netzathleten: In Kanada, am Denali, musstet Ihr eine Höhle ins Eis graben, weil es tagelang zu kalt und zu windig war. Ihr habt dort sieben Tage verbracht. Eigentlich wart Ihr auf dem Weg nach oben, habt nach der Freiheit auf dem Berg gestrebt. Das ist doch in gewisser Weise auch paradox, schließlich wart Ihr in der Höhle gefangen…
Stephan Keck: Ja, wir haben eine Höhle unter die Schneedecke gegraben und dort drei Kammern gebaut. Am ersten Tag haben wir sie uns zu vierzehnt geteilt. Die anderen haben den Aufstieg dann teilweise abgebrochen, so dass wir am Schluss eine Kammer zu zweit hatten. Mein Partner hat in der Eishöhle schon einen kleinen Koller bekommen, er ist wie in einem Zeichentrickfilm nur mehr auf und ab gelaufen. Ich bin da aber eher so, dass ich mich in den Schlafsack lege und 20 Stunden am Tag schlafe. Ich kann das eine ganze Woche, wie ein Bär im Winterschlaf. Ein großes Problem war, dass wir in den letzten drei Tagen nichts mehr zu essen hatten, aber dieses Pokerspiel ging letztlich auch gut aus. Wasser hatten wir ja genug in Form von Eis.
netzathleten: Wie ist es denn um die Körperhygiene auf dem Berg bestellt? Dort herrschen schließlich eiskalte Temperaturen?
Stephan Keck: Nicht vorhanden. Es gibt sogar Leute, die sich auch im Basislager fünf bis sechs Wochen nicht waschen. Zu denen gehöre ich aber nicht. Am Berg ist es aber sogar schon mühsam, das WC-Geschäft zu erledigen, da ist an Waschen nicht zu denken.
netzathleten: Wenn Ihr Euer Lager aufschlagt, auf Geröll, Eis oder Schnee – ist das bequem? Bei einem so anstrengenden Aufstieg ist die Regeneration doch immens wichtig…
Stephan Keck: Das ganze Höhenbergsteigen ist in dieser Hinsicht problematisch. Ab 5.500 Metern regeneriert der Körper nicht mehr. Man kann essen oder trinken so viel man will, man baut nur noch ab, auch wenn man liegt. Was das Schlafen auf Geröll und Eis angeht, das ist nicht so problematisch wie man denkt. Es gibt sehr gute Isomatten und Schlafsäcke und das Basislager richtet man sich sowieso so komfortabel wie möglich ein. Man hat dort für einen Bergsteiger einen recht großen Lebensraum von etwa vier Quadratmetern. Und ich kann ja immer gut schlafen. Auf dem Everest habe ich beispielsweise auf 8.000 Metern Höhe auf dem Südsattel vier Stunden durchgeschlafen. Schlimmer ist, dass man keinen Hunger und keinen Durst hat und sich zwingen muss, etwas zu sich zu nehmen.
Oder auf der Gipfeletappe, wenn man sich nachts um Elf auf den Weg machen muss. Dann zieht man sich in einem Zelt, das innen voller Eis ist, an und muss dann raus in eine Temperatur von minus 40 Grad. Das kostet wirklich viel Überwindung und Motivation. Wenn also jemand sagt, Höhenbergsteigen ist nur schön und super, dann ist das eine große Lüge.
Das Interview führte Derk Hoberg