Zwischen Ruhe und Vergnügungspark - Quo vadis, Alpenland? Christian Riedel

Zwischen Ruhe und Vergnügungspark - Quo vadis, Alpenland?

  • Christian Riedel
Suchte man früher beim Urlaub in den Alpen vor allem Ruhe und Entspannung, scheint das heute vielen Bergtouristen nicht mehr zu genügen. Entsprechend reagieren einige Tourismusgebiete auf die veränderten Ansprüche. Ob das wirklich im Sinne des Erfinders ist, muss jeder für sich entscheiden.

Kommentar:

Vor gut zwanzig Jahren war es für die meisten Alpinisten noch genug, Berggipfel zu erklimmen, gesunde Höhenluft zu atmen und beim Anblick der Berggipfel den Alltagsstress zu vergessen. Auch im Winter war man mit breiten Pisten, schönem Schnee und einem Einkehrschwung zufrieden. Doch mit der Ruhe ist es vielerorts vorbei.

Die Hektik des Alltags und die Suche nach Abwechslung und einer zusätzlichen Unterhaltung macht auch vor den Bergen nicht mehr halt. An Hüttenmusik und Beschallung in den Funparks für Wintersportler hat man sich eigentlich schon gewöhnt. In den letzten Jahren kamen Trails und Downhill-Strecken für Mountainbiker hinzu. Im Skigebiet Serfaus-Fiss-Ladis beispielsweise geht man sogar noch einen Schritt weiter: weg vom Naturerlebnis, hin zum alpinen Vergnügungspark.

Attraktionen aus dem Vergnügunspark

 

Ganzjährig stehen den Besuchern bereits drei Fahrgeschäfte zur Verfügung, denen man normalerweise eher auf einem Jahrmarkt begegnet. Zum einen gibt es den „Fisser Flieger“: Wie in einem Drachen wird man mit einem Ganzkörperanzug unter das Gerät gehängt und rückwärts den Hang hinaufgezogen. Anschließend geht es mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h wieder ins Tal.


Als zweites wäre der „Skyswing“ zu nennen: Aus einer Höhe von rund 22 Metern geht es rund 12 Metern im freien Fall und einer Belastung von 4G nach unten, bevor man wie in einer Schaukel ausschwingt.


Die dritte Attraktion nennt sich „Serfauser Sauser“. Eine solche Seilbahn, auch Zipline genannt, kennen einige vermutlich aus dem Klettergarten. Hier hängt man sich mit komplettem Klettergurt in ein Stahlseil ein und rutscht ins Tal. In Serfaus erreicht man Geschwindigkeiten über 70km/h.

Abwechslung im Sommer

 

Im Sommer gibt es in der Region besonders für Kinder noch weitere Attraktionen. Dazu gehören eine Rodelbahn auf Schienen, ein künstlich angelegter See, ein Streichelzoo und ein beschneiter Hang, auf dem man mit Schlauchreifen hinunterrutschen kann. All das sorgt für Spaß, der weit über einfaches Wandern hinausgeht. Im Winter gibt es außerdem noch spezielle Segways, mit denen man die Berge hinauf fahren kann.

Aber braucht man das wirklich? Der Erfolg scheint den Serfausern Recht zu geben. Beim „Sauser“ beispielsweise, der pro Fahrt (10 Minuten) stolze 29 Euro kostet, rutschen an guten Tagen über 100 Touristen ins Tal. Auch bei den anderen Attraktionen herrscht bei schönem Wetter Hochbetrieb. Was die Betreiber freut, ist für die traditionellen Bergurlauber ein Albtraum. Denn mit der Ruhe in den Bergen ist es definitiv vorbei. Stattdessen erinnert das Bergleben in Serfaus-Fiss-Ladis eher an einen überdimensionalen Kinderspielplatz.

Zwanghafte Unterhaltung


Aber braucht man das wirklich? Es hat den Anschein, als würden wir immer mehr verlernen, uns mit uns selber zu beschäftigen. Statt auch einmal Ruhe und Einsamkeit genießen zu können, wollen wir ständig unterhalten werden. Egal ob im Club-Urlaub, bei der Kreuzfahrt oder eben beim Wintersport – ohne Animation geht anscheinend gar nichts mehr. Einfach Urlaub machen, reicht eben nicht. Einige Areale, wie eben Serfaus-Fiss-Ladis, haben diese Zeichen erkannt und richten ihr Angebot danach aus.

Hier kann man davon ausgehen, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist, Serfaus nur eine Art Vorreiter sein wird und viele andere Gebiete mit einem ähnlichen Angebot nachziehen werden. Schließlich will niemand im harten Kampf um die Touristen auf der Strecke bleiben. Das alles geht zu Lasten der Ruhe und der Entspannung. Da der Nachwuchs bereits mit den entsprechenden Angeboten aufwächst, wird er die Ruhe womöglich erst gar nicht kennen lernen und folglich auch nicht vermissen. Ob sich die Betreiber aber wirklich einen Gefallen tun, wenn sie die Ruhe der Berge gegen den Vergnügungspark tauschen, bleibt abzuwarten. Im Hüttenbereich kann man sich dem Rummel jetzt schon kaum noch entziehen. Den einen oder anderen „antiquierten“ Bergurlauber könnte so etwas eher abstoßen.

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