses Malone, Dominique Wilkins und Reggie Theus zwei heutige Hall of Famer und drei Akteure, die zweistellig punkteten, in ihren Reihen. Rivers erzählt Rondo, dass keiner der drei Stars öfter den Ball haben wollte, da er gegen Ende eines engen Spiels selber den Wurf nahm, obwohl alle drei vor der Aktion zu ihm kamen und den Ball forderten. „Ich verwarf, aber das war nebensächlich", meint der Übungsleiter. „Meine Aussage war klar: Das ist meine Show."
Rondo wird im Laufe der Saison den Ansprüchen immer mehr gerecht und widerlegt die Kritiker. An der Seite von den großen Drei führt er die Celtics zu einer Bilanz von 66 Siegen und 16 Niederlagen – der besten in der NBA. Dabei erzielt der Spielgestalter im Schnitt 10,6 Zähler, 4,2 Rebounds und 5,1 Assists. Außerdem entwickelt sich der heute 23-Jährige langsam aber sicher zu einem der besten Verteidiger auf seiner Position. Doch nicht nur in der Defensive sorgt der Point Guard für Aufsehen. Seine Aktionen in der Offensive sind teilweise sehr sehenswert und facettenreich. Im folgenden Video sind seine zehn spektakulärsten Aktionen der regulären Saison 2007/08:
Am 20. April 2008 gibt der Point Guard dann sein Playoff-Debüt. Mit 15 Punkten und neun Vorlagen ist Rondo ein Garant für den 104:81-Erfolg gegen die Atlanta Hawks. Nach Siegen gegen die Habichte, die Cleveland Cavaliers und Detroit Pistons stehen die Kelten sodann gegen die Erzfeind, die Los Angeles Lakers, im NBA-Finale. Mit 16 Assists in Spiel zwei und 21 Punkten, acht Vorlagen, sieben Abprallern und sechs Steals in Spiel sechs hat der Point Guard großen Anteil an der Meisterschaft der Celtics.
In seiner dritten NBA-Saison macht Rondo erneut einen Schritt nach vorne. In der regulären Saison startet er als feste Größe in allen 80 Partien, in denen er aufläuft. Als Spielgestalter lenkt er das Spiel besser und setzt seine Mitspieler mit durchschnittlich 8,2 Assists mehr in Szene. Zudem gelingen dem 23-Jährigen seine ersten beiden Triple-Doubles. Auch die Kelten spielen erneut eine starke Hauptrunde und stehen am Ende im Osten auf dem zweiten Platz.
Damit warten in der ersten Runde die siebtplatzierten Chicago Bulls. In dieser Serie etabliert sich der Aufbau dann endgültig in der NBA-Elite. In einer unglaublichen Erstrundenserie gegen die Bullen aus Chicago liefert sich Rondo mit Derrick Rose ein hervorragendes Duell zweier junger Point Guards. Dabei merken die Celtics, wie wichtig Rondo für sie ist, besonders durch die Verletzung von Kevin Garnett. Bereits im ersten Spiel liefert Rondo eine fabelhafte Leistung ab. Mit 29 Punkten stellt er eine neue Karrierebestleistung in den Playoffs auf, dazu greift er sich neun Rebounds und verteilt sieben Assists. Doch an diesem Abend reicht es nicht für den Sieg, da die Bulls Rose in ihren Reihen haben. Der Rookie spielt bei seinem Postseason-Debüt unglaublich: Mit 36 Zählern und elf Vorlagen stiehlt er Rondo die Show und die Franchise aus Illinois den Sieg aus Beantown. Nach der bitteren Niederlage schläft der Spielgestalter nach eigener Aussage nur vier Stunden. Er glaubt, das Team im Stich gelassen zu haben.
In Spiel zwei schlagen Rondo und die Kelten dann zurück. Hinter einer noch besseren Allround-Leistung Rondos (19 Punkten, 16 Assists, zwölf Rebounds und fünf Steals) gleichen die Celtics die Serie zu Hause aus. In der vierten Partie liefert Rondo dann mit 25 Zählern, elf Abprallern und elf Vorlagen sein zweites Triple-Double der Serie. Damit ist er der erste Celtics-Akteur seit Larry Bird, der zwei Triple-Doubles in einer Serie erzielen konnte, und der erste Spieler nach Jason Kidd, der mehr als eine solche statistische Meisterleistung in einer Serie verbuchen konnte, seit Kidd 2003 drei Mal dieses Kunststück gelang. Da Rondo im siebten Spiel gegen die Bulls „nur" fünf Abpraller fängt, schrammt er um Haaresbreite daran vorbei, ein Triple-Double über die Serie zu erzielen (19,4 PpG, 11,6 ApG, 9,3 RpG).
Nach sieben unglaublich spannenden Spielen stehen die Celtics daraufhin im Halbfinale des Ostens gegen die Orlando Magic. Und Rondo macht genau dort weiter, wo er gegen die Bullen aufgehört hatte. In der zweiten Begegnung steht im Statistikbogen erneut ein Triple-Double für den Allrounder zu Buche: 15 Punkte, elf Rebounds und überragende 18 Assists.
Der Aufbau spielt auf einem ähnlich hohen Niveau wie in der Serie gegen Chicago, doch ganz kommt er an seine Glanzleistungen nicht mehr heran. Vor allem die Wurfquoten nehmen ab. In Runde eins versenkt der Point Guard noch 45 Prozent aus dem Feld und 44 Prozent hinter der Drei-Punkte-Linie. Gegen die Magic kommt Rondo nur noch auf Quoten von 37 Prozent aus dem Feld und magere 13 Prozent von „Downtown". Trotz der sinkenden Quoten flirtet „R²" erneut mit einem Triple-Double im Schnitt (14,3 PpG, 8,0 ApG, 10,1 RpG).
Dies zeigt seinen unglaublichen Aufstieg in den Playoffs 2009, aber auch seine größte Schwäche: der Wurf. Sein Schuss hat sich zwar durchaus verbessert, doch es bleibt die große Schwachstelle und die große Unkonstante in seinem Spiel. Ähnlich wie bei Tony Parker zu Beginn dessen Karriere, ist Rondo einen sicheren Wurf aus der (Mittel)Distanz entfernt, in der Offensive nicht zu bremsen zu sein. Dabei hat der Celtics-Akteur deutliche Vorteile bei der Vielseitigkeit im Vergleich zum Franzosen von den San Antonio Spurs. Trotz seines wackligen Wurfes ist Rajon Rondo einer der Stars der Postseason 2009, was seine durchschnittlich 16,9 Punkte, 9,8 Assists und 9,9 Rebounds pro Partie nur noch einmal deutlich unterstreichen.
Nach den Playoffs 2009 blicken die Celtics jetzt wieder in die Zukunft. In der neuen Saison soll, mit einem noch stärkeren Rondo und den großen Drei, wieder der Titel nach Boston geholt werden. Aber auch die Zeit nach den „Big Three" scheint gesichert – dann mit einem Team um Rajon Rondo als großes Puzzle-Teilchen.
Johannes Hübner