Wer hat’s erfunden? Catenaccio im Fußball picture alliance

Wer hat’s erfunden? Catenaccio im Fußball

  • Marco Heibel
Nach dem Vorrunden-Aus von Titelverteidiger Italien bei der WM in Südafrika war die (Schaden-)Freude außerhalb des „Stiefels“ groß. Die italienische Mannschaft, die wie keine zweite für Defensivfußball steht und damit immer wieder Erfolg hatte, war mit ihrem System am Ende. Dabei ist der Catenaccio überhaupt keine italienische Erfindung.

Die Schweiz ist vor allem für Käse, Schokolade und Banken bekannt. Doch noch eine weitere Erfindung, die eigentlich eher mit dem Nachbarland Italien in Verbindung gebracht wird, entstammt der Alpenrepublik: der Sicherheitsfußball, auch bekannt als Catenaccio.

Fußball: Aus totalem Angriff wird kontrollierte Offensive


Der Fußball hat in seiner Geschichte schon so manche Entwicklung durchgemacht. Angefangen hat alles im späten 19. Jahrhundert, als das Tore schießen wirklich noch das Ziel des Spiels war, mit einem in die heutige Zeit übertragenen 1-0-9(!) System – der Torhüter und der eine Verteidiger waren wahrlich nicht zu beneiden. Andererseits wusste man damals noch, was es heißt, das Mittelfeld zu überbrücken. Es gab nämlich keines.



Im Lauf der Jahrzehnte wurde das Spiel dann immer defensiver. Tore zu verhindern wurde irgendwann genauso wichtig, wie selbst welche zu erzielen. So wurde ab den 1920er Jahren zunächst in England und später auf der ganzen Welt das WM-System populär, bei dem die Angriffsreihe in der Form eines „W“ und die Abwehrreihe in der Form eines „M“ agierte.

Dem Österreicher Karl Rappan war dieses System im Jahr 1932 eindeutig zu offensiv. Als Trainer von Servette Genf rechnete er sich damals größere Erfolgschancen aus, wenn seine Mannschaft einen Tick defensiver spielte und auf Konter lauern konnte. Daher beorderte er einen seiner fünf Stürmer in die Abwehr und sorgte so in der Defensive für eine Überzahl. Der Sweeper, Ausputzer oder Libero war geschaffen – und mit ihm ein neues System, das zunächst als Schweizer Riegel oder Verrou (französisch für „Schloss“) von sich reden machte. Rappan führte es erfolgreich fort, u.a. als Trainer von den Grasshoppers Zürich und der Schweizer Nationalmannschaft, mit der er u.a. bei der WM 1938 Deutschland im Achtelfinale ausschaltete.

Catenaccio: Synonym für Defensivfußball


Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Sicherheitsdenken dann auch in Italien eingesetzt. Nachdem in den 1950er Jahren die Provinzvereine Padua und Triest mit extrem defensivem Fußball zumindest kurzfristig in die Phalanx der Spitzenklubs eindringen konnten, übernahmen die Großclubs wie Juventus Turin und die beiden Mailänder Vereine die Idee des „Riegels“, der ins Italienische übersetzt „Catenaccio“ heißt.

Insbesondere der Argentinier Helenio Herrera, von 1960 bis 1968 Trainer von Inter Mailand, „verfeinerte“ Rappans Riegel – eine Maßnahme, die ihm den zweifelhaften Beinamen „Totengräber des Fußballs“ einbrachte. Mit einer Art 4-5-1, manchmal auch einem 5-4-1, gewann er mit Inter zahlreiche Titel, darunter zwei Mal den Europapokal der Landesmeister. Aufgrund dieser Erfolge wurde der Catenaccio in Italien stilprägend und ist es bis heute geblieben.

Der Catenaccio - das System der Gegenwart und Zukunft?


Dabei tut man den Italienern im Nachhinein ein wenig unrecht. Wie die letzte WM in Südafrika gezeigt hat, spielen mittlerweile fast alle Nationen mit nur noch einem Stürmer, entweder in einen 4-5-1 oder einem 4-2-3-1. Einzig in der Interpretation dieses Systems unterscheiden sich die Teams noch.

Mittlerweile hat der Begriff Catenaccio nicht mehr viel mit dem zu tun, was Rappan, Herrera und Co. einst praktizierten. Vielmehr ist der er heute eher ein Synonym für einen sehr defensiven, destruktiven und ergebnisorientierten Fußball. Dass dieser erfolgreich sein kann, haben u.a. die Titelgewinne der Griechen bei der Europameisterschaft 2004 und der Italiener bei der Weltmeisterschaft 2006 gezeigt. Und solange man mit dieser Art Fußball zu spielen Erfolg haben kann, wird auch der Catenaccio ein gängiger Begriff in der Fußballsprache bleiben.

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