Business Goals (6) – Heiße Duelle, kühles Bier gettyimages.de
Die WM-Kolumne von Dennis Trautwein

Business Goals (6) – Heiße Duelle, kühles Bier

  • Dennis Trautwein
England besiegt den WM-Fluch und gewinnt im Elfmeterschießen – das allein zeigt schon, dass diese WM weiter für Überraschungen sorgt. Vor ein paar Tagen mussten sich auch die hochgehandelten Spanier auf den Heimweg machen. Die Begeisterung nach dem Sieg der Sbornaja hautnah zu erleben, war etwas Besonderes. Drei Jahre lang habe ich vergeblich versucht, meinen russischen Kollegen zu vermitteln, dass sie ans eigene Team glauben müssen – die 120 Minuten letzten Sonntag und das linke Bein von Igor Akinfeev waren hier offensichtlich wesentlich erfolgreicher als ich. Autokorsos und tanzende Menschen findet man in den Straßen von Moskau sonst nur nach den großen Erfolgen des Eishockey-Teams.
So dürfen wir uns auch ohne deutsche Beteiligung auf dramatische Begegnungen im Viertel- und Halbfinale freuen. Zum TV-Erlebnis gehört da für viele Fans natürlich auch das ein oder andere kühle Bier. Das ist vor Ort im Stadion oder auf einem der Fan-Feste nicht anders. Zuhause kommt das Bierchen aus dem Kühlschrank oder der Kühlbox im Garten. Aber woher bekommt es der Anhänger im Stadion eigentlich?

Hinter dieser gefühlten Selbstverständlichkeit steht ein über Jahre ausgeklüngeltes Procedere, verbunden mit langen Dialogen und Verhandlungen zwischen zahlreichen Dienstleistern, Lieferanten und den Rechtehaltern der FIFA. Der offizielle WM-Bierlieferant und Exklusiv-Partner der FIFA ist die Großbrauerei AB InBev (u.a. Budweiser, Corona, Stella Artois) – einer unserer Kunden bei dieser WM. Und für den lautet die Frage tatsächlich: Wie kommt das Bier ins Stadion und wie bleibt es dort vor allem auch kalt? Denn ein warmes Bier und ein negatives Konsumerlebnis für den Fan im Stadion ist so etwas wie der Super-GAU für den jeweiligen Bierpartner. In solch einem Fall hätten wir sofort ein Marketing-Problem, denn wenn ein Kunde sein Produkt nicht so präsentieren kann, wie es beim Konsumenten ankommen soll, ist jedwede Kampagne um den Verzehr herum nutzlos. Lauwarmes Bier würde einen riesigen Image-Schaden für die Marke anrichten.

In Russland ist der Bierausschank in Stadien gesetzlich verboten, für die Zeit der WM aber gibt es eine Ausnahmegenehmigung. Die FIFA regelt so etwas vorher mit dem Austragungsland und hat natürlich ein Food & Beverage Programm aufgelegt, das alle relevanten Fragen bis ins kleinste Detail definiert: Welche Produkte es vor Ort gibt. Was in den Stadien verkauft wird. Was auf den Fan-Festen. Wo rund ums Stadion die Grenzen des Exklusiv-Ausschanks verlaufen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Bis das Bier im Stadion ist, haben wir eher weniger Berührungspunkte mit den Vertragspartnern. Aber mit den Abläufen und Touchpoints im Stadion und unmittelbar drum herum kennen wir uns nun, da wir unsere dritte WM mit AB InBev beschreiten, bestens aus. Wir begleiten daher in Russland auch das sogenannte Stadium Concessions Programme, den Abverkauf vor Ort.

Natürlich ist der Kunde in seinem Metier maßgeblich und auch Experte. Aber gerade wenn er in einen Markt wie Russland geht, in dem Abläufe dieser Größenordnung normalerweise nicht existieren, weil es verboten ist – und das wird 2022 in Katar nicht anders sein –, gibt es unsererseits viele Erfahrungen aus der Vergangenheit, die wir beratend einbringen und anwenden können. Das hilft dem Concessionaire vor Ort, der sich auch in dem speziellen, uns aber vertrauten FIFA-Umfeld erst einmal zurechtfinden muss.

Wie sieht die Distribution und Logistik aus? Können unsere Produkte ins Stadion geliefert werden? Sind Kühlung und Nachschub gewährleistet? Wie sieht es mit den Lagerflächen aus, sind diese ausreichend trocken und richtig temperiert? Ist am Spieltag sichergestellt, dass es ausreichend Personal vor Ort gibt? Die Checkliste ist lang, sehr lang und hinter jedem einzelnen Punkt verbirgt sich eine Menge Arbeit. Das Staff-Briefing ist elementar wichtig. Die rekrutierten Bud-Verkäufer in ihrem Bud-Outfit sollen zum Beispiel keine Coca Cola-Produkte ausschenken.

Bis alle Abläufe und alle Player aufeinander abgestimmt sind, wird eine Menge geübt. Es gibt etliche Testphasen, beispielsweise beim Confed-Cup im Jahr vor der WM. Der ist zwar ungleich kleiner, aber dennoch ein sehr guter und wichtiger Indikator, wie solche Prozesse ablaufen, was schon gut läuft und wo nachjustiert werden muss. Denn es geht letztlich um eine ganze Menge Bier, die bei der WM verkauft wird – 2014 waren es in den Stadien über drei Millionen Einheiten. Fußballfans sind durstig!

Ob mit einem kühlen Bier oder einem anderen Getränk in der Hand: Ich hoffe, wir alle erleben tolle Viertel- und Halbfinalspiele. Ich melde mich vor dem Endspiel wieder. Dann geht es um die Entwicklung des Weltfußballs und weitere spannende Themen. Bis dahin!

Ihr Dennis Trautwein!


trautweinZur Person: Dennis Trautwein

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war auch Dennis Trautweins ganz persönliches Sommermärchen – die erste WM-Teilnahme des damals 26-Jährigen: Sein Job im WM-Organisation-Komitee war der perfekte Einstieg ins Berufsleben. Und ein prägender. Denn Fußball-Weltmeisterschaften sollten auch nach seinem Wechsel zu Octagon Germany im Jahr 2007 eine große Rolle für den heute 38-Jährigen spielen. Sein strategischer Fokus lag in der Folge auf den FIFA WM-Turnieren 2010, 2014 – und aktuell natürlich auf der WM 2018 in Russland. Dennis Trautwein ist hierzulande einer der führenden Sportmarketingexperten – und absoluter Szenekenner.





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