Passives Abseits - Plädoyer für eine ungeliebte Regel istockphoto.com/Sage78

Passives Abseits - Plädoyer für eine ungeliebte Regel

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Das passive Abseits wird in Fußballkreisen immer wieder heiß diskutiert. Sinn und Zweck dieser Regel sind nicht für jeden einleuchtend. Unsere Partnerseite soccerdrills.de ist klar dafür. Warum erfahrt ihr hier.

Es gibt kein passives Abseits - Eine kurze Einführung

Bei den Recherchen zu diesem Text habe ich festgestellt, dass es die Sprachregelung "passives Abseits" gar nicht mehr offiziell gibt. Es gibt nur Abseits als Regelverstoß oder kein Abseits. Ich werde den Begriff "passives Abseits" aber trotzdem verwenden, weil der Text dann verständlicher wird.
Ein Spieler kann sich in einer Abseitsposition aufhalten, dies allein ist jedoch kein Regelverstoß. Es wird erst dann zu einem Regelverstoß, wenn ein Spieler, der sich in einer Abseitsposition befindet, aktiv in Spiel eingreift oder den Gegner behindert. Ich würde dies so zusammenfassen: erlange ich durch den Aufenthalt in der Abseitsposition einen Vorteil, begehe ich einen Regelverstoß.
Die Definition ist natürlich komplexer, aber nicht Inhalt dieses Textes, dazu gibt es im Internet unzählige Seiten. Wer es genauer wissen möchte, sollte einfach googeln.

Der Fußball ist auch wegen seiner einfachen Regeln so beliebt. Nur die Abseitsregel ist komplexer und verschwindet deshalb auf Bolzplätzen und im Kinderfußball oft vollständig. Ich schreibe hier nicht über das Abseits insgesamt, obwohl viele die vollständige Abschaffung der Regel fordern. Diese Diskussion ist gefährlich für die zukünftige Entwicklung im Fußball und die Abschaffung wird deshalb auch nicht kommen.

Der Fußball hat es so gewollt

Bevor ich hier mit dem eigentlichen Thema loslege, möchte ich eins vorausschicken: ich befürworte die Regelung zum passiven Abseits.
Wer aber über das passive Abseits schimpft, sollte sich einmal intensiv mit den Zeiten beschäftigen, als es diese Regelung noch nicht gab. Immer wieder fallen dann die Namen der Teams von Ajax Amsterdam, Holland und Belgien, die die Abseitsfalle von 1970 - 1980 immer weiter perfektionierten. Fast die gesamte taktische Ausrichtung war auf das Stellen der Abseitsfalle gerichtet.

Nehmen wir es einmal ganz genau, wurde die Abseitsregel benutzt, um Regelverstöße zu provozieren. Die Belgier schafften es in einem Spiel den Gegner 25-35 Mal ins Abseits laufen zu lassen. Kein Spiel kam zustande aber die Belgier waren damals ein Weltklasse-Team und ein gefürchteter Gegner.
Durch diese Spielweise, die in den folgenden zwei Jahrzehnten von vielen Teams immer weiter verfeinert wurde drohte die Erstickung des konstruktiven Fußballspiels. Die Weiterentwicklung der Spielsysteme gab dann der alten Abseitsregel den Gnadenstoß.

Ich habe mich oft über Abseitsentscheidungen geärgert, weil sich irgendwo ein Spieler in einer Abseitsposition befand, der überhaupt kleinen Einfluss auf das Spielgeschehen hatte. Es war leicht, eine Abseitsfalle aufzustellen, denn die angreifende Mannschaft hatte nur begrenzte Möglichkeiten dies zu verhindern. Die Verteidigung rückte im richtigen Moment raus und irgendwo auf dem Feld stand ein Spieler im Abseits.


Das passive Abseits hat diesem Spuk ein Ende bereitet, denn dadurch bedeutet das Stellen einer Abseitsfalle ein wesentlich höheres Risiko.

Welcher Verteidiger kann denn immer in Bruchteilen von Sekunden entscheiden, welcher Angreifer aktiv wird und welcher nicht? Das passives Abseits und die Einführung der Rückpassregel erschweren die Abwehrarbeit und dies ist natürlich so gewollt.

Das Abwehrspiel muss dadurch viel variabler organisiert werden, das Abseitsstellen rückt immer weiter in den Hintergrund. "Im Zweifelsfall für den Angreifer" macht Fußball interessant für den Zuschauer. Mehr Torszenen und weniger Unterbrechungen, so soll Fußball sein.

Fehlentscheidungen und Unvermögen

Betrachte ich mir die Spiele in den höheren Spielklassen behaupte ich, die Schiedsrichtergespanne setzen die Passivregelung zwischenzeitlich hervorragend um. Die Spieler sind es, die damit größere Probleme haben und entscheiden oft in ihren Aktionen noch falsch, aber das macht das Spiel doch gerade interessant und es fallen mehr Tore. Anstatt den Fehler bei sich selbst zu suchen, gibt man der Regel die Schuld, so einfach ist das.

Unter hoher Belastung nachdenken und schnelle Entscheidungen sind gefordert. Wer das nicht hinbekommt, kassiert eben ein Tor.
Was viele Kritiker des Passivabseits stört sind die angeblichen Freiheiten, die der Schiedsrichter bei der Regelauslegung hat.

Jetzt mal ehrlich, hat der Schiedsrichter diese Freiheiten nicht bei jeder Regel?
Werden Elfmeter, Foulspiel oder andere Unsportlichkeiten immer gleichmäßig gepfiffen?
Regt sich irgendjemand über die unsinnige Handspielregelung auf?
Was ist denn "absichtliches Handspiel" oder "Schiedsrichterbeleidigung"?
Es ist beim passiven Abseits, wie bei anderen Regelverstößen auch:
Aufregung herrscht immer bei dem Team, das betroffen ist und sich benachteiligt fühlt. Der Zuschauer schimpft lautstark auf die Regel, wenn sein Team durch die Regelauslegung ein Tor kassiert. Bei einem Gegentor nach einem Eckball würde keiner auf die Idee kommen, der "blöden Eckballregelung" die Schuld zu geben.

Ich behaupte, es gibt immer weniger Fehlentscheidungen ums Passivabseits, es gibt aber immer noch sehr viele falsche Abseitsentscheidungen. Gleiche Höhe oder nicht ist viel schwerer zu erkennen, als die Entscheidung ob ein Spieler passiv oder aktiv ins Spiel eingreift. Dies fällt bei der Berichterstattung im TV immer mehr auf, besonders durch die modernen Kameratechniken, kritisiert wird aber immer nur das passive Abseits. Scheint medienwirksam zu sein, genau wie das ständige kritisieren der Viererkette. Das Spiel mit Libero oder der Abseitspfiff bei einem Spieler, der gar nicht ins Spiel eingriff und manchmal sogar auf dem Boden lag, wurden nie bemängelt.

Ein Argument fehlt aber noch und das könnte meinem Plädoyer fürs passive Abseits schaden. Was ist in den unteren Spielklassen? Was ist an der Basis? Können die Schiedsrichter dort diese Abseitsregel konsequent und gut umsetzen? Doch es geht, es geht sogar besser als früher. Denn ohne passives Abseits muss der Schiedsrichter das gesamte Spielfeld im Blickfeld haben und zwar von der Mittellinie bis zu den Eckfahnen. Daran hat sich nicht wirklich viel geändert und deshalb bleibe ich dabei:
Die Regel ist gut für den Fußball, denn wie die Einführung der Rückpassregel macht sie Fußballspiele spannender und attraktiver.

Uwe Bluhm

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