Gerhard Blöchl war unser Mann für Vancouver. Mit ihm starteten wir in die heiße Phase der Olympia-Vorbereitung. Doch leider durchkreuzte ein schwerer Sturz seine Olympia-Pläne. Wie verheerend seine Verletzung ist, die er sich bei einem Trainingssturz zugezogen hat, lest Ihr im Interview, das wir nach seiner Rückkehr mit ihm führten.
netzathleten: Gerhard, was ist passiert, warum bist Du nicht in Vancouver am Start?
Gerhard Blöchl: Naja, eigentlich hat die Saison gut angefangen. In Finnland beim ersten Weltcup habe ich gleich die Hälfte der Qualifikationsnorm erfüllt und habe direkt gemerkt, dass ich vorne mitfahren kann. In Calgary, am 8. Januar, dem ersten Weltcup in Übersee, habe ich mich dann leider verletzt. Dort habe ich mir den Gluteus Maximus (Anm. d. Red.: Der Gesäßmuskel) einem der wichtigsten Muskeln für Skifahrer, komplett abgerissen. Ich habe einige Weltcups ausgesetzt und es dann nochmal probiert, kam aber nicht mehr an meine Leistung heran.
netzathleten: Du hast aber noch eine weitere Verletzung davongetragen?
Gerhard Blöchl: Ja, hinzukommt, dass mir ein Band an einem Dornfortsatz der Wirbelsäule gerissen ist. Das ist weiteres großes Handicap und schmerzt auch jetzt noch mehr, als mein Gesäß. Daher musste ich Vancouver frühzeitig abhaken. Diese Verletzung raubt mir auch jetzt noch den Schlaf, ohne Schmerzmittel kann ich nicht schlafen.
netzathleten: Wie kam die Verletzung denn zu Stande? Bist Du gestürzt?
Gerhard Blöchl: Ich war in der Mitte der Strecke zu schnell unterwegs. Es war im Training, deshalb dachte ich noch: Fahr sicherheitshalber lieber raus und brich den Lauf ab. Leider standen links und rechts Trainer und andere Fahrer, die wollte ich nicht über den Haufen fahren. Deshalb habe ich mich für den Weg geradeaus nach unten entschieden. Ich kam dann zwar an der Schanze vorbei, leider stand da aber ein Hügel, durch den ich ins Fliegen kam. Nach 15 bis 20 Metern bin ich in eine Fahne geflogen und in den Buckeln dahinter aufgeschlagen. Ich war 30 Sekunden bewusstlos und wusste gar nicht mehr so recht, wie mir geschieht. Ich habe nur gemerkt, wie sehr meine Rückseite schmerzte. Dabei hatte ich wohl Glück im Unglück: Alle die den Sturz gesehen haben meinten hinterher, ich könne froh sein überhaupt noch unter den Lebenden zu weilen.
netzathleten: Ich habe ein Foto Deines Rückens gesehen, das sah gelinde gesagt schaurig aus. Aber Du sagst, Du bist danach nochmal im Weltcup gestartet. Wie geht denn das?
Gerhard Blöchl: Der Riss des Muskels wurde erst in München von meinem Mannschaftsarzt in der Kernspintomographie erkannt. Und ich wollte unbedingt in Vancouver dabei sein, da habe ich eben alles versucht.
netzathleten: Wie geht es jetzt weiter? Rehabilitation?
Gerhard Blöchl: Das kann jetzt ein paar Monate dauern, bis die Verletzungen wieder verheilt sind. Da der komplette Muskel gerissen ist, dauert es ein Weilchen, bis er wieder zu einhundert Prozent belastbar ist. Ein weiteres Problem ist, dass der Muskel sehr großflächig am Knochen ansetzt. Da haben die Ärzte lange überlegt, was zu tun ist. Das ist sehr schlecht zu operieren, weil der Muskel keinen sehnigen Ansatz hat, wie zum Beispiel bei der Achillessehne und der Wadenmuskulatur. Hier kann man die Sehne herholen und wieder zusammennähen, bei diesem Muskel ist das aber ganz schwierig. Daher werde ich viel Zeit mit Physiotherapie verbringen.
netzathleten: Was schmerzt mehr, das Hinterteil oder die verpasste Olympiateilnahme?
Gerhard Blöchl: Beides gleichermaßen, auf jeden Fall. 2006 war ich ja schon mal in Turin dabei, das Gefühl kenne ich also schon. Dieses Mal wollte ich vorne mitfahren und wollte mal nach den Sternen greifen.
netzathleten: Bleibst Du deinem Sport dennoch erhalten?
Gerhard Blöchl: Eigentlich wollte ich ja erst die Winterspiele bestreiten und mich dann in Ruhe entscheiden, wie es weitergeht. Jetzt muss ich erst einmal abwarten, wie gut die Verletzung ausheilt, wie belastbar ich dann wieder bin. Dann werde ich sehen wie es weitergeht. Letztendlich denke ich aber, dass ich nun noch eine Rechnung mit den Buckeln offen habe.
netzathleten: Jetzt haben wir keinen deutschen Starter in der Buckelpiste von Vancouver. Wie wichtig wäre dies für den Sport gewesen?
Gerhard Blöchl: Natürlich sehr wichtig. Eine Olympiateilnahme in einer Sportart, die sonst nicht so sehr im Rampenlicht steht, kann einer Disziplin nur gut tun. In der Buckelpiste arbeiten wir eigentlich hauptsächlich in den Olympischen Zyklen, also auf die Spiele hin.
netzathleten: Gibt es dann auch weniger finanzielle Zuwendungen vom Deutschen Skiverband?
Gerhard Blöchl: Das kann man so nicht sagen. Wir haben da ein tolles Solidarsystem im Verband. Es kommt ja immer mal vor, dass manche Disziplinen Probleme haben und andere vorne mitfahren. Dennoch werden alle unterstützt. Aber natürlich bekommt man mehr, wenn man erfolgreich ist.
netzathleten: Letzte Frage Gerhard. Schaust Du Dir jetzt trotzdem die Entscheidungen im Fernsehen an?
Gerhard Blöchl: Ja klar, wir sind ja alle wie eine kleine Familie, jeder kennt jeden. Das interessiert mich auf jeden Fall, wie die anderen abschneiden. In vielen Disziplinen stehen enge Entscheidungen an, uns erwarten spannende Spiele. Da will ich natürlich nichts verpassen. Auch in meiner Disziplin ist die Spitze eng beieinander, da bin ich natürlich besonders gespannt, wer die Medaillen holt.
netzathleten: Dann wünschen wir Dir viel Spaß bei den Spielen und natürlich eine baldige und vollständige Genesung!
Das Interview führte Derk Hoberg
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