Der 20-Minutentest - Training mit dem Wattmesser Jörg Birkel

Der 20-Minutentest - Training mit dem Wattmesser

  • Jörg Birkel
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das gilt zumindest, wenn man bei Radfahren das Maximum aus seinem Training herausholen möchte. Ein Wattmesser am Rennrad kann eine wertvolle Trainingshilfe sein, um die eigene Radleistung entscheidend zu steigern.

Ein Wattmesser allein macht natürlich noch keinen bessern Radfahrer aus Dir, genauso wie ein teures Karbonrad nicht von selber fährt. Die Leistung musst Du immer noch selber erbringen. Mit einem Wattmesser am Rad kannst Du aber die Leistung genau messen, die Du auf die Straße bringst. Und zwar sekundengenau.

Wer mehr aus seinem Training herausholen möchte, braucht objektive Instrumente, um die tatsächliche Belastung zu messen. Jahrelang war die Pulskontrolle die einzige Möglichkeit für Hobbysportler, um das eigene Training zu steuern. Genauere Methoden waren lange Profis vorbehalten. Doch mittlerweile gibt es exakte Wattmessgeräte für Rennräder, die auch für kleinere Geldbeutel erschwinglich sind. Allerdings sollte man dann auch wissen, wie man mit einem Wattmesser sein Training gestaltet. Ansonsten bleibt das Messinstrument ein teures Spielzeug.

Das Buch Wattmessung im Radsport und Triathlon von Hunter Allen und Dr. Andrew Coggan verrät Dir alles, was du zum Thema wissen musst. Ein wesentlicher Punkt, ist die Diagnostikmöglichkeit, die Dir die Wattmessung bringt. Erst wenn du Dein aktuelles Leistungsvermögen kennst und einschätzen kannst, bist Du in der Lage, Dein Training so zu gestalten, dass Du den maximalen Nutzen daraus ziehst.

Hunter und Coggan stellen in ihrem Buch hierfür den 20-Minutentest vor. Damit lässt sich die eigene Funktionsleistungsschwelle ermitteln und daraus kannst Du dann Deine eigenen Trainingsbereiche ableiten. Die Funktionsleistungsschwelle ist als der Bereich definiert, in dem Du Deine maximale Leistung auf dem Rad über eine Stunde halten kannst. Von dieser Schwellenleistung ausgehend, lassen sich Trainingsbereiche ableiten.

Deine Funktionelle Schwelle kannst Du mit einem einfachen Praxistest ermitteln. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Du einen Wattmesser am Rad montiert hast. Für das Testprotokoll musst Du Dir eine Strecke suchen, auf der Du mindestens 20 Minuten lang ohne Unterbrechung fahren kannst. Für Einsteiger ist es empfehlenswert, wenn die Strecke eine leichte Steigung von 1-2 Prozent aufweist.

Aufwärmen

Für die Vergleichbarkeit der ermittelten Daten ist es wichtig, dass Du Dich exakt an das Testprotokoll hältst. Fahr Dich zu Beginn des Trainings 20 Minuten locker warm. Danach folgen 3 Minutenintervalle, in denen Du mix einer hohen Trittfrequenz von 100U/min kurbeln solltest. Anschließend fährst Du 5 Minuten locker weiter.

Hauptteil

Jetzt beginnt der Hauptteil des Tests: Gib 5 Minuten lang alles! Wähle die Leistung aber so, dass Du in der letzten Minute des Intervalls noch etwas zulegen kannst und nicht an Leistung verlierst. Das Intervall dient dafür, die Beine für die anstehende Belastung zu öffnen. Im Anschluss fährst Du locker 10 Minuten weiter und erholst Dich für den eigentlichen Test.

Nun heißt es, 20 Minuten lang die Zähne zusammenzubeißen. Ziel ist es die maximale Durchschnittsleistung zu ermitteln, die Du zu bringen im Stande bist. In den ersten 5 Minuten solltest Du gefühlt unter Deinen Möglichkeiten bleiben. Dann steigerst Du das Tempo an die Schmerzgrenze und in den letzten 5 Minuten heißt es „All out“.

Abkühlen

Fahr Dich zum Schluss noch 10-15 Minuten locker aus, um den Laktatabbau und die Regeneration zu beschleunigen. Den ganzen Test solltest Du mit dem Wattmesser aufzeichnen. Deinen Radcomputer solltest Du aber abkleben, weil Du sonst mental beeinflussbar bist, wenn Du die Leistungswerte siehst. Verlasse Dich auf Dein Gefühl. lediglich die Trittfrequenz kannst Du Dir einblenden, um diese bei 80U/min oder darüber zu halten.

Auswertung

Was kann man nun mit diesen Werten anfangen? Entscheidend für die Ermittlung Deiner Trainingsbereiche ist das intensive 20-Minutenintervall. Ermittle nun die Durchschnittswattleistung für diese 20 Minuten. Davon ziehst Du 5 Prozent ab, da die Funktionsleistungsschwelle (FTP) über einen Zeitraum von 60 Minuten definiert ist. Studien haben gezeigt, dass man so eine realistische Grundlage erhält.

Diesen Praxistest kannst und solltest Du mehrmals im Jahr wiederholen, um Deinen Trainingsfortschritt zu dokumentieren. Ein Ziel Deines Trainings sollte es nämlich sein, die FTP zu erhöhen. Deine Trainingsbereiche kannst Du entsprechend der nachstehenden Tabelle ableiten:

Wattgesteuerte Trainingsbereiche:

Rekom: <55% der FTP
Ausdauer: 56-75% der FTP
Tempo: 76-90% der FTP
Laktatschwelle: 91-105% der FTP
VO2max: 106-120% der FTP
Anaerobe Kapazität: 121-150% der FTP

Rechenbeispiel für den Grundlagenbereich:

Nehmen wir mal an, Deine Durchschnittswattleistung über 20 Minuten lag bei 250 Watt. Dann ziehst Du 5 Prozent davon ab und hast so Deine FTP bestimmt:

250 Watt x 0,05 = 12,5 Watt

250 Watt – 12,5 Watt = 237,5 Watt

In unserer Beispielrechnung läge Deine Funktionsleistungschwelle also bei rund 240 Watt.

Deine Grundlagenausdauer verbesserst Du dann am besten, wenn Du in einem Trainingsbereich von 135 bis 180 Watt fährst (56-75 Prozent).

Um den gewünschten Trainingseffekt zu erzielen, solltest Du also bestrebt sein, Deine Leistung bei Ausfahrten in diesem Bereich zu halten. Auf flacher Strecke ist das sicherlich kein Problem, auf profilierten hingegen schon. Je nach Trainingsvorgabe ist es bergab relativ schwierig, die entsprechenden Wattwerte zu erzielen. Bergan kann es ebenfalls schnell passieren, dass Du die Werte nicht einhalten kannst.

Handelt es sich dabei um kurze Streckenabschnitte, stellt das sicherlich kein Problem dar und gefährdet deinen Trainingserfolg kaum. Am Ende kommt es auf die durchschnittliche Leistung an. Fährst Du aber bei Deinen Grundlagenausfahrt bereits zu steile Passagen oder gibst zu viel Druck gegen den Wind, verfehlst Du Dein Trainingsziel.

Ein Wattmesser wird also zum Taktgeber, der Dir ein sekundengenaues Feedback über Deine erbrachte Leistung geben kann.

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