Die Zukunft der Eintracht im Blick - Fredi Bobic im Interview gettyimages
"Haben genug Aufgaben vor uns"

Die Zukunft der Eintracht im Blick - Fredi Bobic im Interview

Im Vorfeld des Bundesliga-Spiels gegen Werder Bremen trafen wir Fredi Bobic in seinem Büro in der Frankfurter Commerzbank Arena zum ausführlichen Interview. Wir sprachen mit dem Europameister von 1996 über seinen Job als Vorstand Sport bei der Frankfurter Eintracht und wie er diese fit für die Zukunft machen möchte.
netzathleten: Fredi, Sie sind seit eineinhalb Jahren bei der Eintracht und haben in dieser Zeit eigentlich schon alles erlebt, was diesen Verein und sein Image als „launische Diva“ ausmacht. Sie haben den Verein am Rande des Abgrunds übernommen, zur Hälfte der vergangenen Bundesligasaison lag die Eintracht auf Rang drei und stand trotz andauernder Durststrecke in der Rückrunde schließlich sogar im Pokalfinale. Hatten Sie sich das so in etwa ausgemalt?

Fredi Bobic: Nachdem die Eintracht damals den Abstieg erst in der Relegation gegen Nürnberg abwenden konnte, war damit zu rechnen, dass es eine anspruchsvolle Aufgabe wird. Das galt sowohl für den sportlichen als auch für den wirtschaftlichen Bereich. In der Vorrunde war die Mannschaft hervorragend aufgelegt und finanziell ist unser Plan mit einigen günstigen Leihspielern, die hervorragend ins Gefüge gepasst haben, auch aufgegangen. Trotz dieser Kompromisse und einer mäßigen Rückrunde sprang ein stabiler Mittelfeldplatz raus, ohne jemals in Abstiegsgefahr geraten zu sein. Damit hatten wir unser wichtigstes Ziel erreicht. Das Pokalfinale war das Sahnehäubchen und wir – Verein wie auch Fans – haben in Berlin einen wirklich guten Eindruck hinterlassen.

netzathleten: Ausruhen kann man sich auf diesen Lorbeeren aber nicht…

Fredi Bobic: In der Bundesliga wäre das fatal. In diesem Sommer ist es uns mit der Kraft und dem Selbstvertrauen, das wir in der vergangenen Saison getankt haben, gelungen, die richtigen Schlüsse zu ziehen und mehr Substanz in die Mannschaft zu bekommen. Wir sind in der Breite besser aufgestellt und haben für Frankfurter Verhältnisse viel investiert sowie uns punktuell mit Spitzenkräften verstärkt. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür wurden ebenfalls in diesem kurzem Zeitraum geschaffen. Momentan stehen wir ganz gut da, haben 15 Punkte (nach dem Spiel gegen Bremen 18, Anm. d. Red.) auf dem Konto, aber auch noch genug Aufgaben für die Zukunft.

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Hatten nach dem 2:1 gegen Bremen Grund zum Jubeln: Frankfurts Mijat Gacinovic, Prince Boateng, Siegtorschütze Sébastian Haller und David Abraham (v. li. - ©gettyimages)


netzathleten: Zum Beispiel eine neue Geschäftsstelle bauen, eines Ihrer Hauptanliegen, was die Infrastruktur des Vereins angeht…

Fredi Bobic: Genau, auf lange Sicht ist das immens wichtig und dabei geht es darum, etwas zu bauen, was auch in 20 Jahren noch zeitgemäß ist und dem Profifußball zu jeder Zeit gerecht wird. Das betrifft auch das Nachwuchsleistungszentrum und das Stadion. Die Personen in einem Verein sind austauschbar – aber die Zukunft des Vereins sollten sie immer im Blick haben.

Derk Hoberg zu Besuch bei Fredi Bobic
Derk Hoberg im Gespräch mit Fredi Bobic 

netzathleten: Wie haben Sie sich denn in Frankfurt eingelebt, was beeindruckt Sie bisher am meisten in der Stadt?

Fredi Bobic: Die Vielfalt mag ich sehr, das internationale Flair der Stadt. Und die Liebe zum Verein – und zwar nicht nur in Frankfurt selbst, sondern in der ganzen Region – ist tief verankert. Im Stadion zeigt sich das in der enormen Lautstärke der Fans, die auch in der vergangenen Rückrunde das nötige Feingefühl bewiesen und gemerkt haben, dass die Mannschaft alles gegeben hat, auch wenn die Ergebnisse nicht stimmten. All das hat mich sehr beeindruckt. Diese Emotionen nimmt man schnell auf und deshalb macht es mir persönlich so viel Spaß, hier zu arbeiten.

netzathleten: Aufgrund der aktuellen tabellarischen Situation können wir recht entspannt hier sitzen, auch wenn heute Abend noch das Spiel gegen Werder Bremen ansteht. Ein besonders langer Tag für Sie, oder gehören solche Überstunden einfach dazu?

Fredi Bobic: Jetzt steht die Länderspielpause an, da wird es mal ein, zwei ruhige Tage geben. Aber insgesamt ist eine solche Aufgabe sehr anspruchsvoll. Ich kann ja heute nicht nur an das bevorstehende Spiel denken, sondern bin unentwegt in Planungen. Dabei geht es um Treffen mit strategischen Partnern oder den täglichen Dialog mit unseren Scouts über den aktuellen Spielermarkt. Hinzu kommen gesellschaftliche Verpflichtungen, Termine, die ich für die Eintracht wahrnehme und die häufig auch mit Reisen verbunden sind. Ich bin aber sicher, die kommenden Transferfenster werden nicht mehr so anstrengend, da wir uns nun, nach den beiden ersten Jahren der Konsolidierung, gut vorbereitet sehen.

netzathleten: Treiben Sie selbst noch Sport, um fit für diesen Job zu sein?

Fredi Bobic: Ja, dafür blocke ich jeden Tag zwei Stunden – entweder gehe ich morgens um sechs oder mittags in den Kraftraum im Stadion, schwimme oder laufe abends noch am Mainufer entlang. Wenn Zeit ist, trete ich auch hin und wieder noch gegen den Ball, vor kurzem erst haben wir mit der DFB-Traditionself gekickt.

netzathleten: Auch gestandene Nationalspieler haben einmal klein angefangen. Wie sehr setzen Sie in Frankfurt auf die Jugend, welche Perspektive hat der Nachwuchs der Eintracht?

Fredi Bobic: Eine sehr große, auch aufgrund Niko Kovacs und seines Teams. Wir haben die Zusammenarbeit mit dem Nachwuchsleistungszentrum enorm intensiviert, die Nachwuchsarbeit ein Stück weit professionalisiert. Wir wenden nun Analysemethoden und das Scouting aus dem Lizenzspielerbereich an, die medizinische Versorgung und das Athletiktraining basieren ebenfalls auf dem Know-how der Profiabteilung. Das zahlt enorm auf die Zukunft der Eintracht ein. Wir werden uns darauf aber selbstverständlich nicht ausruhen sondern die individuelle Förderung dieser jungen Spieler noch mehr in den Fokus rücken. An den Beispielen von Ayman Barkok oder Deji Bayreuther, der aktuellste Spieler, der gerade im Oktober einen Profivertrag bekommen hat, sehen wir das. Es gibt neben diesen beiden Jungs einige weitere, die noch in der U 19 spielen, aber drei bis vier Tage in der Woche mit den Profis trainieren. Wie viele es am Ende tatsächlich schaffen, müssen wir abwarten. Wir sprechen hier ja von einem sehr frühen Entwicklungsstadium.

netzathleten: Sie engagieren sich seit Jahren auch anderweitig für die Jugend, sind Botschafter für die Laureus Sport for Good Stiftung und treten als Schirmherr des Projektes „Kick for more“ auf. Bleibt dafür noch Zeit?

Fredi Bobic: Gerade erst war ich mit zahlreichen Kindern aus verschiedenen Sport-Projekten, die die Stiftung unterstützt, beim Laureus Jugendcamp im Europapark. Wir haben den gesamten Nachmittag mit den Kids gesprochen, verschiedene Spiele gemacht, mit den Projektleitern über Verantwortung, Vertrauen und andere Werte diskutiert. Ein sehr interessanter Nachmittag, vor allem wenn man sieht, wie die Kinder durch die Laureus-Projekte gestärkt und motiviert werden. Da genügt oft nur ein wenig Hilfestellung, ein wenig den Rücken stärken, damit sie ihre Probleme in den Griff bekommen, funktionierende Strukturen für ihr Leben finden. Dafür investiere ich gerne die Zeit, um solche Projekte noch bekannter zu machen.

fredi bobic bei laureus
Fredi Bobic beim Laureus Jugendcamp (©Laureus/GES)

netzathleten: Bei Laureus kommt die Hilfe sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu Gute, da geht es quasi um jeden Cent für diese Projekte. In der Glitzerwelt des heutigen Fußballs dagegen spielt Geld offenbar keine Rolle mehr, die Transfersummen steigen ins Irrsinnige. Wie erklärt man das den Kindern bei Laureus, wie womöglich seinem eigenen Nachwuchs, der einen ganz normalen Beruf anstrebt?

Fredi Bobic: Das ist schwer zu erklären, die Realität stellt sich aber derzeit nun einmal so dar. Das Geld ist vorhanden im Fußball, wird niemandem weggenommen, was in meinen Augen das Wichtigste ist. Und davon profitieren ja bei weitem nicht nur Spieler, Offizielle oder Berater. Immerhin hängen am Fußball auch ansonsten unzählige Arbeitsplätze, der Sport ist ein wichtiger Wirtschafts- und damit auch Wohlstandsfaktor. Ich kann den Kindern aber erklären, dass die Fußballer eigentlich auch ganz normale Jungs sind, die zwar aufgrund ihres Könnens mehr Aufmerksamkeit bekommen, aber eben die gleichen Bedürfnisse und Probleme haben wie alle anderen auch. Und ich kann ihnen von den Schattenseiten der Branche berichten und davon, dass viele Talente auch in der Versenkung verschwinden und dass es genau deshalb wichtig ist, einen festen Boden unter den Füßen zu haben. Eben einen ganz normalen Beruf anzustreben.

Den zweiten Teil des Gesprächs mit Fredi Bobic lest Ihr bei den Kollegen von fussball.news

Fredi Bobic EuropameisterschaftZur Person: Fredi Bobic
Fredi Bobic wurde als aktiver Fußballer 1996 Europameister (rechts im Bild, ©gettyimages), war mit Borussia Dortmund Deutscher Meister (2002), Pokalsieger mit dem VfB Stuttgart (1997) und war 1996 Torschützenkönig der Bundesliga. In 37 Länderspielen schoss er 10 Tore, in der Bundesliga deren 108. Nach Stationen im Management des bulgarischen Clubs Tschernomoretz Burga und des VfB Stuttgart wurde er im Juni 2016 als Vorstand Sport berufen und mit einem Vertrag bis 2019 ausgestattet.

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