Auf der Piste werden die Teamkolleginnen zu Konkurrentinnen Ralf Kuckuck, DBS-Akademie (beide Bilder) -- Anna Schaffelhuber
Anna Schaffelhuber und Anna-Lena Forster auf dem Weg nach PyeongChang

Auf der Piste werden die Teamkolleginnen zu Konkurrentinnen

  • Redaktion
Road to PyeongChang: Anna Schaffelhuber und Anna-Lena Forster kämpfen in derselben Startklasse um Medaillen – Während die eine aus dem großen Schatten ihres einstigen Vorbilds treten will, sieht die andere den Druck bei den Gegnerinnen.
Vor vier Jahren räumte Anna Schaffelhuber alles ab. Fünf Starts, fünf Siege bei den Paralympischen Spielen in Sotschi 2014 – eine außergewöhnliche Bilanz. Die querschnittgelähmte Monoskifahrerin hat in Russland Geschichte geschrieben, wurde zum Gesicht der Spiele. Ebenfalls sehr erfolgreich war bei ihrer Paralympics-Premiere Teamkollegin Anna-Lena Forster mit drei Medaillen. Beide treten in derselben Startklasse an, sind Kontrahentinnen im Kampf um Edelmetall. Damals hatte Forster keine Probleme mit ihrer Rolle als Nummer zwei – doch jetzt will sie heraus aus dem Schatten.

In Sotschi war die Radolfzellerin mit 18 Jahren das Küken der Deutschen Paralympischen Mannschaft. Dass sie von ihrer Premiere zwei Silber- und eine Bronzemedaille mit nach Hause nehmen würde, davon hätte die Monoskifahrerin zuvor wohl nicht einmal zu träumen gewagt. Doch inzwischen hat sich Forster längst in der Weltspitze etabliert – und Paralympics-Gold ist diesmal kein Traum, sondern ihr klar formuliertes Ziel. „Damals war die Teilnahme an den Spielen mein großes Ziel und alles andere Zugabe“, erinnert sie sich. „Jetzt ist es eine andere Ausgangsposition: Ich möchte im Slalom Gold gewinnen“, betont die 22-Jährige, der von Geburt an das rechte Bein fehlt und deren linker Oberschenkel verkürzt ist. Schließlich hat sie auch keinen Grund sich zu verstecken. Anna-Lena Forster gewann bereits mehrere Weltcup-Rennen, holte 2016 den Gesamt-Weltcup bei den Monoskifahrerinnen und lag bei der Weltmeisterschaft 2017 im Slalom nur ganz knapp hinter Anna Schaffelhuber, die die Startklasse der Damen sitzend seit Jahren dominiert.

Anna Schaffelhuber wurde für Anna-Lena Forster vom Vorbild zur Konkurrentin

In Sotschi hatte Forster noch kein Problem mit ihrer Rolle als Nummer zwei. „Anna war anfangs mein Vorbild. Ich musste mich erst einmal herankämpfen, es hat mir enorm viel gebracht, dass wir zusammen trainiert haben und den gesamten Winter gemeinsam unterwegs waren“, sagt die Athletin des BRSV Radolfzell. Es sei jedoch auch nicht immer einfach gewesen, nur im Schatten zu stehen und stets die zweite Geige zu spielen. Doch Anna-Lena Forster entwickelte sich weiter, verkürzte die Abstände – und das Vorbild wurde zur Konkurrentin. „Am Hang kämpft jeder für sich, aber abseits der Piste machen wir auch Späße über die Situation und haben uns gut damit zurechtgefunden“, erklärt Forster. Das ändert freilich nichts an ihrem Vorhaben: Sie will heraus aus Schaffelhubers Schatten.

In den Flieger wird sie nach einer guten Weltcup-Saison mit einem positiven Gefühl steigen, gemischt mit Aufregung und Anspannung. Auch aufgrund ihrer eigenen Erwartungshaltung. „Ich bin mir bewusst, dass ich damit für mich selbst Druck auslöse, doch ich möchte mein Bestes geben“, sagt sie und fügt nach kurzer Pause an: „Und eine Goldmedaille holen.“

Anna Schaffelhuber Anna Lena Forster
Anna Schaffelhuber (li.)und Anna-Lena Forster

Den Gold-Traum hat sich Teamkollegin Anna Schaffelhuber in Sotschi 2014 gleich fünfmal erfüllt. Nun will die 25-Jährige bei den Paralympics in PyeongChang erneut angreifen – mit der nötigen Portion Gelassenheit statt mit Verbissenheit. Zu Saisonbeginn war das noch anders. „Da habe ich mir ziemlich großen Druck gemacht. Ich habe häufig den Vergleich gesucht zu der Situation vor vier Jahren. Vor Sotschi hatte ich bereits eine sehr gute Weltcup-Saison, diesmal lief es anfangs in den Rennen noch nicht richtig rund, auch wegen der schwierigen Bedingungen auf den Pisten“, sagt Schaffelhuber. Die Athletin des TSV Bayerbach schaffte es in den ersten Weltcups zwar aufs Podium, doch nicht ganz nach oben. Vielleicht waren es auch solche Erfahrungen, die zu einem Umdenken geführt haben. Weniger Verbissenheit, mehr Gelassenheit. „Ich sehe es jetzt deutlich entspannter als vor ein paar Monaten“, sagt Schaffelhuber und fügt an: „Mittlerweile freue ich mich richtig auf die Spiele.“

Keine Tiefstapelei: „Ich möchte fünf Mal das Optimum auf die Piste bringen“


Denn: Auch wenn sie diesmal nicht mit fünf Goldmedaillen im Gepäck nach Hause reisen sollte, geht die Welt für Anna Schaffelhuber nicht unter. „Den Druck haben die anderen. Ich habe die Goldmedaille in jeder Disziplin gewonnen, die nimmt mir keiner mehr. Eine Wiederholung von Sotschi wird extrem schwer“, weiß sie. Damals habe einfach alles gepasst, auch das nötige Quäntchen Glück war vorhanden. Von Tiefstapelei hält sie jedoch freilich nichts. „Ich möchte es fünf Mal probieren, möchte fünf Mal das Optimum auf die Piste bringen. Dann wird sich zeigen, was dabei herauskommt“, betont die fünffache Paralympics-Siegerin und schiebt mit dem bekannten Ehrgeiz hinterher: „Mein Ziel und Anspruch ist es, dass ich nach vorne fahre.“

Doch das wollen ihre Konkurrentinnen verhindern – auch Anna-Lena Forster. „Das werden sehr enge Rennen. Im Slalom ist Anna-Lena die Hauptkonkurrentin. Wir pushen uns gegenseitig, das ist gut für die Leistungsentwicklung“, sagt Schaffelhuber, die wie Forster vom Bundesministerium der Finanzen gefördert wird. Ihrer Favoritenrolle ist sich die 25-Jährige bewusst. „Man steht dadurch immer unter Beobachtung. Das war anfangs ungewohnt, aber das gehört dazu.“ Schließlich hat sich die Bayerbacherin dies mit ihren fünf Siegen in Sotschi selbst „eingebrockt“. Anschließend war sie auch neben der Piste in aller Munde. Bei Markus Lanz, im „Aktuellen Sportstudio“, bei Ehrungen und Empfängen – Schaffelhuber war überall.

„Ich hätte nicht erwartet, dass ich nach Sotschi so lange im Fokus bleibe. Die Aufmerksamkeit ist natürlich schön und wichtig für unseren Sport, doch es ist schwierig, allem gerecht zu werden. Die Belastung war groß, irgendwann brauchte ich auch wieder mehr Zeit für mich“, berichtet die Lehramtsstudentin. Rückblickend seien es Erlebnisse und Erfahrungen gewesen, die sie geprägt hätten. „Doch als Mensch habe ich mich dadurch nicht verändert. Ich bin die gleiche Tochter, Schwester und Freundin wie zuvor.“

Jetzt, vier Jahre später, stehen erneut die Paralympics vor der Tür. Wieder sind es fünf Starts – und fünf Gelegenheiten, um Geschichte zu schreiben. „Doch jetzt kommt ein neues Kapitel“, stellt Anna Schaffelhuber klar. Nach dem durchwachsenen Start in die Saison hat die 25-Jährige bei der Generalprobe in Kanada ein Ausrufezeichen gesetzt. In vier Rennen feierte sie drei Weltcup-Siege. „Das war wichtig für den Kopf und gibt mir Selbstvertrauen.“ Am 4. März hebt der Flieger Richtung Südkorea ab. Auf zum großen Highlight: fünf Starts, fünf Chancen – und auf der Piste werden sich Anna Schaffelhuber und Anna-Lena Forster nichts schenken.

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