Business Goals (7) - Perspektivwechsel gettyimages.de
Die WM-Kolumne von Dennis Trautwein

Business Goals (7) - Perspektivwechsel

  • Dennis Trautwein
Die FIFA WM ist auf der Zielgeraden. Kroatien gegen Frankreich im Finale – ich bin mir sicher, wer vor dem Turnier Geld auf dieses Endspiel gesetzt hat, kann sich jetzt über eine nette Summe freuen. Russland ist im Viertelfinale dramatisch ausgeschieden, aber welchen Eindruck haben sie als Gastgeber hinterlassen? Egal mit wem ich bis dato gesprochen habe, die Fans sind voll des Lobes für die reibungslosen Abläufe rund um das Turnier und die freundliche Stimmung in den Straßen.
Wie anlässlich jeder WM stellt sich die berechtigte Frage nach der Nachhaltigkeit. Eine WM ist ja eine Riesenchance für das Austragungsland. Über Südafrika beispielsweise habe ich ja zu Beginn unserer Textreihe bereits geschrieben. Auch der Effekt der WM 2006 – das ‚Sommermärchen’ – war langfristig spürbar. Unser Image bekam eine neue Note. Die Welt sah Deutschland fortan mit etwas anderen Augen. Man darf gespannt sein, inwieweit Russland einige der positiven Entwicklungen auch in die Zeit nach der WM retten kann.

Ein weiteres großes Thema, vor allem bei uns in Deutschland, ist die Kommerzialisierung des Fußballs. Hierzu einige relativierende Gedanken: Sicher, der Fußball hat eine extreme Entwicklung durchlaufen, nicht nur im WM-Kontext, sondern auf allen Plattformen: Bundesliga, Premier League, EM ... – überall hat der Kommerzialisierungsgrad zugenommen. Zwar müssen alle Beteiligten den Anforderungen und Erwartungen an das Produkt Fußball Tribut zollen, doch auch der Fan, der Konsument entwickelt höhere Ansprüche an die Basisleistung im Fußball, im Stadion – ebenso wie an den Lebensstandard im Alltag. Dies gilt nicht für alle Fans, aber für die breite Masse. Traditionalisten und Romantiker müssen sich klarmachen, dass ein bestimmtes Maß an Komfort und Entertainment, woran auch sie sich vor Ort längst gewöhnt haben, nicht mehr gewährleistet wäre. Das, was viele Fans konstatieren und das, was sie insgeheim erwarten, stimmt nämlich nicht immer überein. Es gibt da mitunter eine Diskrepanz zwischen dem, was sie sagen und fühlen.

Inflation und steigende Preise sind überall spürbar, auch im Entertainmentbereich. Das muss man im Zuge der Preisdebatte berücksichtigen. Kann sich der Fan Live-Fußball noch leisten? Der Besuch eines Bundesligaspiels mit der ganzen Familie, die Tickets, das Bier, die Wurst, das Eis ... – da ist man schnell über 100 Euro los. Vor 20, 30 Jahren war das alles noch erschwinglich ... Die Argumentation ist hinlänglich bekannt. Aber: Vor 20, 30 Jahren ging man auch noch nicht mit der ganzen Familie ins Stadion. Wir reden heutzutage über ein ganz anderes, neues Produkt. Das Stadion-Erlebnis hat sich mit den gewachsenen Ansprüchen an Service und Komfort geändert. Darum kann man dieses Produkt auch nicht mehr so günstig anbieten wie früher.

Mit Blick auf den Ligabetrieb ist die Kostenentwicklung natürlich grenzwertig. Als Fan einer Vereinsmannschaft mit 17 Heimspielen schlägt die finanzielle Belastung – je nach Kategorie – ziemlich ins Kontor. Darüber muss sich die DFL sicher Gedanken machen, mit den Vereinen und den Fans kommunizieren und deren Befindlichkeiten ernstnehmen. Aber ein WM-Spiel ist nicht Teil eines Massenbetriebs. Klar: Das Live-Erlebnis WM ist teuer. Rund 100 Euro kostete ein günstiger Platz in der Vorrunde. Aber es ist etwas anderes, ein WM-Spiel zu sehen als ein Ligaspiel. Das kann man nicht vergleichen. Wenn ich als Fan WM-Karten bekommen kann, kaufe ich mir auch Karten für Togo gegen Frankreich, denn dann bin ich dabei. Eine WM steigt nur alle vier Jahre und ist somit ein exklusiveres Gut. Das muss man auch in einem kulturellen Kontext betrachten.

In Russland hatte die FIFA erneut eine etwas preiswertere Ticket-Kategorie, die nur für Einheimische zugängig war. Auch das brachte Kritik, die Idee aber war und ist aus meiner Sicht richtig. Mit Blick aufs Finale steigen die Preise ums bis zu fünf- oder sechsfache. Aber ein Finale ist fraglos so etwas wie ein Once-in-your-Lifetime-Erlebnis, auch wenn dort wahrscheinlich nicht der beste Fußball auf der Welt gespielt (den sieht man im Champions League Finale). Doch darum geht es auch gar nicht bei der WM. Sie ist ein großes interkulturelles Fest, bei dem sich viele Nationen treffen. Das Finale ist der krönende Abschluss. Das ist der wahre Anspruch den man als Fan an dieses Spektakel haben sollte.

Darum dürfen wir magische, faszinierende Momente erwarten am Sonntag. Wohin danach die Reise geht, was wir mit Blick auf kommenden WM-Turniere erwarten können, welche Märkte spannend werden und warum man auch mal die FIFA-Brille aufsetzen sollte, beleuchte ich in meiner abschließenden Kolumne nach dem Endspiel.

Ihr Dennis Trautwein!


trautweinZur Person: Dennis Trautwein

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war auch Dennis Trautweins ganz persönliches Sommermärchen – die erste WM-Teilnahme des damals 26-Jährigen: Sein Job im WM-Organisation-Komitee war der perfekte Einstieg ins Berufsleben. Und ein prägender. Denn Fußball-Weltmeisterschaften sollten auch nach seinem Wechsel zu Octagon Germany im Jahr 2007 eine große Rolle für den heute 38-Jährigen spielen. Sein strategischer Fokus lag in der Folge auf den FIFA WM-Turnieren 2010, 2014 – und aktuell natürlich auf der WM 2018 in Russland. Dennis Trautwein ist hierzulande einer der führenden Sportmarketingexperten – und absoluter Szenekenner.








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