Die Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland picture alliance; die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft bei der EM 1997

Die Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland

  • Marco Heibel
Im Frauenfußball ist Deutschland ein echter Spätzünder. Während der Sport vor allem in England bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts überaus populär war, wurde der „richtige“ Frauenfußball hierzulande erst in den 1980er Jahren geboren. Dafür nahm er aber eine umso rasantere Entwicklung.

Die Größen des deutschen Männerfußballs haben ihre ganz eigene Meinung zum Frauenfußball. „Fußball ist keine Sportart, die für Frauen geeignet ist, eben schon deshalb, weil er ein Kampfsport ist“, sagte etwa der 1954er Weltmeistertrainer Sepp Herberger. In bester Macho-Manier brachte Gerd Müller, der größte deutsche Torjäger, seine Meinung zum Frauenfußball auf den Punkt: „Frauen sollten lieber kochen statt kicken.“ Und auch der Deutsche Fußball-Bund hielt nur allzu lange an Klischees und Rollenvorstellungen fest. So erhielt jede Spielerin nach dem Gewinn des ersten EM-Titels im Jahr 1989 als Prämie ein Kaffeeservice.

Frauenfußball in Deutschland: Stolpersteine von der ersten Stunde an


Überhaupt hatte es der Frauenfußball in Deutschland schwer. Während das Spiel vor allem in England und Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts überaus beliebt war, sah sich der Frauenfußball in Deutschland von Beginn an heftigem Widerstand ausgesetzt. So gingen deutsche Gynäkologen gegen das Spiel auf die Barrikaden, weil sie eine Vermännlichung des weiblichen Geschlechts befürchteten. Zwar gab es bis zum Zweiten Weltkrieg immer wieder Freundschaftsspiele oder inoffizielle Wettbewerbe, doch an einen Ligabetrieb – geschweige denn an eine Förderung durch den Deutschen Fußball Bund – war nie zu denken.

1955: DFB verbietet den Frauenfußball


Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich auch auf dem Rest des europäischen Kontinents eine Anti-Frauenfußball-Haltung breit. In Deutschland wurde der Tiefpunkt auf dem Verbandstag des Deutschen Fußball Bundes im Jahr 1955 erreicht, als Damenmannschaften das Fußballspielen untersagt wurde. Begründung: Fußball sei „eine Kampfsportart und als solche der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd.“ Ferner verletze das Zuschaustellen des Körpers Schicklichkeit und Anstand.



Der DFB untersagte daraufhin Frauenfußballmannschaften die Nutzung von Fußballplätzen im ganzen Land. Bei Verstößen wurde der Platz auch schon einmal geräumt. Insgesamt führte das Verbot jedoch dazu, dass munter weitergespielt wurde – nur dass die Frauen nun etwas kreativer sein mussten. So traten findige Damenmannschaften einfach unter dem Namen „Alte Herren“ an. Schätzungen zufolge spielten Ende der 1960er Jahre in Deutschland zwischen 40.000 und 60.000 Frauen und Mädchen abseits des Verbandes Fußball.

150 inoffizielle Länderspiele


In dieser Zeit zog der Frauenfußball auch Geschäftemacher an. So war der Name „Nationalmannschaft“ frei verfügbar und konnte theoretisch von jedermann verwendet werden. Am DFB vorbei wurden Verbände gegründet, wie etwa der Westdeutsche Damenfußballverband oder die Deutsche Damen-Fußballvereinigung. Letztere veranstaltete zwischen 1958 und 1965 rund 150 inoffizielle Länderspiele. Teilweise fanden sich bei solchen Spielen mehr als 10.000 Zuschauer in den Stadien ein.

1970: DFB hebt Verbot des Frauenfußballs auf


Vor der Popularität des Frauenfußballs – ob sie nun echt war oder mit einem Augenzwinkern versehen wurde – konnte auch der DFB irgendwann nicht mehr die Augen verschließen. Ende der 1960er Jahre bildeten sich auch in den ersten Vereinen offizielle Frauenmannschaften, 1970 hob der DFB schließlich das Verbot wieder auf. Allerdings gab es Auflagen: So mussten die Frauen eine Spielpause zwischen November und März einlegen, durften keine Stollenschuhe tragen und mussten mit Jugendbällen spielen. Außerdem durfte ein Spiel zunächst nicht länger als 70 Minuten dauern. Und: „Absichtliches Handspiel zur Vermeidung schmerzhafter Begegnungen mit dem Ball“ wurde ausdrücklich erlaubt.

Rasante Entwicklung nach Anlaufschwierigkeiten


Weitere zehn Jahre verstrichen, ehe die ersten Wettbewerbe ausgetragen wurden. Der erste DFB-Pokalsieger im Jahr 1981 hieß SSG Bergisch-Gladbach. Das erste offizielle Länderspiel folgte am 10.11.1982 (5:1 gegen die Schweiz in Koblenz). In diesem Spiel gab auch die heutige Bundestrainerin Silvia Neid (damals 18 Jahre jung) ihr Debüt und steuerte zwei Tore bei.

Zunächst hinkten die deutschen Frauen ihren viel erfahreneren Konkurrentinnen aus dem europäischen Ausland aber hinterher. Erst 1989 qualifizierten sich die DFB-Damen erstmals für eine Europameisterschaft – und gewannen vor heimischer Kulisse prompt den Titel. Das Halbfinalspiel gegen Italien war dabei die erste Partie, die live im deutschen Fernsehen übertragen wurde.

1990/91 feierte die Frauenfußball-Bundesliga Premiere. 1991 konnte die Nationalmannschaft ihren EM-Titel erfolgreich verteidigen. Nach einem kurzen Durchhänger ging es ab Mitte der 1990er Jahre steil bergauf: 1995 folgte der dritte EM-Titel, auch die folgenden vier Turniere (1997, 2001, 2005, 2009) gewannen die deutschen Damen.

Auch auf der Bühne der Weltmeisterschaften gesellte man sich bald zu den Besten. Bei der Premiere 1991 in China wurde die Mannschaft Vierter, 1995 in Schweden bereits Vize-Weltmeister. Nach einem Durchhänger 1999 (Viertelfinale) gelang dann aber 2003 und 2007 mit dem WM-Titel der ganz große Wurf. Fortsetzung folgt…?

Auch auf der Vereinsebene tat sich etwas: Das DFB-Pokalfinale der Damen wird seit Mitte der 1990er Jahre live übertragen, seit 2006 werden Top-Spiele der Frauen-Bundesliga in der ARD-Sportschau in einer Zusammenfassung gezeigt. Der seit 2001 ausgetragene Europapokal (erst UEFA Women’s Cup, jetzt UEFA Women’s Champions League) wird von deutschen Vereinen dominiert. Der 1.FFC Frankfurt, Turbine Potsdam und der FCR Duisburg gewannen zusammen sechs der bislang elf Auflagen dieses Wettbewerbs.

Fettnäpfchen gefällig?


Ein Meilenstein für den Frauenfußball war auch das erste „Tor des Monats“ durch eine Frau. Die Jamaikanerin Beverly Rangers vom Bonner SC traf 1975 nach einem Sololauf und setzte sich bei der Wahl gegen die gesamte männliche Konkurrenz durch. Wenig Fingerspitzengefühl zeigte damals die Redaktion der ARD-Sportschau: Sie unterlegte Rangers‘ Tor mit dem alten Vico Torriani-Schlager „Schön und kaffeebraun sind alle Frauen aus Kingston Town“.

Unfreiwillig komisch ist aus heutiger Sicht auch das anfängliche Verbot der Trikotwerbung im deutschen Damenfußball. Hier die Begründung des DFB aus dem Jahr 1986 im Wortlaut: „Aufgrund der Verzerrungen durch die Anatomie kamen wir zu dem Entschluss, dass durch Werbung im Brustbereich der Trikots keine neuen Einnahmequellen für den Damenfußball liquiiert werden können.“ Mittlerweile ist dieses Verbot längst aufgehoben. Auch die Spielzeit, die Größe des Balles und vieles mehr ist mittlerweile identisch mit den Regeln im Männerfußball.

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