Wer hat’s erfunden – Vierschanzentournee picture alliance

Wer hat’s erfunden – Vierschanzentournee

  • Marco Heibel
Am 29. Dezember startet die Vierschanzentournee der Skispringer in ihre 59. Auflage. Für viele Springer ist der Sieg in diesem Wettbewerb wertvoller als WM- oder Olympiagold. Doch wie ist die Vierschanzentournee eigentlich entstanden und wie hat sich seitdem entwickelt? Die netzathleten nehmen Euch mit auf eine Zeitreise.

Die Vierschanzentournee ist eine echte deutsch-österreichische Co-Produktion. Bei einem Treffen der Skiclubs Partenkirchen und Innsbruck entstand im Jahr 1949 die Idee, einen gemeinsamen Wettbewerb auszutragen. Da zwei Springen für eine Serie etwas zu wenig erschienen, machten sich die Verantwortlichen auf die Suche nach weiteren Austragungsorten. Bischofshofen in Österreich war schnell von der Idee überzeugt und schloss sich an. Um das Verhältnis von 2:2 zu schaffen, wurde schließlich noch eine zweite Schanze in Deutschland gesucht, wobei sich Oberstdorf gegen Oberammergau, Füssen und Berchtesgaden durchsetzte.

1953: Startschuss für die Vierschanzentournee

1952 wurde schließlich die „Deutsch-Österreichische Springertournee“ gegründet. Startschuss sollte am 1. Januar 1953 in Garmisch-Partenkirchen erfolgen, wo bereits seit 1921 alljährlich ein Neujahrspringen ausgetragen wurde. Am 4. Januar wurde in Oberstdorf gesprungen, zwei Tage später in Innsbruck und am 11. Januar schließlich in Bischofshofen. Der Sieger der ersten Tournee, bei der Springer aus immerhin sechs Nationen antraten, war der Österreicher Josef Bradl.



Bereits bei der ersten Auflage war der Zuspruch der Zuschauer und Springer so groß, dass die Zukunft gesichert war. Sogleich nahmen die Organisatoren kleinere Veränderungen vor. Die wichtigste war, dass ab der zweiten Auflage Oberstdorf den Tourneeauftakt bildete und vor das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen gezogen wurde. Diese Reihenfolge wurde beibehalten, womit die Tournee traditionell im alten Jahr beginnt und im neuen Jahr endet.

Im Lauf der fast 60-jährigen Tourneegeschichte, sind so manche kuriosen Dinge passiert. Hier sind die wichtigsten Fakten und bemerkenswertesten Meilensteine der Vierschanzentournee:

1956: Das Fernsehen wird aufmerksam

Erstmals überträgt die ARD das Neujahrsspringen live. Seit 1957 wurden sämtliche Springen live im deutschen Fernsehen übertragen (ARD/ZDF oder RTL). Die Popularität der Tournee nimmt auch international immer weiter zu.

1957 und 1958: Beinahe eine Fünfschanzentournee

Beinahe wäre es zu einer Fünfschanzentournee gekommen. In den Jahren 1957 und 1958 sollte der Auftakt an Weihnachten im thüringischen Oberhof erfolgen. Aufgrund von Reiseschwierigkeiten und logistischen Plänen wurde jedoch in beiden Jahren in Oberhof kein offizielles Springen abgehalten. Danach hat man keinen weiteren Versuch mehr unternommen, ein fünftes Springen zu integrieren.

1958: Helmut Recknagel wird erster deutscher Tourneesieger

DDR-Starter Helmut Recknagel aus Steinbach-Hallenberg gewinnt als erster Deutscher die Tournee. Er wiederholt seinen Triumph 1959 und 1961. Insgesamt ging der Tourneesieg bis heute 16-mal nach Deutschland. Nur die Finnen können da mit ebenfalls 16 Gesamtsiegen mithalten.

1960: Flaggenstreit

In der Zeit des kalten Krieges weigerten sich die deutschen und österreischen Organisatoren, die DDR-Flagge zu hissen. Als Reaktion reisen alle Warschauer-Pakt-Staaten ab.

1961: Springen auf der Baustelle

Da Innsbruck den Zuschlag sich für die Olympischen Spiele 1964 erhalten hatte, mussten einige Sportstätten neu- bzw. umgebaut werden. Die Umbauten erstreckten sich auch auf die Bergisel-Schanze. Gesprungen wurde trotzdem - auf der Baustelle.

1962-1969: Eine rein skandinavische Angelegenheit

Achtmal in Folge geht der Sieg nach Norwegen oder Finnland.

1971: Die Kommerzialisierung beginnt

Die 1970er stehen einerseits im Zeichen der Dominanz der DDR-Springer (5 Siege in 8 Jahren), andererseits hält der Kommerz vermehrt Einzug. So gibt es seit 1971 mit Intersport einen Namenssponsor. Mittlerweile wechselt das Namenssponsoring in immer kürzeren Abständen. In diesem Jahr ist der Schweizer Versicherer helvetia der Namenssponsor.

1983-1991: Die Ära Weißflog (Teil 1)

Die Achtziger waren – nicht nur bei der Vierschanzentournee – geprägt durch das Duell der beiden Jahrhundertspringer Matti Nykänen (Finnland) und Jens Weißflog (DDR). Weißflog gewinnt in dieser Phase dreimal die Tournee (1984, 1985, 1991), Nykänen zweimal (1983, 1988). Alkohol und private Probleme (Nykänen) sowie die Umstellung auf den V-Stil (beide) beenden schließlich eine Ära.

1990er Jahre: V-Stil und Ära Weißflog (Teil 2)

Mit dem Wechsel vom Parallel- auf den V-Stil kommt es Anfang der Neunziger zu einer Wachablösung. Viele „alte Hasen“ brauchen lange, um sich auf den neuen Stil umzustellen. Manche verschwinden ganz von der Bildfläche. Dem Oberwiesenthaler Jens Weißflog gelingt jedoch das Kunststück, die Tournee auch im V-Stil noch einmal zu gewinnen (1996). Noch dazu wurde er durch seinen vierten Gesamterfolg zum Rekordsieger der Tournee.

1996: Der K.O.-Modus wird eingeführt

Auf Wunsch des Fernsehens, das immer mehr an Einfluss gewinnt, führen die Organisatoren einen K.O-Modus ein, um bereits im ersten Durchgang mehr Spannung zu erzeugen. Bei diesem Modus dem der Sieger der Qualifikation gegen den 50., der 2. gegen den 49. etc. Der K.O.-Modus wird nur bei der Vierschanzentournee eingesetzt.

Später nimmt das TV weitere Modifikationen am Ablauf vor: Nach zehn Springern wird unterbrochen, um Werbung schalten zu können. Außerdem wird seit ein paar Jahren in Oberstdorf und Bischofshofen unter Flutlicht am späten Nachmittag gesprungen, um mehr Zuschauer zu erreichen.

2002: Sven Hannawald holt den Grand Slam

Ausgerechnet zur Jubiläums-Tournee, der 50., gelingt erstmals einem Springer der Sieg bei allen vier Wettbewerben: Sven Hannawald aus Hinterzarten siegt hoch überlegen vor der Konkurrenz. Vor ihm waren bereits mehr als eine Handvoll Springer nach drei Auftaktsiegen in Bischofshofen an ihren Nerven gescheitert.

2006: Es wird eng auf dem Siegertreppchen

Janne Ahonen (Finnland) und Jakub Janda (Tschechien) teilen sich den Tourneesieg. Zum bislang einzigen Mal in der mittlerweile 58-jährigen Geschichte weisen zwei Springer nach acht Sprüngen auf das Zehntel genau die gleiche Punktzahl (1081,5) auf

2008: Ahonen überflügelt Weißflog

Mit seinem fünften Tourneesieg (1999, 2003, 2005, 2006, 2008) löst der Finne Janne Ahonen Jens Weißflog als erfolgreichsten Tourneespringer aller Zeiten ab. Darüber hinaus hat die Tournee 2007/08 noch ein Kuriosum zu bieten: Aufgrund eines Sturms entfällt das Springen in Innsbruck, dafür wird in Bischofshofen zweimal gesprungen. Es ist das erste Mal, dass nicht auf vier Schanzen gesprungen wurde.

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