Seit Jahren kämpft Nationaltrainer Dirk Bauermann um ein deutsches Gesicht in der Basketball Bundesliga. Seine Bemühungen gipfelten Mitte März in der der sogenannten Brandrede von Bamberg. Dabei liegen die Ursachen viel weiter zurück als zunächst angenommen.
Freitag, der 13. März 2009 war kein Unglückstag für den deutschen Basketball. Auch wenn die Worte von Bundestrainer Dirk Bauermann bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des Bamberger Sponsorentages nicht gerade treffend waren. Sie waren unglücklich gewählt, jedoch impulsiv genug, um damit exakt das zu bewirken, was seine Absicht war: den Fokus wieder auf den deutschen Basketball zu lenken, die Nachwuchsförderung in den Mittelpunkt zu stellen und die Regelungen der Bundesliga zu kritisieren. Wer aber die Entrüstung des Bundestrainers (mehr dazu weiter unten) als Novum betrachtet, muss enttäuscht werden. Die Bemühungen Bauermanns sind seit Jahren von einem zähen Ringen um mehr Ansehen des Basketballsports in Deutschland geprägt.
Rückblick: Die BBL-Saison 2004/05 markierte einen Umbruch. Nach der sieben Jahre andauernden Herrschaft Alba Berlins, die 2003 endete, wandelte sich allmählich das Gesicht der Liga. Eine handvoll Teams flirtete mit der Meisterschaft, da u.a. die Ausländerregelungen für den Spielermarkt weiter gelockert wurden.
Amerikaner-Flut, Bosman-Urteil, Cotonou-Abkommen
Nachdem bereits mit dem Bosman-Urteil im Dezember 1995 eine nahezu unbegrenzte Zahl an Ausländern in den Teams für eine Flut von leistungsstärkeren, jedoch auch preisgünstigeren Legionären sorgte, wurden weitere Steine in den Weg einheimischer Talente gelegt: Das sogenannte Cotonou-Abkommen erlaubte es den Teams ab der Spielzeit 2004/05, uneingeschränkt Spieler aus jenen Staaten einzusetzen, die mit der Europäischen Union (EU) ein Assoziierungsabkommen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit haben. Die Tore für Spieler aus 77 afrikanischen bzw. karibischen Staaten wie z.B. Kamerum, Belize, Kiribati, Angola oder Jamaica waren geöffnet.
Deutschen Hoffnungsträgern wurde so entweder der Zugang in einen Profikader deutlich erschwert oder aber die Einsatzzeiten waren so gering, dass selbst Balljungen während eines Spiels mehr Zeit mit Wischen des Parketts verbrachten als die Akteure aus deutschen Landen Einsatzminuten sahen. Die einzige Beschränkung seitens der Liga war die sogenannte "17-plus-eins"-Regelung. Die sah vor, dass die Mannschaftsstärke auf 18 Spieler pro Saison beschränkt sein musste, darunter hatte lediglich ein Deutscher zu sein.
Neben der Öffnung des Spielermarktes gab es aber bereits zur damaligen Zeit Überlegungen, mit Quoten die Zusammensetzung einer Profimannschaft zu regulieren – zumal es parallel dazu auch immer wieder Befürchtungen seitens einiger Funktionäre, Manager bzw. Trainer gab (Bereits 1988, als der Deutsche Basketball Bund (DBB) die Ausländerbestimmungen von einem auf zwei ausländische Spieler ermöglichte (drei durften insgesamt in einer Saison verpflichtet werden), sprach der damalige Bundestrainer Svetislav Pesic von "Schwachsinn", weil damit die Entwicklung einheimischer Talente vernachlässigt würde.).
Dass das Ansehen der Sportart davon beeinflusst wird, war klar, über die Auswirkungen war man sich jedoch nicht vollends bewusst. Wortkreationen wie z.B. "Feigenblatt-Deutsche" (Wolfgang Wiedlich, Präsident der Telekom Baskets Bonn) machten die Runde, da die Finanzierung deutscher Spieler nur unnötige Kosten verursachen würde, sodass es unter dem Strich Konsens darüber gab, dass nicht die Nachwuchsarbeit das Problem sei, "sondern die Hochbegabtenförderung" (Wiedlich).
Das mag richtig erscheinen. Seit der Saison 1996/97 löste sich die BBL GmbH vom DBB ab und zeichnete allein verantwortlich für das Ligageschehen. Dennoch behielten beide Basketball-Organisationen weiterhin die Nachwuchsförderung im Auge. Nach und nach wurden Förderprogramme ins Leben gerufen, die mehr junge Leute an das orangefarbene Leder führen sollten. Die bis 2007 in Nord- und Süd-Staffel unterteilte zweite Basketball Bundesliga wich der ProA und ProB, in der das Hauptaugenmerk auf dem Entwicklungsprozess und dem Erfahrungsschatz angehender einheimischer Profis liegen soll. In der NBBL kämpfen seit 2006/07 jährlich 32 U19-Teams um die Meisterschaft. Ab 2009/10 verbessert sich mit der JBBL (Jugend Basketball Bundesliga) und der WNBBL (Weibliche Nachwuchs Basketball Bundesliga) die landesweite Ausbildung von Kadetten. Außerdem führen diverse Erst- und Zweitligisten Workshops und Programme an Schulen durch, um regionale Talente zu sichten und frühzeitig für die Sportart begeistern zu können.
Es zeigt sich also, dass der Eisberg groß ist, die sichtbare Spitze – in diesem Fall also die Akteure, die im Profitum Annehmbares zu leisten im Stande sind – kaum zu sehen ist. Die 2004 von Wiedlich in die Diskussion eingebrachte Problematik der Hochbegabtenförderung ist nach wie vor knifflig. Und genau hier ist auch der Karren festgefahren.
Zwei Jahre später, im August 2006 – die deutsche Nationalmannschaft gewann 2005 Silber in Belgrad, jedoch häuften sich Kritikerstimmen, dass es an elitärem Spielermaterial fehle, sobald der Kern der Auswahlmannschaft aufhört –, äußerte sich Dirk Bauermann in einem Interview während der Weltmeisterschaft in Japan zum Thema Nachwuchsarbeit. Bauermann beklagte bereits damals, dass schon früher "manches versäumt worden [ist], aber wichtig ist jetzt, dass der Profisport, also die erste und zweite Liga, und der Verband endlich zu gemeinsamen Konzepten finden. Tatsache ist, dass diese so genannte Goldene Generation bald abtreten wird. 2008 oder 2010 ist Schluss, dann wird ein Neuaufbau notwendig."
Zugleich bedauerte der Bundestrainer die geringfügige Förderung einheimischer Talente: "Die Spitzenförderung beginnt ja erst bei den 16-Jährigen. Das muss man nach vorne bringen, man muss sie im Alter von acht bis zehn Jahren begeistern", eröffnete er damals Parallelen zu anderen Sportarten wie beispielsweise Fußball. Dort gibt es Internate, in denen sportbegeisterten Jugendlichen die notwendigen Maßnahmen zuteil werden, sodass der Schritt zum möglichen Profitum ermöglicht wird. "Das fehlt bei uns im Basketball, da ist vieles zufällig und beliebig. Es gibt traditionelle Standorte, die das seit Jahren machen, und es gibt Bundesliga-Standorte, die das tun – aber eben nicht alle und auch nicht alle Zweitligisten. Dabei wären das 50 Standorte, und wenn man jeden zu einem Förderprogramm verpflichten würde – dann müsste das doch Auswirkungen haben." Die beanstandeten Maßnahmen wurden seither Stück für Stück umgesetzt. Es wird aber noch einige Jahre andauern, bis die ersten Erfolge sichtbar sein werden.
Außerdem kritisierte Bauermann schon damals die bescheidene Quotierung der BBL, da in der Saison 2005/06 nur ein deutscher Akteur auf dem Spielberichtsbogen hat stehen müssen. "Sie (die Quote) ist trotzdem wichtig, denn die Liga hatte sich ja entschlossen, den Markt komplett zu öffnen. Aber man muss überlegen, ob man etwa bis 2012 auf sechs Deutsche kommt", äußerte der National-Coach seine Wünsche. "Es ist wichtig, dass die Einsicht wächst, dass es nur mit Ausländern nicht geht." Über konstituierte Maßnahmen wie einheitliche Lizensierungsbestimmungen für die Klubs sei eine Regulierung und Ausgewogenheit möglich – unabhängig von athletischeren Spielern aus Übersee, die nur für kurze Zeit in den Kaderlisten der Teams auftauchen.
Gut ein Jahr später, im Juni 2007, schlug Bauermann erneut mit der Hand auf den Tisch. Wieder ging es um die gezielte Nachwuchsförderung. "Wenn wir im Wettbewerb mit den anderen Mannschaftssportarten bestehen wollen, muss die Liga ein deutsches Gesicht bekommen", forderte er damals im Focus. "Es gibt genügend deutsche Spieler, die es auch schaffen könnten – wenn man sie denn spielen lassen würde." Eindeutige Worte, die einerseits dem Ansehen der Basketball Bundesliga sicherlich keinen Abbruch tun, aber auch schwer zu realisierende Maßgaben, da Profiteams eben am Profit interessiert sind. Solange es zahlende Zuschauer in die Hallen zieht – die absoluten Besucherzahlen steigen seit Jahren kontinuierlich an –, rechnet sich das auch bei Teams, die hauptsächlich mit Ausländern für Furore sorgen.
In einer Untersuchung der Universität Bielefeld wuchs der Anteil ausländischer Profis in den letzten 15 Jahren in der BBL stark an. 1994/95 waren lediglich 17,1 Prozent der BBL-Profis Ausländer, in der Saison 2000/01 schon 39 Prozent. In der Spielzeit 2008/09 besitzt nahezu die Hälfte des gesamten Spielermaterials in der höchsten deutschen Liga keinen deutschen Pass.
Neben den transferpolitischen Möglichkeiten, die sich für die Klubs in der Vergangenheit auftaten, tut sich somit auch eine einfache Rechnung auf: Günstige und "fertige" Spieler aus dem Ausland bringen Erfolg, einheimische (und aufsteigende) "Helden" kosten hingegen nicht nur Zeit in der Entwicklung, sondern auch mehr Geld in der Förderung. Bezüglich der Bilanz ist es also logisch, dass Teams den Weg des geringeren Widerstands gehen. Mehr Gewinn bei geringeren Kosten gewährleistet das wirtschaftliche Überleben in der Sportwelt. Es ist ein Tanz auf der Rasierklinge, Unterhaltungswert, Erfolg, Identifikation und Sicherung der eigenen Existenz auf einen geeigneten Nenner zu bringen.
Dass diese Probleme, wie eine Medaille, auch eine Kehrseite besitzen und als Herausforderung betrachtet werden können, ist seit jeher die Motivation Dirk Bauermanns. 2007 befand der Nationaltrainer die Regelung, bis zur Saison 2009/10 vier deutsche Profis auf dem Spielberichtsbogen stehen zu haben, als geeignet. "Dieser Schritt wird irgendwann Früchte tragen", hofft Bauermann. "In den Junioren-Nationalteams steckt viel Potential, das müssen wir mit gezielter Nachwuchsförderung wecken."
Eine Europameisterschaft und Olympische Spiele später – 2007 wurde Deutschland in Spanien Fünfter, qualifizierte sich für Peking 2008, schied dort aber nach der Vorrunde aus – nutzte Bauermann erneut die Macht der Medien, um öffentlichen Druck zu erzeugen. Bei eingangs angeführter Debatte über die Entwicklung von Spartensportarten (Basket-, Volley und Handball) in Deutschland wurde das Fass so lange hin und her bewegt, bis es überschwappte. Und die sensationslüsterne Medienmeute las die entstandene Pfütze wie einen Kaffeesatz – teilweise ohne den Zusammenhang zu erläutern.
Von der "Brandrede Bauermanns" (Sportbild, Kicker etc.) und seiner "Geißelung der BBL-Klubs" (Abendzeitung Nürnberg) war in der Presse zu lesen. Im Mittelpunkt der Kontroverse standen Bauermanns Aussagen „Die BBL ist ein entfremdetes Produkt, das niemandem weiterhilft. Den Fans nicht, den Sponsoren nicht und der Nationalmannschaft schon gar nicht.“ und „Wenn diese US-Boys nicht in Deutschland Verträge erhielten, müssten sie daheim im Supermarkt Kisten schleppen.“
Nirgends war davon zu lesen, dass vorab eine absichtlich provokant gestellte Frage des Moderators an den Bundestrainer herangetragen wurde ("Gibt es denn genügend so gute deutsche Spieler, dass jeder mit 6+ spielt?") und es für Bauermanns Äußerungen von den circa 300 Zuhörern sieben Sekunden lang Applaus gab. Aus diesem Grund gibt es nachfolgend den genauen Wortlaut des scheinbar explosiven Stoffs, bei dem es um die Rolle des Basketballs hierzulande im Vergleich zu anderen Sportarten ging:
"Klar gibt’s genügend gute deutsche Spieler", begann der National-Coach seine Antwort. "Es gibt eine Generation von Spielern, die 24 und jünger sind, die zu großen Hoffnungen Anlass gibt. Aber wenn man auch nicht einmal den Mut hat, einen jungen Spieler einzusetzen – und in ganz Europa hat das einen hohen Stellenwert. In Spanien spielt ein Ricky Rubio, seitdem er 16 Jahre alt ist, bei Badalona in der ersten Liga. Weshalb? Er spielt deshalb, weil es bei Fans, bei Präsidenten und bei Sponsoren eine hohe Wertigkeit hat, dass dieser Spieler spielt, und dann werden ihm auch Fehler, die auch er macht, obwohl er ein großes Talent ist, verziehen. Und wenn es in dem Zusammenhang in Deutschland keinen – das ist ein etwas hochtrabendes Wort – Paradigmenwechsel gibt, also wenn das keine Wertigkeit erhält, sondern es im Grunde vollkommen egal ist, ob da ein deutscher oder ein ausländischer Trainer sitzt, ob da deutsche Spieler spielen oder ausländische, dann wird es in der Sportart nicht weitergehen, und der Vergleich mit Handball beispielsweise hinkt komplett. Weil Handball ist ein europäischer Sport. Ich glaube nicht, dass es in Europa einen Verband gibt, der mehr Mitglieder im Handball hat als den deutschen. Basketball ist ein Weltsport. Es gibt keine Sportnation auf der Welt, in der Basketball nicht auf einem ganz hohen Niveau gespielt wird. Aus meiner Sicht sogar noch mehr als beispielsweise im Fußball. Denn die Chinesen spielen auf höchstem Niveau Basketball, die Amerikaner spielen auf allerhöchstem Niveau Basketball, da wird nicht wirklich Fußball gespielt. Insofern ist Basketball, wenn dann am ehesten vergleichbar mit Volleyball. Volleyball ist auch eine Weltsportart, die in allen Sportnationen dieser Welt mit hohem Einsatz betrieben wird. Insofern hinkt der Vergleich. Die Handballliga kann sich durchaus erlauben, den Markt komplett zu öffnen. Wir können uns das nicht erlauben, weil was passiert, ist, dass es eine unglaubliche Schwemme von amerikanischen Spielern gibt, nach Deutschland und in die Liga, die wenn sie nicht hier spielen würden, in Amerika wahrscheinlich …ähm … bei Walmart Kisten schleppen würden. Und insofern – so ist die Realität, ja? – müssten wir auf uns schauen, und schauen, dass bestimmte Regelungen, die woanders durchaus sinnvoll und möglich sind, hier eben nicht funktionieren, weil sie dazu führen, dass wir ein entfremdetes Produkt zeigen, das keinem hilft. Weder den Vereinen noch den Fans, den Sponsoren schon gar nicht und der Nationalmannschaft am Ende auch nicht."
Die scharf gewählten Worte sorgten im Nachhinein für den gewollten Effekt: Die Medien widmeten sich der Thematik in aller Ausführlichkeit. Es bildeten sich sogar zwei Lager, die einerseits Bauermanns Bemühungen unterstützten, andererseits gegen ihn ihr Wort erhoben. Teilweise war sogar von Rassismusvorwürfen (John Patrick, Coach von Göttingen) und Unverständlichkeit (Jan Pommer, BBL-Geschäftsführer) zu lesen, sodass Bauermann infolgedessen zurückruderte und sich für seine brisanten Behauptungen entschuldigte („Das [seine Äußerungen über die Amerikaner in der BBL] war eine absolute Eselei, die aus der Frustration heraus entstanden ist. Dafür möchte ich mich in aller Form entschuldigen.“ bzw. "Diesen Satz [dass die BBL ein entfremdetes Produkt sei] hätte ich mir verkneifen müssen. Das war flapsig und dumm.").
Betrachtet man die Sache aber nüchtern, ist die Beunruhigung Bauermanns berechtigt. Bereits nach dem diesjährigen BBL Pokalfinale in Hamburg bemängelte ein Artikel der Deutschen Presse Agentur (dpa) den Einsatz deutscher Spieler beim Titelgewinner Alba Berlin. Die Nationalspieler Philip Zwiener und Johannes Herber – Letzterer stand im Finale für 81 Sekunden auf dem Parkett – wärmten während des Final Four die Bank. "Die beiden Nationalspieler stehen exemplarisch für ein großes Dilemma in der Bundesliga: Die deutschen Profis bekommen kaum Einsatzzeit", wurde Anfang März geschrieben. Und selbst die Berliner Morgenpost veröffentlichte Anfang Januar 2009 ein Bauermann-Interview, in dem es hieß: "Ideal wäre, wenn von zwölf Spielern auf dem Spielberichtsbogen sechs Deutsche wären. […] Ein stärkeres deutsches Element würde ihr [der BBL] gut tun."
Diese Problematik umreißt die Auswirkungen der Spielermarktöffnung und vergangener Entscheidungen von Verbandsseite. Des Weiteren wird deutlich, dass der Paukenschlag vom 13. März 2009 zuvor bereits leise zu vernehmen war. Das alles sowie die Debatte über eine Quote im deutschen Basketball werden ausführlich im nächsten Artikel der Serie "Basketball in Deutschland" behandelt.
Thomas Käckenmeister






















