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Handballer Pekeler: Keine Zeit für Weihnachten

  • Frank Heike und Frank Schneller / Medienmannschaft
Ein besinnliches Weihnachtsfest im Kreise der Familie am Ende eines spektakulären Jahres – nicht für die Spieler der Handball-Bundesliga und schon gar nicht für Hendrik Pekeler. Für ihn bedeuten die Feiertage: Stress. Alle Jahre wieder. Zur Ruhe kommen – das wird nichts. Zwei Spiele, viel Zeit auf der Autobahn, Training statt strahlender Kinderaugen.
Die Rhein-Neckar Löwen hat es diesmal besonders übel erwischt: Gestern stand die Reise nach Kiel an – der Titelverteidiger gewann die Partie verdient mit 29:26. Heimfahrt gestern, am 22. Dezember, Übungsstunde einen Tag später, dann Heiligabend. Pekeler, der in seiner alten Heimat viermal traf, sagt: "Am 25. ist morgens Training, dann fahren wir nach Magdeburg. Dort spielen wir am 26.12. Das kann doch nicht sein! Das hat der Spielplangestalter einfach schlecht gemacht. Ein Heimspiel am zweiten Feiertag gegen Balingen, Stuttgart, Göppingen – das ist okay. Aber zweimal auswärts? So weit entfernt? Das ist sehr familienunfreundlich."

Seit einem Jahr gehört die kleine Fine Sophia zur Familie Pekeler, der große Stolz Hendriks und seiner Freundin Johanna, die aus Kiel stammt. Seit er eine Familie hat, fällt ihm das häufige Reisen mit den Löwen und der Nationalmannschaft noch schwerer. Immerhin plant Hendrik Pekeler ab dem 27. Dezember eine längere Reise heim nach Glückstadt, zu seinen Schwestern Jenny und Steffi und den Eltern Heike und Hein. Auch Hendriks Oma möchte die kleine Urenkelin schließlich gern sehen. "Man muss schon mal vier bis fünf Tage frei haben, damit es sich lohnt", sagt Hendrik Pekeler, der mit seinen Liebsten (und zwei Hunden) im ländlichen Malsch wohnt. Der Ort hat 3000 Einwohner. "Das ist mitten in der Natur, einfach entspannt mit den Hunden, da hätten Mannheim oder Heidelberg nicht gepasst", sagt er, "und es sind nur zehn Minuten zur Trainingshalle nach Kronau." Dort befinden sich die Wurzeln der Rhein-Neckar Löwen.

Seine sind woanders. Pekeler, 25 Jahre alt, geboren in Itzehoe. Das Badische Idiom hat er kein bisschen angenommen, hörbar Norddeutsch ist er unterwegs, "und das ist auch gut so", sagt Hendrik Pekeler, Spitzname "Peke" lachend. Er kommt sofort ins Rollen, wenn man mit ihm über früher spricht, die Anfänge beim ETSV Glückstadt, dann in Herzhorn und Bramstedt. Schwester Jenny brachte Hendrik mit zum Handball. Dort entdeckte ihn Anfang des Jahrtausends Gert Adamski, damals Landestrainer des Schleswig-Holsteinischen Handballverbandes.

"Hendrik war doppelt so groß wie alle anderen", sagt Adamski schmunzelnd, "und ich kann mich an ein Turnier in Lübeck erinnern, da bekam er die Rote Karte, nur, weil ein Gegenspieler in ihn reingelaufen war. Der Kleinere fiel um, dabei hatte Peke nur die Arme ausgebreitet." Der "kleine" (große) Pekeler verstand die Welt nicht mehr. Seine Erinnerung an Gert Adamski ist eine andere. Eine mit Wirkung: "Gert war ein harter Hund", sagt Pekeler, "er hat mich immer angetrieben. Darüber haben wir gerade erst beim Supercup in Stuttgart wieder gescherzt." Adamski brachte ihn damals in den Nachwuchskader des Deutschen Handballbundes. Und dann – geriet einiges ins Rutschen.

Man könnte einen kompletten Text über Hendrik Pekelers verschlungene Wege vom Talent im schleswig-holsteinischen Süden zum Europameister 2016 schreiben, und die Story wäre zunächst nicht besonders vorteilhaft für Pekeler, denn sie handelt davon, wie ein Jungstar beim THW Kiel drauf und dran ist, sein Talent zu verschleudern. Viele Partys, falsche Freunde. Pekeler sagt: "Ich lese das heute noch über mich. Ich finde, das Thema ist ausgelutscht. Das sind Sachen, die vor sieben, acht Jahren passiert sind. Die Stories holen mich ein. Das wird sich nicht ändern. Damit muss ich leben."

Pekeler geht entspannt mit der Vergangenheit um – das kann er auch, denn es hat sich ja alles zum Guten gewendet. Er sagt: "Als ich aus Kiel weggegangen bin, hat es bei mir Klick gemacht. Ich habe mich dank Martin Heuberger in der Junioren-Nationalmannschaft wieder auf Handball konzentriert. Auch HaDe Schmitz beim Bergischen HC hat mich gefördert. Ich habe dort ab 2010 einen Wandel vollzogen." Da hatte er die "Umerziehung" vom Rückraumspieler zum Kreisläufer längst hinter sich – einst initiiert übrigens von Klaus-Dieter Petersen, vormals Profi des THW und Verbands-Jugendtrainer.

Pekelers Ruhe, Länge und Gewandtheit machen ihn zum idealen Kreisläufer. Seine perfekte Verwendung fand er in diesem Januar, bei der EM: Als Zwei-Mann-Mauer mit Finn Lemke stoppte Pekeler alle. Das gelang besonders beeindruckend im Finale gegen Spanien. Er sagt: "Die Europameisterschaft war auch für mich persönlich der Dosenöffner. Da ist mein Name neben Andi Wolff, Tobi Reichmann, Finn Lemke und anderen in den Vordergrund gerückt." Als Sahnehäubchen auf EM und Meisterschaft kam noch Olympia-Bronze drauf.

Doch ein stressiges Jahr im DHB-Dress und bei den Löwen, für die er seit 2015 aufläuft, hat Tribut gezollt – Pekeler hat für die WM 2017 in Frankreich abgesagt. "Ich habe mit Dagur Sigurdsson gesprochen und ihm gesagt, dass ich bereit stehe, sollte es Verletzungen geben. Aber das ist der Notfall. Ich gehe nicht davon aus, dass er eintritt." Drei Turniere in einem Jahr, dazu die aufgeblähte Champions League: Peke macht Pause. "Ich merke unheimlich, wie anstrengend gerade November und Dezember sind", sagt er, "das sind die schwierigsten Monate für Handballer. Ich möchte verzichten, weil ich einfach eine Ruhepause brauche." Da andere auch abgesagt haben, dürfte das Projekt WM ein kompliziertes werden. Pekeler sagt: "Bei der EM haben auch viele gefehlt. Es wäre schön, mal mit allen zu spielen, aber beim Handball gehören Verletzungen und Absagen leider dazu."

Eine Frage muss noch gestattet sein – wie geht es im nächsten Sommer weiter? Der Vertrag in Mannheim läuft 2018 aus, das Kieler Interesse ist verbrieft. Pekeler sagt ganz ehrlich: "Der THW ist natürlich eine Option, weil ich aus dem Norden komme. Aber ich bin bei den Löwen sehr zufrieden mit Team und Trainer. Es ist schwer, sich zu entscheiden – ich werde im April/Mai 2017 verkünden, was wir machen." Die Konkurrenz beim THW mit Wiencek und Toft Hansen schrecke ihn nicht, sagt Hendrik Pekeler noch. Warum auch? Vereinstrainer Nikolaj Jacobsen hat ihn gerade als besten deutschen Abwehrspieler geadelt.

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