One Hit Wonder des deutschen Sports picture alliance

One Hit Wonder des deutschen Sports

  • Marco Heibel
Es gibt immer wieder Sportler, die quasi aus dem Nichts kommen, plötzlich ganz oben sind, aber fast genauso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. Die netzathleten erinnern an fünf deutsche Sportler, die aus verschiedensten Gründen nur kurz im Mittelpunkt des Interesses standen.

Die Wendung „One Hit Wonder” stammt eigentlich aus der Musikbranche und bezeichnet im Sport jemanden, der es nur einmal „gebracht” hat. Das kann ein einmaliger Ausrutscher sein und manchmal sind auch Verletzungen Schuld daran, dass ein aufstrebender Sportler eine einmal erbrachte Spitzenleistung nicht mehr wiederholen kann. Manchmal ist auch eine zu hohe Erwartungshaltung der Auslöser, manchmal sind es vielleicht private Querelen. Doch bei allem Anschein des Zufälligen, in einem sind wir uns wohl einig: Es ist immer noch besser, einmal ganz oben gewesen zu sein als nie.

Die netzathleten-Redaktion hat wieder einmal die Köpfe zusammengesteckt und heftig diskutiert, welche fünf Sportler es in unsere Auflistung schaffen. Da aktive Sportler ja immer noch die Möglichkeit haben, ihre Bilanz aufzupolieren, haben wir uns auf Athleten beschränkt, die ihre Karriere bereits beendet haben.

1989: Hansjörg Tauscher (Ski alpin)


Bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften 1989 im US-amerikanischen Vail sorgte ein 21-jähriger Deutscher für einen Sensationssieg in der Abfahrt: Der Oberstdorfer Hans-Jörg Tauscher ließ die gesamte Weltelite hinter sich und feierte seinen ersten (und einzigen) Sieg im Profi-Skizirkus.

Sein Erfolgsrezept: Tauscher schaute sich im Vorfeld die WM-Strecke so genau an wie kein anderer Starter. Im Wettkampf selbst gelang es ihm dann, die Schlüsselstelle des Kurses, eine Doppel-S-Kurve, am saubersten zu durchfahren. Den dort gewonnenen Vorsprung rettete Tauscher dann ins Ziel. Es war der einzige WM-Titel des Deutschen Ski-Verbandes in Vail.



Dieser Sieg blieb der einzige für Tauscher bei einer großen Meisterschaft bzw. im Weltcup. Auf nationaler Ebene gewann er jedoch mehrere Titel in Abfahrt und Super-G. Außerdem nahm er an 3 Olympischen Spielen teil, und erreichte bei mehr als 25 Weltcup-Rennen einen Platz unter den besten 15.

1994 beendete er seine aktive Karriere. Heute betreibt Tauscher eine Pension in Oberstdorf, bietet Skiführungen und Seminare an.

1993: Marc-Kevin Goellner (Tennis)


Anfang der 90er Jahre war Tennis noch eine der populärsten (weil erfolgreichsten) Sportarten hierzulande. Steffi Graf, Boris Becker, Michael Stich und mit Abstrichen noch Anke Huber und Carl-Uwe Steeb zählten zu den Besten ihres Faches. Im Frühjahr 1993 schien sich ein weiterer Spieler in diese Reihe einzuordnen.

Der in Brasilien aufgewachsene Marc-Kevin Goellner gewann überraschend das ATP-Turnier in Nizza. Dabei schlug er u.a. den langjährigen Weltranglistenersten Ivan Lendl, der zwar 1993 bereits etwas über seinen Zenit hinaus war, aber immer noch ein Weltklassespieler war.

Was an Goellner auffiel, waren vor allem zwei Dinge: zum einen seine stets verkehrt herum getragene Baseballmütze (dieses Markenzeichen bescherte ihm bald darauf einen Werbevertrag inkl. internationalem Werbespot mit dem Sportartikelhersteller adidas), zum anderen sein unbekümmertes Spiel. Der 1,95m-Schlacks passte einfach in die damalige Zeit und wurde schnell zum Teenie-Idol.

Auch sportlich lief es zunächst noch blendend: Aufstieg bis auf Platz 26 der Weltrangliste, außerdem gewann er als Nummer zwei neben Michael Stich im selben Jahr den Davis Cup. 1993 erreichte er zudem mit David Prinosil das Doppel-Finale der French Open.

Goellner setzte seine Karriere zwar bis 2004 fort, doch die ganz große Karriere im Einzel blieb ihm in der Folge verwehrt. „Nur“ ein weiterer Turniersieg (1996 in Marbella) kam hinzu. Im Doppel war Goellner da schon erfolgreicher: Vier Turniersiege stehen für ihn zu Buche, weiterhin gewann er bei den Olympischen Sommerspielen von Atlante 1996 an der Seite von David Prinosil Bronze.

Seit 2004 betreibt Goellner zusammen mit seinem früheren Trainer Andreas Maurer eine eigene Tennisakademie in Köln.

1995 Axel Schulz (Boxen)


Er ist so etwas wie die tragische Figur des deutschen Sports: Kein anderer verkörpert den Verlierer im entscheidenden Moment so sympathisch wie Axel Schulz. 1993 vergab Schulz mit einer Niederlage im EM-Kampf gegen den Briten Henry Akinwande die erste Chance auf einen großen Titel.

Dem Schwergewichtler aus Bad Saarow eröffnete sich jedoch im Frühjahr 1995 überraschend die große Chance seiner Karriere. Der 45-jährige IBF-Weltmeister George Foreman hat ausgerechnet Schulz für eine freiwillige Titelverteidigung als Gegner ausgewählt. Foreman glaubte, mit Schulz leichtes Spiel zu haben – und sollte sich irren. Der krasse Außenseiter aus Deutschland bot am 22. April 1995 gegen Foreman den Kampf seines Lebens. Letzten Endes profitierte Foreman jedoch vom Weltmeister-Bonus und siegte umstritten nach Punkten.

Trotz oder gerade wegen dieser unglücklichen Niederlage wurde Axel Schulz in der Heimat über Nacht zum Superstar. Die IBF ordnete sogleich einen Rückkampf an, zu dem Foreman nicht mehr antreten wollte. Der Titel war somit vakant, Schulz war als einer der beiden Kandidaten gesetzt.

In der Folge baute RTL Schulz im Hinblick auf den Kampf um den Titel gegen den Südafrikaner Francois Botha zur zweiten großen Nummer neben Halbschwergewichts-Weltmeister Henry Maske auf. Der Fight in Stuttgart im Dezember 1995 ernüchterte jedoch: Schulz wirkte gehemmt und verlor nicht unverdient nach Punkten. Der Traum vom Titel war scheinbar geplatzt.

Kurz darauf wurde Botha jedoch des Dopings überführt, der Weltverband annullierte das Urteil. Schulz erhielt noch eine dritte Chance auf den Gürtel. Dieses Mal ging es am 22. Juni 1996 im Dortmunder Westfalenstadion gegen Michael Moorer, jenen Mann, gegen den anderthalb Jahre zuvor Foreman seinen Lucky Punch zum Titelgewinn gesetzt hatte.

Schulz unterlag abermals nach Punkten, und dieses Mal war alles mit rechten Dingen zugegangen. Nach der Niederlage gegen Moorer musste Schulz sich erst wieder mühsam in den Ranglisten nach oben arbeiten. Am 25. September 1999 ging es für Schulz in einer Art „Alles-oder-Nichts“-Kampf um die Europameisterschaft gegen den damals 23-jährigen Wladimir Klitschko. Schulz war von Beginn an klar unterlegen, in der achten Runde brach der Ringrichter den Kampf ab.

Danach machte Schulz vor allem als Werbeträger und als Gast in TV-Shows sowie durch kleinere Filmrollen auf sich aufmerksam. 2006 wagte Schulz noch einmal ein Comeback, gegen Brian Minto aus den USA verlor er jedoch durch technischen K.O. 2007 wurde bekannt, dass Schulz bereits zwei Schlaganfälle erlitten hat, einen davon in der Woche vor dem Kampf gegen Minto.

1996 Frank Busemann (Zehnkampf)


Obwohl Frank Busemann bei den Olympischen Sommerspielen von Atlanta 1996 „nur“ Silber gewonnen hat, wurde der Zehnkämpfer zu dem deutschen Star der Spiele. Als Außenseiter gestartet, stellte der damals erst 21-jährige Recklinghausener im olympischen Zehnkampfwettbewerb eine persönliche Bestleistung nach der anderen auf. Zwischenzeitlich brachte er sogar den haushohen Goldfavoriten Dan O’Brien in Bedrängnis.

In Erinnerung geblieben ist vor allem der fulminante 110-m-Hürden-Lauf des gelernten Hürdensprinters Busemann, der in 13,45 Sekunden einen Weltrekord innerhalb eines Zehnkampfes aufstellte. Am Ende stand neben der Silbermedaille eine persönliche Bestleistung (8706 Punkte). Zudem wurde Busemann am Ende des Jahres – nicht zuletzt wegen seiner direkten Art, die ihm viele Sympathien eingebracht hat – zum Sportler des Jahres gewählt.

 

Nach Atlanta ging es jedoch bergab. Busemann hatte immer wieder mit hartnäckigen Verletzungen zu kämpfen, aufgrund derer er nie mehr in Topform bei einem Großereignis antreten konnte. 2003 erklärte Busemann seinen Rücktritt.
Seit Januar 2008 ist Busemann als sportlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Präventivmedizin in Damp (Schleswig-Holstein) tätig. Außerdem gibt er Coaching-Seminare und tritt bei Leichtathletik-Großereignissen als TV-Experte auf.

2001 Martin Buß (Hochsprung)


Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften von Edmonton 2001 waren mit drei Gold-, drei Silber- und einer Bronzemedaille die erfolgreichsten Welttitelkämpfe des Deutschen Leichtathletik Verbandes in den letzten zehn Jahren. Einen nicht geringen Anteil an diesem Ergebnis hatte ein damals 25-jähriger Berliner, der im Hochsprung mit 2,36m überraschend alle Konkurrenten hinter sich lassen konnte.

Dabei ist Martin Buß keineswegs das klassische One Hit Wonder: Bereits bei der WM 1999 in Sevilla zählte er zu den besten, gewann Bronze. Bei den Olympischen Spielen 2000 und 2004 fehlte Buß jedoch verletzungsbedingt. Ähnlich wie schon bei Frank Busemann, verhinderte also auch bei ihm sein Körper eine jahrelange Präsenz in der Weltspitze. 2006 erklärte Buß dann seinen Rücktritt vom Leistungssport.

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