Nicht nur auf dem Feld: Positive Signale vom Frauen-Fußball unplash.com
„In den Fußball der Frauen muss in Deutschland mit mehr Substanz investiert werden, um aufzuholen“

Nicht nur auf dem Feld: Positive Signale vom Frauen-Fußball

  • Frank Heike
Marktexperte Dennis Trautwein sprach anlässlich der EM bei Rotary Herzogenaurach zu Wachstumschancen des deutschen und internationalen Fußballs der Frauen: „Equal play“ vor „Equal pay“? Viel Ehrgeiz, weniger Verbissenheit beim Fußball der Frauen verglichen mit dem Fußball der Männer
Es gab sie schon einmal, die große Chance. „Vor der Heim-WM 2011 wurde unheimlich viel investiert. Aber es gab einen Abschwung nach dieser Veranstaltung. Die Konsistenz der Investitionen auf Seiten des DFB hat einfach gefehlt“, erinnert sich Dennis Trautwein, Managing Director von Octagon Germany&France.

In den Tagen dieser Europameisterschaft im Fußball der Frauen wertet Trautwein die Signale aus England äußerst positiv – nicht nur auf den deutschen Fußball der Frauen bezogen: „Die Bewerbung um die WM 2027 liefert dem DFB eine Riesenchance, dem Ganzen wieder ein Momentum zu geben.“

Das sei auch dringend nötig, sagte der Octagon-Manager bei einer Podiumsdiskussion, die Rotary Herzogenaurach am Montagabend veranstaltete, denn verglichen mit der Entwicklung in England, Frankreich und Spanien hinke der DFB mit seiner Frauen-Bundesliga hinterher, was Trautwein allerdings nicht nur an den Verband, sondern auch an Partner und Sponsoren adressierte: „Es muss Nachhaltig in die Infrastruktur für den Fußball der Frauen investiert werden – auf allen Ebenen.“

Das Thema „Chancen in der Vermarktung des Fußballs der Frauen“ wurde von den 30 Anwesenden im Golf-Club Herzogenaurach kontrovers diskutiert.

„Im internationalen Vergleich sieht man, was ein konsolidiertes Investment und ein strukturierter Plan mit sich bringen können“, sagte Trautwein und brachte das Beispiel der „Women's Super League“ in England an. Vor elf Jahren gegründet, gilt die Liga als weltweit mit Abstand stärkste mit einer gesunden kommerziellen Struktur – auch, weil im „Board“ neben VereinsvertreterInnen externe BeraterInnen sitzen. „Ein sehr kollaborativer Prozess“, lobte Trautwein, der hervorhob, dass der Partner „Barclays“ circa 30 Millionen Pfund über drei Jahre für sein Namensponsoring zahle. Trautwein weiter: „Die Liga konnte so professionell aufgestellt werden, dass die Aufmerksamkeit einen angemessenen Medienvertrag und ebensolche Sponsoringverträge erbringt. Getrieben ist das ganze vom Verband – die haben das Potential des Fußballs der Frauen gesehen und daran geglaubt.“ Und in Deutschland? Trautwein antwortete: „Das Potential ist in Deutschland nicht geringer, es bedarf nur der Konsequenz, die geplanten Schritte auch durchzuziehen.“

Dabei gehe es den meisten Vereinen und Spielerinnen im Fußball der Frauen hierzulande weniger um „equal pay“ als vielmehr um „equal play“. „Für sie ist meiner Einschätzung nach die Frage entscheidend: Dürfen wir die Infrastruktur der Männer nutzen? Bekommen wir die gleichen Voraussetzungen, uns zu entwickeln? Die gleiche Basis zu schaffen, ist sehr wichtig, um zu einer Annäherung zu kommen. Dann können sich Spielerinnen voll und ganz auf ihren Sport konzentrieren und müssen nicht nebenbei arbeiten. Ich glaube aber nicht, dass es eine realistische Möglichkeit gibt, in absehbarer Zeit zum equal pay zu kommen. Auch wenn es immer Fußball ist, sind der Frauen und der Männersport unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichen Wertschöpfungsketten. Aber equal play ist auf jeden Fall möglich und auch notwendig.“

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Zu Gast als Redner, u.a.: Dennis Trautwein, Managing Director von Octagon Germany & France

Zumindest auf Verbandsebene könne eine Besserstellung der Frauen in finanzieller Hinsicht bald kommen: „In einigen Nationen wurden Prämien der Nationalteams angeglichen“, sagte Trautwein. Auch dem DFB, der laut des langjährigen PUMA-Marketingleiters Helmut Fischer „leider so manch gute Idee blockiert“, wenn es darum geht eventuell sogar Aktionen wie die Social Media Kampagne „She moves us“ gemeinsam mit dem Rivalen ADIDAS durchzuführen, schlug Trautwein eine solche Gleichberechtigung vor: „Der Umsatz aus dem Männerfußball ist für den Verband natürlich ein anderer, deswegen ist es rein betriebswirtschaftlich betrachtet schwierig, den Frauen gleichviel zu zahlen. Aber es aus reiner Überzeugung zu tun, wäre möglich – das könnte der DFB finanziell verkraften, und vielleicht ließe sich für diese Idee auch aus dem Kreis der Partner und Sponsoren Befürworter finden, die das entsprechend unterstützen.“

Bezogen auf „equal play“ stimmte Holger Schwiewagner zu, Geschäftsführer der Spielvereinigung Greuther Fürth. Die dortige Frauenmannschaft spielt in der Bayernliga. „Wir haben uns für equal play entschieden. Wir wollen die Breite fördern. Wir bieten exzellente sportliche Voraussetzungen, sagen unseren Spielerinnen aber auch bewusst, die Schwerpunkte sind Schule, Ausbildung, Beruf. Haben wir eine Spielerin mit herausragendem Talent, sind wir bereit, sie abzugeben.“

Zur aktuell erhobenen Forderung, Spielerinnen in der ersten und zweiten Bundesliga sollten ein Grundgehalt von 2000 bis 3000 Euro brutto im Monat erhalten, sagte Harald Sauer, Vorstand Mädchen- und Frauenfußball beim 1. FC Nürnberg: „In der zweiten Liga, in der wir spielen, besteht bereits die halbe Liga aus zweiten Mannschaften von Erstligisten.“ Das geforderte Grundgehalt wäre wünschenswert, es würde diesen Effekt indes gleichzeitig stimulieren, so Sauer – und sei aktuell ohnehin unrealistisch: „Wir würden dann mit zwei Spielerinnen auflaufen.“

Was beide Vereinsvertreter hervorhoben, war das „Besondere“ am Frauenfußball: „Der Männermarkt ist sehr Geld getrieben, ein Verdrängungswettbewerb“, sagte Schwiewagner, „bei den Frauen stehen der Fußball, der Teamgeist im Mittelpunkt, dass man sich über gute Trainingsbedingungen, eine gute Ausrüstung freut, dass man gemeinsam Sport macht. Ehrgeiz ja, Verbissenheit nein.“

Trautwein brach trotzdem eine Lanze für den Profi-Fußball der Frauen in den großen Lizenzklubs aus der Männer-Bundesliga. „Für mich hat das fast nur Vorteile für den Fußball der Frauen, wenn sie die Infrastruktur des Männerbereichs mitnutzen. Denn diese Professionalisierung trägt unheimlich viel dazu bei, alle anderen Marktmechanismen, die dahinter hängen, auszulösen: Sponsorengelder, Zuschauereinnahmen, Medienerlöse. So werden alle weiteren Schritte einfacher, weil das Produkt einfach attraktiver wird.“
Um für dieses Produkt zu werben, bräuchten die Partner ein durchdachtes, authentisches Storytelling: „Das ist der Kern einer jeden Partnerschaft“, sagte Trautwein, der hervorhob, dass man gerade auch im Bereich Social Media schon für geringe Beträge gute Erfolge als Partner/Sponsor einer Mannschaft im Fußball der Frauen oder einer Einzelspielerin erzielen könne.

Trautwein weiter: „Partner sollten den Fußball der Frauen auch in der Breite fördern. Wenn man in den Fußball der Frauen investiert, muss man das auch als Invest in den Sport als solchen, nicht nur als Invest in die Spitze sehen.“

Einig waren sich die TeilnehmerInnen, dass die Medien eine wichtige Rolle in der Verbreitung des Fußballs der Frauen spielten – diese aber nicht immer gut ausfüllten. „Es ist leider immer noch eine eventbezogene Begeisterung“, sagte Elisabeth Schlammerl, die Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS). „Die Berichterstattung geht bei EM und WM rauf, kippt dann aber ab – die traditionelle Bundesligaberichterstattung wie bei den Männern findet bei den Frauen nur sehr spärlich statt. Allerdings wurde 2011 auch eine große Chance vergeben, weil die deutschen Frauen so früh ausschieden. Es geht überall um Click-Zahlen – lässt das Interesse der LeserInnen nach, sinkt auch die Bereitschaft der Medienhäuser, über Frauenfußball zu berichten.“

Mit einem Beispiel aus dem Motorsport schlug Sören Zinner den Bogen zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen. In Carrie Schreiner und Sophia Floersch hat Schaeffler zwei erfolgreiche Rennfahrerinnen als Markenbotschafterinnen. Der Direktor Corporate Sponsoring der Schaeffler Technologies AG & Co. KG sagte: „Wir wollen, dass es normaler wird, dass Mädchen auf die Kartbahn gehen, um die Grundgesamtheit an weiblichen Talenten zu erhöhen, damit es völlig normal wird, dass Frauen gegen Männer Auto fahren.“ Mit Carrie Schreiner und Sophia Floersch ist ein Anfang gemacht. Doch Zinner reicht der Blick auf den Sport nicht. Er sagte: „Wir wollen die Eintrittsbarrieren für junge Frauen und Mädchen deutlich niedriger machen – auch in Mechaniker- und Ingenieurs-Berufe. Diesen Transfer wollen wir ins Unternehmen schaffen. Schaeffler ist an ähnlicher Stelle wie der Motorsport: Man hat die Wichtigkeit eines Themas erkannt, ist aber noch nicht da, wo man hinwill.“

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