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Abseits nicht erkennbar?

  • Nils Borgstedt
In einer Studie hat die Deutsche Sporthochschule Köln (DSHS) die visuelle Aufmerksamkeitsfähigkeit von Sportlern untersucht. Ein spannende Erkenntnis: Abseits im Fußball ist rein wissenschaftlich häufig gar nicht erkennbar.

Kaum ein Fußballspiel vergeht ohne mehr oder weniger hitzige Diskussionen über strittige Abseitsentscheidungen. Verständlich, verhindern oder ermöglichen selbige doch häufig Torchancen – je nachdem, ob der Schiedsrichter abpfeift oder nicht.

Verarbeitung mehrerer visueller Reize

 Den wohl schwersten Job bei der Frage, ob ein Spieler im Abseits steht oder nicht, hat der Linienrichter. Der Schiedsrichterassistent muss ohne Hilfsmittel die Situation richtig erkennen und dazu mehrere Faktoren im Blick haben: Die Offensivspieler, Passgeber, die Verteidiger und den Ball. Gerade bei langen Bällen ist ein richtiges Einschätzen der Lage nicht möglich. Das zumindest kann man aus einer Studie des Instituts für Kognitions- und Sportspielforschung der Deutschen Sporthochschule Köln schließen, die im Journal of Experimental Psychology: Applied veröffentlicht wurde.

Die Forscher um Stefanie Hüttermann und Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert ermittelten mit Hilfe des Attention Window Test die visuelle Aufmerksamkeitsfähigkeit von Sportlern in bestimmten Situationen. „Der Attention Window Test misst die maximale Aufmerksamkeitsbreite von Personen auf horizontaler, vertikaler und diagonaler Ebene. Das bedeutet, wir können untersuchen, bis zu welcher Entfernung Personen noch zwei unterschiedliche Reize wahrnehmen können, die an verschiedenen Rändern ihres Blickfeldes liegen“, beschreibt Stefanie Hüttermann das Testdesign in einer Pressemitteilung der DSHS.

Abseits oft nicht erkennbar

In der Studie ging es darum zu analysieren, ob bestimmte Personen in der Lage sind, in einer Spielsituation mehrere Reize wahrzunehmen und zu verarbeiten und so eine bessere Aufmerksamkeitsleistung besitzen als andere. Dabei stellte sich heraus, dass Experten aus Mannschaftssportarten 25 Prozent besser abschnitten als Nichtsportler. Bis zu einem Winkel von 35° haben sie noch zwei Reize wahrnehmen können.



Linienrichter müssen im Vergleich dazu bei Abseitssituationen Winkel von bis zu 100 Grad überblicken. Damit ist das visuelle Aufmerksamkeitsfenster so groß, dass es von den meisten Menschen gar nicht „überwacht“ werden kann.

„Unklar bleibt bei den Ergebnissen, ob die Sportler aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung grundsätzlich besser waren als die Nichtsportler oder ob die höhere visuelle Aufmerksamkeitsfähigkeit angeboren ist. Weitere Untersuchungen des Instituts für Kognitions- und Sportspielforschung sollen das feststellen“, informiert die DSHS weiter.

Eines steht aber jetzt schon fest: Bevor man das nächste Mal auf den Linienrichter schimpft, sollte man sich die oben beschriebenen Erkenntnisse ins Gedächtnis rufen.

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