Fußball vereint Nationen - Die UN-Liga in New York City Derk Hoberg
Die WM im Kleinformat

Fußball vereint Nationen - Die UN-Liga in New York City

  • Redaktion
Nachdem Red Bull New York und New York City FC seit ihrer Gründung mehr oder minder erfolglos durch die Major League Soccer rumpeln, überzeugt der Mighty Snails Superstar FC seit Jahren in der UN-Liga und sammelt Titel um Titel. Derk Hoberg über sein erfolgreiches Gastspiel in der Liga des United Nation Staff Recreation Council (UNSRC Soccer Club) in New York.
Octagon Field, Freitagabend, 20:35. Pünktlich wird das Spiel der langjährigen Rivalen Mighty Snails Superstar FC und Team „Secretariat“ angepfiffen und es geht gleich ordentlich zur Sache. Nur wenige Zuschauer haben allerdings den Weg hier nach Roosevelt Island gefunden. Wenn, dann sind es Angehörige der Kicker oder selbst Spieler, deren Partien bereits abgepfiffen sind oder noch bevorstehen. „Der Fußball hat immer noch nicht den Stellenwert in den Staaten, den er verdient.“, hatte Team Captain Helge, aufgrund seiner deutschen Herkunft und seines größer werdenden Bäuchleins, mit dem er sogar mal ein Tor erzielte, von allen nur „Bellybauer“ gerufen, noch in der Seilbahn auf dem Weg auf die Insel im East River angemerkt.

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Mit der Seilbahn geht es zum Kick auf die Insel

Mittels eines dubiosen Hinterzimmer-Deals hatte Bellybauer mich, seinen alten Schulfreund, in das erfolgshungrige und vor Selbstbewusstsein nur so strotzende Team geschleust – ein „Probetraining“ meinerseits vor ein paar Jahren auf einem Fußballplatz an Pier 40 mit exklusivem Blick auf das One World Trade Center hatte wohl genügt, um die übrigen Verantwortlichen der „Mächtigen Schnecken“ zu überzeugen: Heute sollte ich von Beginn an ran.

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Kicken vor cooler Kulisse: Der Fußballplatz am New Yorker Pier 40

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Derk Hoberg und "Bellybauer" - hier im Trikot von Dynamo Goldbroiler

Gut möglich, dass auch der chronische Personalmangel der Snails einen gewissen Einfluss auf meinen Startelf-Einsatz hatte: „Nicht immer ist es leicht, freitags abends genügend Spieler zu finden“, sagt Bellybauer und auch im Vorfeld des anstehenden Spiels sah er sich mit diesem Problem konfrontiert. Zahlreiche Rundmails und Anrufe im knapp 30 Mann starken Kader waren nötig, um ein Team von acht Spielern aufzustellen.

Spieler aus aller Welt bei der "Mini-WM"

Dass Fußball in den USA beliebtere Sportarten vor der Nase hat, bemerkt man auch an den Spielern der UN-Liga, von denen kaum einer aus den USA selbst stammt. Viele dagegen, wie im Falle der Sekretariatsmannschaft, aus Lateinamerika oder aber, wie beim Team UK Mission, aus Europa. Mitarbeiter der UNO, die aus klassischen Fußball-Ländern stammen und in deren Ligen es mindestens genauso international zugeht, wie hier im UNSCR Soccer Club. Auch die Mighty Snails beherbergen Spieler aus mehr als zehn Nationen in ihren Reihen, darunter Kolumbien, Frankreich, Irland, Argentinien und eben auch Deutschland – symbolisch für die Vielfalt New York Citys und sinnbildlich für die Vereinten Nationen, unter deren Dach hier heute gespielt wird.

Dabei sind die Rahmenbedingungen auf dem Platz durchaus durchwachsen. Ein in die Jahre gekommener, um nicht zu sagen gesundheitsgefährdender Kunstrasen auf dem Octagon Field, Temperaturen die mit Frühling so viel am Hut haben wie die deutsche Nationalmannschaft mit der Vergabe des WM-Titels in Russland und ein altersschwaches Flutlicht, das immerhin in der Lage ist, einige Teile des Spielfeldes auszuleuchten. Klar, dass es hier hauptsächlich um Spaß gehen soll.

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Teile des Spielfelds bleiben dunkel

Der wahre Hintergrund des Aufeinandertreffens talentierter Fußballer heute Abend liegt allerdings tiefer. Wie beinahe jede größere Organisation oder Firma ist auch die UNO daran interessiert, dass sich ihre Mitarbeiter wohl fühlen, aktiv leben und gesund bleiben. Daher unterhält man mit dem UNSRC eine ganze Abteilung hier im Hauptquartier in New York, die sich genau darum kümmern soll. Neben sportlichen Aktivitäten von Tischtennis über Eishockey bis hin zu Yoga finden sich um die 60 weitere Angebote, an denen das UN-Kollegium und deren Angehörige teilnehmen können – darunter Ballett, verschiedene Zirkel wie den Autoren Club, die Feng Shui Gruppe oder das hauseigene Symphonie Orchester der Vereinten Nationen.

Ganz so feingeistig geht es hier auf Roosevelt Island heute Abend freilich nicht vonstatten, immerhin steht der Classico der UN-Liga an und damit das Renommee der beiden besten Teams der Liga auf dem Spiel. Halbjährlich wird die Meisterschaft ausgespielt, dazu gibt es einen Pokalwettbewerb und obendrauf – wie könnte es im modernen Fußball heutzutage auch anders sein – eine Champions League.

„German efficiency“ – So wird man Matchwinner bei den Mighty Snails


Das spielerische Niveau, welches beide Mannschaften direkt nach dem Anpfiff an den Tag legen, kann sich dann durchaus sehen lassen. Es ist höher als jenes, das man von herkömmlichen Hobbymannschaften gewöhnt ist und auch der Ehrgeiz beider Teams braucht sich nicht hinter dem der meisten WM-Teilnehmer in Russland zu verstecken. Es hat also durchaus auch sportlichen Wert, wenn man sich hier in die Siegerlisten eintragen kann. Ganze sechsmal ist dies den Mighty Snails in den vergangenen Jahren bereits gelungen. Genauso oft, wie ich einst während des Studiums den Unicup in Heidelberg mit dem legendären Dynamo Goldbroiler hatte in die Höhe recken können. Auch Helge aka Bellybauer war einst für die „Goldgefiederten“ in der Universitätsstadt aufgelaufen und so schließt sich hier und heute auch in dieser Hinsicht ein Kreis auf dem Octagon Field in New York City, sind wir dadurch doch beide mehr oder weniger doppelte Rekordsieger in diesen Wettbewerben.

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Derk Hoberg im Trikot der Snails

Dass ausgerechnet ich an diesem kühlen Abend in New York nach 15 Minuten den Führungstreffer markiere und kurz darauf den Elfmeter zum vorentscheidenden 2:0 raushole und die Snails damit endgültig auf die Siegerstraße einbiegen, sei hier aus Gründen der Bescheidenheit nur kurz erwähnt. „Typisch deutsche Effizenz“ ruft Mittelfeldmotor Tomas (alias „Che“) aus Argentinien mir noch beim Jubeln zu, während Bellybauer von hinten – aufgrund der Personalnot musste er im Tor einspringen – schon wieder um Ordnung bemüht ist und die einzelnen Mannschaftsteile sortiert. Auch typisch deutsch.

Da er seinen Kasten sauber hält, verlieren die feurigen Südamerikaner angesichts der drohenden Niederlage langsam aber sicher die Nerven. In der Folge haben sie es zunehmend auf die Knochen der mächtigen Weichtiere abgesehen und die Tatsache, dass es immer häufiger zur Rudelbildung kommt und die Fouls immer brutaler werden, sorgt letztlich dafür, dass der Schiri das Spiel kurz vor Schluss sogar noch abbrechen muss. „Fair geht vor“ und andere, dem völkervereinenden Grundgedanken der UNO entsprechende Mottos wurden an diesem Abend buchstäblich mit Füßen getreten und das Spiel letztlich mit 3:0 Toren und 3 Punkten für Mighty Snails Superstar FC gewertet.

Gefeiert werden solch emotionale Siege bei den Mighty Snails traditionell in der inseleigenen Sports Bar Riverwalk. Die bietet mit großen Bier Pitchern und frittierten Calamares – aufgrund ihres Geschmacks gehen die Vermutungen einiger Snails-Spieler dahin, dass sie direkt aus den Fluten des East Rivers rund um Roosevelt Island gefischt werden – zwar keine lupenreine Sportlernahrung, dafür aber die perfekte Umgebung zum Wundenlecken und Legendenspinnen. Grund zu ersterem hatte ich für meinen Teil jedenfalls zur Genüge: Eine blaue Ferse und eine ebensolche Hüfte waren Beleg für die harte Spielweise von Team Secretariat. Und was die Legenden angeht: Wer weiß, vielleicht reicht es für die Snails ja auch in diesem Sommer wieder für den kleinen Weltmeister-Titel bei der UNO – am morgigen Freitag wartet das Halbfinale gegen UK Mission auf meine neuen Teamkollegen, denen ich dann aus dem fernen Deutschland die Daumen drücke.

Update vom 15.7.2018: Sie haben es getan!

In einem dramatischen, bis zum Schluss spannenden und fairen Finale setzten sich die Mighty Snails am vergangenen Freitag mit 3:2 gegen Team OCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) durch und krönten sich (und damit auch mich) zum UN Soccer Champion. Bellybauer musste aufgrund eines Muskelfaserrisses pausieren, coachte die Snails aber von der Seitenlinie aus zum Triumph. Tomas alias „Che“ sagte nach dem Spiel: „Ich hasse Real Madrid. Aber wir sind Real Madrid. Nur besser aussehend, sympathischer und mit viel besseren Tanzbewegungen gesegnet“, und wendete sich dann wieder den wohlverdienten East River Calamares zu.

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Siegerfoto mit Pokal: UN Soccer Champion 2018: Mighty Snails Superstar FC

bellybauer derk hoberg
Feiern im Riverwalk gehört nach Sieg und Niederlage dazu

Weitere Infos, Tabellenstände und Spielergebnisse findet Ihr auf der Homepage des UNSRC Soccer Clubs

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Zufriedene Sieger: "Frantzilla" und Kollegen





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