Rückblick auf die Bundesligasaison 2009/10 -  Teil1 picture alliance

Rückblick auf die Bundesligasaison 2009/10 - Teil1

  • Marco Heibel
Von den noch ausstehenden Relegationsspielen einmal abgesehen, ist die Bundesliga-Saison 2009/10 mittlerweile Geschichte. Die netzathleten blicken auf ein turbulentes Jahr zurück und bewerten das Abschneiden der Clubs. Den Anfang machen die Vereine auf den Plätzen 7 bis 18.

Hamburger SV: Platz 7, 52 Punkte, 56:41 Tore


Der Hamburger SV und Bayer Leverkusen unterhalten KEINE Fanfreundschaft. Vielleicht sollten beide Seiten das noch einmal überdenken. Denn was das Gefühlsleben angeht, machen ihre Fangruppen seit Jahren Ähnliches durch: Zuverlässig erspielt man sich eine gute Ausgangsposition in allen Wettbewerben, doch genauso zuverlässig weiß man sein gutes Blatt nicht auszuspielen. Dass dies allein am gemeinsamen Ex-Trainer Bruno Labbadia festzumachen ist, wäre wohl zu einfach. Dafür wiederholt sich dieses Szenario einfach schon zu lange.



Auch in der abgelaufenen Saison ist sich der HSV in dieser Hinsicht treu geblieben. Elf Hinrundenspieltage lang standen die Hanseaten auf einem der ersten drei Plätze. Dann verstärke man sich im Winter mit dem (gealterten) Weltstar Ruud van Nistelrooy, hatte das Europa League-Finale im eigenen Stadion vor Augen – und steht am Ende mit völlig leeren Händen da. Platz sieben in der Liga, Halbfinal-Aus in der Europa League. Trotz enormer Möglichkeiten wartet der HSV nun schon seit 1987 auf einen Titel (damals gewannen die „Rothosen“ den DFB-Pokal). Damals gab es noch zwei Deutschlands, Helmut Kohl war Bundeskanzler und Deutscher Meister war… na wer schon?

VfL Wolfsburg: Platz 8, 50 Punkte, 64:58 Tore


Als Armin Veh im vergangenen Sommer den Überraschungsmeister von Felix Magath übernommen hatte, waren die Ziele klar: Der VfL will und muss sich in der Spitzengruppe der Bundesliga etablieren. Um diesem Vorhaben gerecht zu werden, hatte Veh nicht nur einen exzellent besetzten Kader geerbt (Edin Dzeko, Grafite oder Zvjezdan Misimovic), sondern auch einen völlig aufgeblähten; Magath hat seinem Nachfolger die Hypothek hinterlassen, fast 40 Spieler trainieren zu müssen.

Veh ist es letztlich zwar gelungen, den Kader entscheidend zu verkleinern, ebenso wie er die Offensiv-Maschine weitgehend am Laufen hielt. Doch die VfL-Abwehr um Weltmeister Andrea Barzagli war so löchrig, dass Manager Dieter Hoeneß bereits zu Beginn der Rückrunde die Reißleine zog: Veh wurde entlassen, Amateur-Coach Lorenz Günther Köstner als Lösung bis zum Saisonende installiert. Der brachte die Mannschaft zwar wieder halbwegs auf Kurs, kam jedoch auch nicht über Platz acht hinaus. Dafür will man im nächsten Jahr mit neuem Trainer aber vermutlich ohne Superstar Dzeko wieder angreifen.

FSV Mainz 05: Platz 9, 47 Punkte, 36:42 Tore


16 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, 47 Punkte insgesamt, Platz neun am Saisonende; das ist die beeindruckende und durchaus überraschende Bilanz des Aufsteigers aus Mainz. Viele – der Autor dieses Artikels eingeschlossen – hatten die 05er nach dem Abgang von Trainer Jürgen Klopp im Sommer 2008 schon als ewigen Zweitligisten gesehen. Und nun spielte der Club um Jung-Trainer Thomas Tuchel (36), der noch vor dem ersten Spieltag Aufstiegscoach Jörn Andersen beerbte, die beste Saison der Vereinsgeschichte.

Diese Bilanz – u.a. fünftbeste Heimmannschaft, nur zwei Niederlagen am Bruchweg – in der kommenden Saison zu wiederholen, wird schwer. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Mainz positiv überrascht.

Eintracht Frankfurt: Platz 10, 46 Punkte, 47:54 Tore


Hätte man als Eintracht-Fan im vergangenen Jahr kein einziges Mal auf die Tabelle geschaut und sein Wissen über die Frankfurter nur aus Interviews von Trainer Michael Skibbe und Vorstand Heribert Bruchhagen bezogen, hätte man glauben können, dass die Eintracht bereits im Winter abgestiegen ist. Zu häufig kritisierte Skibbe die Einkaufspolitik und bemängelte die Qualität seines Kaders.

Doch am Ende stand mit 46 Punkten die beste Ausbeute seit dem Wiederaufstieg 2005 zu Buche. Nicht auszudenken, was drin gewesen wäre, wenn die einstige „Diva von Main“ in den letzten fünf Saisonspielen nicht schon einen Gang rausgenommen hätte.

TSG 1899 Hoffenheim: Platz 11, 42 Punkte, 44:42 Tore


Nicht wenige Experten haben die TSG vor der Saison für einen ernsthaften Europapokal-Anwärter gehalten. Das Team, das in der Hinrunde der Saison 2008/09 die Liga in Grund und Boden gespielt hatte, sollte sich nach der ernüchternden Rückrunde gefangen haben, so die verbreitete Meinung. Außerdem wurde das Team auf einigen Positionen verstärkt, u.a. durch den erfahrenen Innenverteidiger Joe Simunic.

Doch am Ende des zweiten Bundesliga-Jahres stand bei den Kraichgauern bloß die pure Ernüchterung: Kein Spieler konnte an seine Leistung aus dem ersten Bundesligahalbjahr anknüpfen, die Mannschaft gilt als inhomogen, und auch das Verhältnis von Trainer Ralf Rangnick und Manager (mittlerweile Ex-Manager) Jan Schindelmeiser soll am Ende alles andere als gut gewesen sein.

In den Geschichtsbüchern der Bundesliga wird nun für immer zu lesen sein: 42 Punkte, 11 Siege, 14 Niederlagen, Platz 11. Willkommen im Mittelmaß.

Borussia Mönchengladbach: Platz 12, 39 Punkte, 43:60 Tore


Borussia Mönchengladbach ist zwar gemeinsam mit Tabellennachbar Hoffenheim in die erste Liga aufgestiegen; doch im Gegensatz zu den Kraichgauern stellt der erreichte Mittelfeldplatz alles andere als eine Enttäuschung dar. Im Gegenteil: Nachdem sich die Elf vom Niederrhein vor Jahresfrist erst in letzter Minute retten konnte, bestand in dieser Saison zu keiner Zeit akute Abstiegsgefahr. Die Borussia ist – vor allem dank ihrer Heimstärke – auf dem Weg, sich wieder in der Bundesliga zu etablieren.

1.FC Köln: Platz 13, 38 Punkte, 33:42 Tore


Kaum ein Verein hat einen so großen Unterhaltungswert wie der 1. FC Köln – sofern man darauf verzichtet, sich seine Spiele anzuschauen: Daum-Abgangshysterie, Poldi-Willkommenshysterie, Novakovic-Dauerknatsch, Stinkefinger-Maniche und die stets schwankenden Leistungen sind nur ein paar Belege dafür, dass rund um das Geißbockheim immer etwas los war.

Dabei hätte diese Spielzeit den Kölnern beinahe sogar noch etwas "Zählbares" beschert: Hätte der Nürnberger Andreas Ottl in der 88. Minute des letzten Bundesligaspieltages nicht gegen den FC zum 1:0 getroffen, hätten die Kölner mit acht 0:0-Spielen einen neuen Bundesliga-Rekord aufgestellt.

Paradox: Dieser Verein, dessen Anhängerschaft nur zwei Stimmungslagen kennt (Europapokal oder Zweitklassigkeit), hat am Ende ein Ergebnis erzielt, das irgendwo dazwischen liegt, und das nach Kölner Sichtweise und Mundart "weder Fich noch Fleich" sein kann: 38 Punkte, 33:42 Tore, Platz 13.

Damit wurden einige Saisonziele (40 Punkte plus x, besserer Fußball, positive Heimbilanz, in der Tabelle vor Mönchengladbach) zwar verfehlt, das eigentliche Saisonziel wurde jedoch erreicht: Bayer Leverkusen ist NICHT Deutscher Meister geworden. Immerhin.

SC Freiburg: Platz 14, 35 Punkte, 35:59 Tore


Der Zweitligameister der vergangenen Saison hat lange Zeit agiert, wie man es von ihm gewohnt ist: Freiburg spielt gefällig nach vorne, erspielt sich relativ viele Torchancen, nutzt aber kaum welche. Dementsprechend haben es sich die Freiburger seit Mitte der Hinrunde im unteren Tabellendrittel gemütlich gemacht. Gegen Ende der Saison sahen sie dann fast schon wie ein sicherer Absteiger aus.

Doch ein Lauf von 10 Punkten aus den letzten vier Spielen bescherte den Breisgauern eine weitere Saison in der höchsten Spielklasse. Fast schon traditionell wird die No Name-Truppe von Trainer Robin Dutt schon jetzt wieder als Abstiegsanwärter für die kommende Saison gehandelt. Es gibt durchaus unangenehmere Positionen als die des unterschätzten Underdogs.

Hannover 96: Platz 15, 33 Punkte, 43:67 Tore


Ohne zu viel Pathos in die folgenden Sätze hineinlegen zu wollen, so lässt sich die Saison von Hannover 96 doch kurz und knapp zweiteilen: in die Zeit vor und die Zeit nach dem Tod von Robert Enke. Der Selbstmord des depressionskranken Kapitäns und Nationaltorhüters hat die gesamte Mannschaft ab dem Spätherbst gelähmt – und ihr möglicherweise an den letzten Spieltagen doch die Kraft gegeben, sich noch einmal aus der Abstiegszone zu befreien.

Spielen wie dem 1:4 zu Hause gegen Köln oder dem 0:7 bei Bayern München, nach denen der Gang in die zweite Liga schon besiegelt schien, stehen Willensleistungen gegenüber wie das 4:2 gegen Schalke, das 6:1 gegen Mönchengladbach oder das 3:0 in Bochum an den letzten Spieltagen. Nach dem Ende dieser wechselhaftesten Saison der Vereinsgeschichte wird es sicherlich einiges neu zu sortieren geben.


1.FC Nürnberg: Platz 16 (Relegation), 31 Punkte, 32:58 Tore


Der Club hat als Bundesligasechzehnter in den Relegationsspielen gegen Augsburg noch eine allerletzte Chance, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wer hätte das im Winter noch für möglich gehalten, als die junge Truppe von Aufstiegstrainer Michael Oenning Lehrgeld zahlte und mit fünf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer auf Rang 17 überwintern musste.

Oenning musste gehen, Dieter Hecking kam – und mit ihm einige Leihspieler (allen voran Andreas Ottl und Breno vom FC Bayern), die der Mannschaft mehr Stabilität verleihen konnten. Für den direkten Klassenerhalt hat es trotz phasenweise guter Aussichten trotzdem nicht gereicht. Vier Niederlagen in Folge an den Spieltagen 30 bis 33 waren einfach zu viel. Gegen den Zweitligadritten Augsburg ist der Club dennoch leichter Favorit.

VfL Bochum: Platz 17, 28 Punkte, 33:64 Tore


Wenn ein Verein vier Trainer in einer Saison verschleißt, spricht das schon eine deutliche Sprache. Alles andere als der Abstieg würde da verwundern. Doch der Reihe nach: Nach dem 6. Spieltag wurde Marcel Koller entlassen, der den Verein in die erste Liga geführt und dreimal in Folge den Klassenerhalt geschafft hatte. Im Umfeld regte sich dennoch Unmut, weil der VfL in der unteren Tabellenhälfte festhing. Dass eine solche Platzierung angesichts des Leistungsvermögens des VfL-Kaders völlig realistisch war, wollten viele Fans zu diesem Zeitpunkt nicht sehen.

Nach Koller übernahm zunächst der langjährige Co-Trainer Frank „Funny“ Heinemann interimsmäßig. DFB-Jugendtrainer Heiko Herrlich wurde nach dem 10. Spieltag sein Nachfolger. Nach recht verheißungsvollem Start (9 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz am 23. Spieltag) ging nichts mehr: Aus den folgenden neun Partien holte Herrlichs Mannschaft nur noch zwei Punkte, der Ex-Nationalspieler musste nach dem 32. Spieltag seinen Hut nehmen.

Wie schon Arminia Bielefeld ein Jahr zuvor, versuchte auch der VfL mit einem Last-Minute-Trainerwechsel das Blatt noch zu wenden. Das Ergebnis war das gleiche: Wie bei den Ostwestfalen Jörg Berger, konnte bei den Bochumern auch Dariusz Wosz nichts mehr bewegen. Die einstmals „Unabsteigbaren“ sind zum sechsten Mal in die Zweite Liga abgestiegen. Was den Fans Hoffnung machen sollte: Nach allen vorherigen Abstiegen gelang dem VfL die direkte Rückkehr ins Oberhaus.

Hertha BSC: Platz 18, 24 Punkte, 34:56 Tore


Größter Absturz aller Zeiten? Nein, der 1. FC Nürnberg kann den tiefen Fall von Hertha BSC noch toppen. Der „Club“ stieg in der Saison 1968/69 als amtierender Deutscher Meister (!) ab, Berlin in der abgelaufenen Saison „nur“ als Vorjahresvierter. Doch wenn man ehrlich ist, trägt der Abstieg der Hertha eher die Züge des Lokalrivalen Tasmania Berlin aus der Saison 1965/66: nur ein Heimspiel gewonnen (am 1. Spieltag mit 1:0 gegen Hannover), nur sechs Punkte in der kompletten Hinrunde geholt, und eine Nicht-Verwertung von Torchancen, die ihres Gleichen sucht. Trotz eines leichten Aufwärtstrends in der Rückrunde (18 Punkte) war am Ende nichts zu machen.

Selten hat eine Mannschaft mit einem solchen Anlauf den Gang in die Zweite Liga angetreten, selten hat ein Verein seine Fans so gegen sich aufgebracht (Tenor: „Wenn Ihr absteigt, schlagen wir Euch tot“). Doch was waren die Gründe?

Zunächst einmal hat die Hertha in der Saison 2008/09, in der sie beinahe „aus Versehen“ Meister geworden wäre, am oberen Limit gespielt und in vielen Spielen das nötige Glück gehabt. Das war nun scheinbar vollends aufgebraucht. Zum anderen haben vor der Saison viele Leistungsträger den Verein verlassen: Andrej Voronin, Marko Pantelic und Josip Simunic, die nicht gleichwertig ersetzt wurden.

Nach dem Abstieg droht die teure Mannschaft nun zu zerfallen. Der Verein ist bemüht, für sein Tafelsilber möglichst viel Geld herauszuschlagen. Doch davon muss man erst eine neue Mannschaft „zusammenbasteln“ und – nicht ganz unwichtig – einen neuen Trainer vom der Realisierbarkeit des Projekts Wiederaufstieg überzeugen.

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