Macht der Bauchnabel die Weltrekorde? picture alliance

Macht der Bauchnabel die Weltrekorde?

  • Marco Heibel
Der französische Sprinter Christophe Lemaitre ist mit einer 100 Meter-Bestzeit von 9,98 Sekunden der schnellste weiße Sprinter aller Zeiten. Gegen die schwarzen Top-Stars Usain Bolt oder Tyson Gay hat er mit dieser Zeit trotzdem keine Chance. Einer neuen Studie zufolge haben diese ihre Überlegenheit ihrem Bauchnabel zu verdanken.

Von den 70 Läufern, die die 100 Meter jemals unter 10 Sekunden gelaufen sind, hatten 69 eine dunkle Hautfarbe. Der Franzose Christophe Lemaitre war im Juli 2010 der erste Weiße, der in diese Phalanx eindringen konnte. In der Vergangenheit gab es viele Vermutungen, warum schwarze Sportler die Sprintdistanzen in der Leichtathletik dominieren.

Warum sind Schwarze die besseren Sprinter?


Eine Theorie besagt, dass Schwarze über mehr schnell kontrahierende Muskelfasern verfügen (rote Fasern oder FT-Fasern). Und während sich schnell kontrahierende Fasern in langsam kontrahierende Fasern umwandeln lassen – das erklärt, warum schwarze Läufer auch auf den Langdistanzen (vor allem 5000 Meter bis Marathon) dominieren –, geht das umgekehrt nicht. Wer mehr FT-Fasern in die Wiege gelegt bekommen hat, ist quasi zum Sprinter geboren.



Eine zweite Theorie sieht die Ursache für die Dominanz der schwarzen Läufer in ihrem Körperbau: Demnach sollen Schwarze über dichtere Knochen verfügen, schmalere Hüften, ein längeres Fersenbein, dickere Oberschenkel, leichtere Waden und weniger Unterhautfett als Weiße haben – allesamt Faktoren, die auf der Sprintstrecke von Vorteil sind. Nebenbei: Das (mangelnde) Unterhautfett ist zugleich der Grund, warum Schwarze im Wasser gegen die weißen Schwimmer chancenlos sind. Denn im Becken beschert das Unterhautfett den Weißen eine bessere Wasserlage.

Die so genannte „Ghetto Theorie“ hat einen etwas anderen Ansatz und nicht zuletzt wegen ihrer Namensgebung eher wenige Anhänger. Demnach stellt der Sport für Menschen aus armen Verhältnissen eine der wenigen Möglichkeiten zum gesellschaftlichen und vor allem finanziellen Aufstieg dar. Folglich würden sie einen größeren (Trainings-)Ehrgeiz entwickeln und wären eher bereit sich durchzubeißen, als Menschen aus einem gut situierten Elternhaus. Hier gibt es jedoch Gegenbeispiele, u.a. den neunmaligen Sprint- und Weitsprungolympiasieger Carl Lewis, dessen Eltern zur oberen Mittelschicht gehörten.

Neue Studie: Ist die Position des Bauchnabels der entscheidende Faktor?


Nun ist eine weitere Hypothese hinzugekommen: Ein Forscherteam der Universität von North Dakota (USA) sammelte und verglich Daten von den Rekordentwicklungen im Sprint und im Schwimmen über den Zeitraum von 100 Jahren. Die etwas überraschende Erkenntnis: Der Bauchnabel macht den Unterschied. Laut Studienleiter Adrian Bejan liege dieser bei einem Schwarzen im Vergleich zu einem gleich großen Weißen um rund drei Zentimeter höher. Die Folge sei ein höherer Körperschwerpunkt bei Schwarzen. Und da Laufen im weitesten Sinne ein geschicktes Vorwärtstürzen sei, würde ein höherer Körperschwerpunkt die nach unten drängende Masse schneller machen.

Anders sieht es aus, wenn man die Sportart wechselt: Im Wasser seien Schwarze nicht allein wegen des bereits beschriebenen „Defizits“ an Unterhautfettgewebe gegenüber Weißen im Nachteil. Vielmehr schade ihnen hier der höhere Bauchnabel, weil ihre Oberkörper weniger lang sind und somit weniger Wasser verdrängen würden als die von weißen Schwimmern. Die Experten gehen von einem Schnelligkeitsnachteil von fünf Prozent im Wasser gegenüber Weißen aus.

So skurril die Bauchnabel-Theorie zunächst erscheinen mag, so macht sie doch in gewisser Hinsicht Sinn. Allerdings stellt der Bauchnabel mit großer Wahrscheinlichkeit nur einen Teilaspekt dar. Ohne die Kombination mit anderen genetischen Faktoren, wie der Muskelfaserverteilung oder der Länge des Fersenbeines, würde er vermutlich den schwarzen Sprintern nicht den Vorsprung in der Größenordnung bescheren, wie sie ihn schon seit Jahrzehnten haben.

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