Die Orlando Magic sind seit ihrer Gründung eine der beliebtesten Franchises der NBA. In der abgelaufenen Saison 2008/09 feierten die Magischen ihr 20-jähriges Bestehen. Ein Grund genauer auf die Entwicklung der Franchise zu blicken. Im ersten Teil stehen die Anfänge des Teams bis zur Zeit mit Shaquille O’Neal im Mittelpunkt.
Der Weg in die NBA
Die NBA, Ende der 80er Jahre: Die Liga ist am Expandieren! Absolute Superstars wie Michael Jordan, Larry Bird oder Magic Johnson repräsentieren die stärkste Basketballliga der Welt auch außerhalb der USA. Das Interesse der Zuschauer wächst, weitere Märkte müssen erobert werden. Daher hat NBA-Commissionar David Stern neue Teams im Visier. Insgesamt drei neue Franchises soll es mit der Saison 1989/90 geben, darunter eines aus Florida (neben den Charlotte Hornets und den Minnesota Timberwolves). Auf dem Schreibtisch des Ligabosses liegen aber gleich zwei interessante Projekte: Eines aus Miami und eines aus Orlando.
Die jeweiligen Besitzergruppen bringen viele gute Argumente, und ihr Vorhaben ist sinnig und in sich stimmig. Warum also nicht beiden eine Chance geben? Zumal es in Orlando zum damaligen Zeitpunkt keinen nennenswerten professionellen Sport gibt. Stern gibt sein OK, der Bundestaat Florida bekommt zwei NBA-Teams. Als Plattform der Namensfindung dient die Lokalzeitung, der Orlando Sentinel. Per Zeitungsannounce werden Fans animiert, Vorschläge einzureichen. Neben ortstypischen Begleitnamen wie Orlando Tropical, Orlando Heat oder Orlando Juice, findet sich auch der Vorschlag Orlando Magic unter den knapp 4.300 Einschriften wieder. Magic! Das passt. Eine neue Franchise ist geboren.
Der erste Schritt
Als ersten Head Coach holt sich General Manager und der ehemalige Baseball-Spieler Pat Williams Matt Goukas ins Team. Dieser gewann 1967 als Spieler mit den Philadelphia 76ers die Meisterschaft. Gemeinsam wählen sie im Expansion-Draft zwölf Spieler aus, die sie für gut genug halten, die Magic zu repräsentieren. Darunter sind bekannte Namen wie Scott Skiles, Reggie Theus oder Sam Vincent. Allesamt solide Rollenspieler, die aber entweder ihre Zeit hinter sich haben (Theus) oder bei anderen Teams nicht zum Zuge gekommen sind (Skiles, Theus, Terry Catledge). Im Rookie-Draft vertrauen die Macher auf Nick Anderson. Der bullige Guard soll ein paar Jahre später ein wichtiger Baustein für die erste erfolgreiche Zeit sein, findet sich aber zunächst nur als Bankspieler wieder. Die Saison beginnt, die Euphorie ist groß und Orlando schlägt sich wacker.
Den ersten Heimsieg gibt es am 6. November gegen die New York Knicks (118:110), nachdem die Magic den Auftakt nach einem hart umkämpften Match knapp gegen die New Jersey Nets mit 106:111 verlieren. Trotz einiger guter Ansätze gewinnen die Magic aber nur 18 ihrer 82 Saisonspiele. Wenigstens die Zuschauer können sich Schritt für Schritt mit ihrem neuen Liebling identifizieren: Eine Saison später sind 40 der 41 Heimspiele restlos ausverkauft. Dazu haben die Magic Erfolg – selbst nach den Abgängen von Reggie Theus, immerhin zweitbester Scorer des Teams, und Sidney Green (bester Rebounder). Mit Dennis Scott, dem vierten Pick des Drafts 1990, rückt nämlich eine exzellenter Rookie in den Kader. „3D“ stellt mit seinen 125 getroffenen Drei-Punkte-Würfe gleich einen Rookie-Rekord auf. Dazu verbessert sich Point Guard Scott Skiles enorm. Nicht nur wegen seiner 30 Assists in einem Spiel gegen die Denver Nuggets am 30. Dezember 1990 (noch heute NBA-Rekord) wird Skiles zum „Most Improved Player“ gewählt. Die Magic gewinnen 31 Begegnungen und flirten zeitweise sogar mit den Playoffs. Vor der Saison 1991/92 gibt es im Herzen Floridas erstmals Rhythmusstörungen. Die Magic-Franchise wird für 85 Millionen an die DeVos-Familie mit Richard DeVos an der Spitze, einem mehrfachen Millionär und Mitbegründer der Marketingfirma Amway, verkauft. Zunächst scheint es, als ob DeVos einen schlechten Deal gemacht hätte: Verletzungen überschatten das Team in seiner dritten Spielzeit. Von Magie wird nicht mehr gesprochen, nur noch von bösem Voodoo. Dennis Scott absolviert nur 18 Partien, Nick Anderson verpasst 22 Spiele. Nur Catledge, Skiles, Jeff Turner und Greg Kite können in mehr als 70 Partien auflaufen. Trotz des sportlichen Niedergangs (21 Siege) und dem offensichtlichen Qualitätsverlust ist die Heimspielstätte der Magic, die O-Rena, in jeder Partie ausverkauft.
Mit dem 17. Mai 1992 – dem Tag, als die Magic die Draft-Lottery gewinnen – hat die Franchise die Chance, den einst erfolgreichen Weg fortzuführen und die Zuschauer für ihre Geduld zu danken. Mit der Ankunft des ersten Draft-Picks, Shaquille O’Neal, ändert sich die Ausrichtung des Teams um 180 Grad.
Die Magie ist zurück! Ist Orlando in der Vorsaison noch ein Team, das offensiv nicht sehr effizient punktet und sehr viele Ballverluste und gegnerische Zähler kassiert (108,5 PpG), folgt mit dem dominanten Center ein Umdenken. O’Neals Dominanz am College, gepaart mit seiner Kombination aus Masse, Kraft und Schnelligkeit, ist von nun an die erste Option des Teams. Sieben Neuzugänge stehen ebenso vielen Abgängen gegenüber. Mit Sam Vincent, Jerry Reynolds und Otis Smith müssen langjährige Magic-Spieler gehen, mit Nick Anderson, Jeff Turner und Scott Skiles stehen nur noch drei Akteure aus dem ursprünglichen Magic-Team im Kader.
O’Neals Einfluss auf das Spiel ist von Anfang an enorm. Er entfacht eine neue Hysterie, wird nicht nur zum Rookie des Jahres gewählt, sondern verbessert die Bilanz der Franchise um 20 Siege. Zudem steigert sich das Team in der Offensive und erzielt durchschnittlich 108,5 Punkte pro 100 Ballbesitze (Platz 13, in der Vorsaison noch Rang 25). Erstmals weisen die Magic eine ausgeglichen Bilanz vor. Shaqs Zahlen sind derweil überragend: durchschnittlich 23,4 Punkte, 13,9 Rebounds, 3,5 Blocks und eine Trefferquote von 56,2 Prozent aus dem Feld. Trotzdem reicht es nicht für die Playoffs. Da die Magic den direkten Vergleich gegen die Indiana Pacers verlieren, ist ihre Saison nach der regulären Spielzeit beendet. Jedoch ist dies kein Grund traurig zu sein, immerhin ist eine Verbesserung deutlich erkennbar.
Einen wesentlich größeren Grund zum Jubeln hat die Franchise im anschließenden Draft 1993. Mit der niedrigsten Chance auf den ersten Pick dürfen die Magic tatsächlich erneut an erster Stelle wählen. Keine Franchise seit Einführung der Draft-Lotty hatte und hat bisher so viel Glück gehabt wie die Orlando Magic. Die Magie war endgültig zurück! Was in der Draft-Nacht folgt, darf als einer der cleversten Schachzüge des Managements betrachtet werden: Chris Webber gilt im Vorfeld des Drafts 1993 als sicherer Nummer-eins-Pick, doch die Magic stellen sich Frage wie „Passt einer wie Webber zu Shaquille O’Neal? Viel interessanter waren doch die Auftritte von Anfernee Hardaway. Scott Skiles als bisheriger Point Guard ist auch schon 28 Jahre alt und steht nicht mehr für den Weg, den wir gehen wollen. Warum also nicht Anfernee Hardaway draften?“ Die Magic vereinbaren einen Trade mit den Golden State Warriors, Orlando draftet Webber, die Warriors Hardaway, um anschließend die beiden zu tauschen. Zusätzlich erhalten die Magic drei (!) weitere zukünftige Erstrunden-Picks der Warriors.
Mit Hardaway auf der Eins und einem neuen Head Coach (Brian Hill, der Goukas ersetzt) wird eine äußerst erfolgreiche Zeit eingeläutet. Die Begeisterung in Orlando ist weiterhin ungebrochen und mit dem jungen Nukleus aus Shaq, Hardaway, Anderson und Scott erstrahlt die Zukunft in positivem Licht. Scott Skiles akzeptiert die Rolle als Bankspieler. Das Verletzungspech kehrt den Magic den Rücken zu, die großen Vier laufen in 81 der 82 Saisonspiele gemeinsam auf. Erstmals erreichen die Magic die Playoffs und entwickeln sich schnell zu einem dominanten Team im Osten. 50 Siege stehen am Ende auf ihrem Konto – das reicht für den vierten Platz. In den Playoffs macht sich dagegen die mangelnde Erfahrung bemerkbar: Mit 0-3 werden die Magic von den erfahrenen Indiana Pacers aus der Endrunde gefegt. Die Enttäuschung ist zu groß, als dass man sich über den rasanten Aufstieg freuen könnte.
Außerdem überschattet der Skiles-O’Neal-Konflikt das Team: Während eines sehr intensiven Trainings – der Coaching-Stab lässt vollen Körperkontakt ohne Fouls zu – muss Larry Krystkowiak Shaquille O’Neal verteidigen. Beide behaken sich, beide geben nicht klein bei, als Skiles – im Team von Krystkowiak – die Kontrahenten zu einem Kampf auffordert. Gesagt, getan! Die zwei Center tauschen Fäuste aus, ehe Skiles den Streit unterbricht. Der Point Guard und Kapitän des Teams springt auf O’Neals Schultern und will ihn von seinem Freund loseisen. Shaq dagegen sieht nur noch rot und versucht, den gut 30 cm kleineren Point Guard loszuwerden. Rückwirkend erzählt Krystkowiak, dass „Skiles mich wohl nur beschützen wollte. Allerdings wäre ich nicht überrascht, wenn unser damaliger Coaching-Stab die ganze Situation mit Skiles abgesprochen hätte. Sie wollten zeigen, dass das junge Team damals noch lange nicht so weit war.“
Die Macher bauen folglich ihr Team weiter um. Skiles verlässt das Team, dagegen wird mit Horace Grant endlich ein echter Power Forward geholt. Die Verpflichtung Grants erweist sich schnell als Glücksgriff, denn der damals 29-Jährige gibt dem jungen Team nicht nur die nötige Erfahrung, sondern auch eine weitere Macht unter dem Korb und eine gute Ergänzung zu Shaquille O’Neal. Zumal wird Grants Ex-Team, den Chicago Bulls, später ein Spielertyp seiner Sorte fehlen. Schnell wird klar, dass Grant das entscheidenden Puzzleteil Richtung NBA-Titel sein kann. Die Magic beenden die reguläre Saison mit 57 Siegen und stellen die beste Offensive der Liga. Shaq kratzt an der 30-Punkte-Marke (29,3 PpG) und auch in den Playoffs ist der Erfolg endlich da. Mit einem „Sweep“ gegen die Boston Celtics gelingt nicht nur der Einzug in die zweite Runde, sondern es beginnt sodann auch eine der aufregendsten Serien der NBA-Neuzeit: Im Halbfinale der Eastern Conference treffen die Magic auf die Chicago Bulls und Rückkehrer Michael Jordan. Es ist eine Serie, die der NBA hervorragende Einschaltquoten bringt. Auf der einen Seite die junge Mannschaft mit einem Center, den es so noch nie zuvor gegeben hat, auf der anderen Seite der Meister von einst, in seinen Reihen der beste Spieler aller Zeiten. Die Magic spielen clever, leisten sich nur wenige Fehler und dominieren das Brett, vor allem auch dank Horace Grant. Die Bulls können dem nichts entgegensetzen und scheiden in einer spannenden Serie mit 2-4 aus.
Im Conference-Finale kommt es dann zum letztjährigen Erstrunden-Duell gegen die Indiana Pacers. Wieder agieren die Magic gereifter und erreichen verdient die NBA-Finals. Nur die Milwaukee Bucks haben nach ihrer Gründung schneller einen Finaleinzug feiern können, als sie 1970/71 drei Jahre nach der Aufnahme in die NBA sogar den Titel gewinnen konnten. Im Endspiel geht es für die Magic gegen den amtierenden Champion, die Houston Rockets. Diese sind mit einem dominanten Center (Hakeem Olajuwon) ähnlich aufgestellt wie die Magic, jedoch ist „The Dream“ wesentlich athletischer und flinker auf den Beinen als sein Pendant. Bereits im ersten Spiel zeigt sich, warum Houston bereits das Jahr zuvor den Titel feiern konnte. Neben Olajuwon als Alphatier sind es vor allem die jeweiligen Rollenspieler, die entscheidenden Anteil am Sweep der Rockets haben. Während Nick Anderson im ersten Spiel vier Freiwürfe in Folge daneben setzt, trumpfen auf der Gegenseite Kenny Smith (sieben Dreier in Spiel eins), Robert Horry (sieben Steals in Spiel zwei) oder Sam Cassell (31 Punkte von der Bank in Spiel zwei) auf. Bei den Magic reicht ein O’Neal nicht aus.
Der Traum von der Meisterschaft ist geplatzt. Ein Jahr später stehen die Magic im Schatten der Chicago Bulls. Diese haben aus ihrem Ausscheiden ein Jahr zuvor gelernt und holen sich mit Dennis Rodman das Gegenstück zu Horace Grant. Mit Rodman und einem fitten Michael Jordan überrennen die Bulls mit 72 Saisonsiegen die Liga. Orlando wird trotz ihrer beeindruckenden 60 Erfolge kaum wahrgenommen. Im Finale der Eastern Conference kommt es zum Showdown, welcher keiner ist. Die Bulls lassen ihrem einstigen Angstgegner keine Chance, gewinnen locker mit 4-0 und werden wenig später NBA-Champion.