Skispringer und der Kampf mit den Kilos – der BMI Renate Tröße / pixelio.de

Skispringer und der Kampf mit den Kilos – der BMI

  • Stefan Petri
Seit einigen Jahren gibt es im Skispringen eine Regelung, die ein gesundes Gewicht der Springer gewährleisten soll. Netzathleten.de erklärt, wie das funktionieren soll. Außerdem sprechen wir mit Expertin Verena Jung von der EBS Business School über die Reaktionen der Springer und die aktuellen Entwicklungen im Kampf um die größte Weite.

Drei Buchstaben: BMI. Sie stehen für den sogenannten Body-Mass-Index, bei dem das Körpergewicht in Verhältnis zur Körpergröße gesetzt wird, um so zu bestimmen, ob man sich eher Bereich Unter-, Normal-, oder Übergewicht befindet. Die Berechnung ist ganz einfach: Das Gewicht in kg wird geteilt durch die Größe² (in Metern).

Die meisten sind sicherlich schon einmal über den (eigenen) BMI gestolpert. Dabei ist der BMI eine durchaus künstliche Formel, die das Geschlecht oder den Muskelanteil gar nicht berücksichtigt. Ein paar Dinge kann man an dieser Milchmädchenrechnung aber dann doch ablesen. Ein BMI unter 20 ist sehr dünn, alles über 30 ist im Normalfall adipös und damit gesundheitsgefährdend (bei extrem gut austrainierten Sportlern kann es auch zu Ausnahmen kommen. Ein Vitali Klitschko kommt auf einen BMI jenseits der 27, was in seinem Fall aber natürlich kein Problem ist).

BMI-Vorgaben im Skispringen

Man sollte meinen, dass bei professionellen Athleten das Gewicht eigentlich kein Problem darstellen würde. Nicht aber, wenn es ums Skispringen geht. Denn bei den waghalsigen Springern galt um die Jahrtausendwende vor allem eine Maxime: „Weniger fliegt mehr.“ Je geringer das Körpergewicht, desto weiter ging der Sprung. Das hatte zur Folge, dass die Topspringer immer mehr an Gewicht verloren und das Wort „Magersucht“ die Runde machte. Bei einem BMI von teilweise unter 18 (das entspräche 57kg bei einer Größe von 1,80m) ist das kein Wunder.

Kein Wunder war es auch, dass der Weltverband FIS schließlich beschloss, dem Hungerwahn einen Riegel vorzuschieben. Ab der Saison 2004/2005 musste jeder Springer im Anzug einen BMI von mindestens 20 aufweisen. Wer das nicht schaffte, wurde mit kürzeren Skiern – also weniger Tragfläche beim Sprung – bestraft.

Die neue Regel trägt Früchte

Die BMI-Vorgabe führte in den darauffolgenden Jahren tatsächlich zu einer Änderung im Erscheinungsbild der Sportler, sagt Diplom-Betriebswirtin Verena Jung von der EBS Business School in Wiesbaden. Als Doktorandin hat sie über die Veränderungen im Skispringen geforscht und dabei zu vielen Topspringern einen Kontakt aufgebaut. „Die Springer sind athletischer geworden und haben Muskelmasse zugelegt“, erklärt sie im Exklusiv-Interview. Die extrem leichten Springer, die nur über ihr geringes Gewicht eine Chance hatten, sind verschwunden, was unter den Springern im Allgemeinen begrüßt wird.“

Im letzten Jahr wurde die BMI-Regel auf 20.5 verschärft, vor der diesjährigen Saison sogar auf 21. Ziehen die Springer hier komplett mit?

„Es gibt Einzelne unter den jüngeren Springern, die sich benachteiligt fühlen. Sie seien nun mal generell leichter und haben noch einen anderen Körperbau, für den sie ja nichts können. Aber das sind nur Einzelfälle. Der Großteil der Springer unterstützt eine BMI-Regelung und befürwortet, dass man dem Gewichtsverlust Einhalt gebietet. Wobei es einigen auch ganz einfach egal ist.“

Neue Bindung könnte den Trend umkehren

„Die Springervereinigung wäre auch mit einer Beibehaltung von 20.5 zufrieden gewesen.“, so Jung weiter. „Das Problem ist, dass seit diesem Winter flächendeckend eine neue Bindung eingeführt worden ist, die den Fokus nicht mehr auf die Maximallänge der Skier legt. Einigen Springer reichen durch die neue Bindung kürzere Skier aus, als sie ihnen durch die BMI-Regel zugestanden werden. Dadurch schränkt die BMI-Regelung die Springer zum Teil weniger ein. Einige Springer haben zugegeben, dass der Fokus weniger auf dem BMI, sondern eher auf der Ausreizung der neuen Bindung liegt.“

Sie sieht darin eine Gefahr, dass sich die Springer wieder hin zu möglichst wenig Gewicht entwickeln könnten. „Jetzt muss man erst einmal abwarten, wie es sich diesen Winter entwickelt und wie die Springer reagieren. Die Verantwortlichen der FIS wie Walter Hofer, der Renndirektor des Weltskiverbandes für das Ressort Skispringen, wissen um die Effekte von BMI und der neuen Bindung. Sie werden sich das anschauen und dementsprechend handeln.“

 

netzathleten.de hat sich außerdem ausführlich mit Prof. Dr. Schmidt von der EBS Business School unterhalten. In Zusammenarbeit mit Verena Jung hat er eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Entwicklung des BMI in den letzten Jahren und dessen Auswirkungen auf die Ergebnisse beschäftigt. Das komplette Interview gibt es am Montag auf netzathleten.de.

 

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