Wer hat’s erfunden? - Wie Jimmy Hill den Fußball verändert hat picture alliance

Wer hat’s erfunden? - Wie Jimmy Hill den Fußball verändert hat

  • Marco Heibel
In England kennt ihn vermutlich immer noch jedes (fußballinteressierte) Kind. Hierzulande weiß jedoch kaum jemand, dass der Fußball wie wir ihn heute kennen ohne Jimmy Hill kaum möglich gewesen wäre.

Normalerweise stellen die netzathleten in unregelmäßigen Abständen Persönlichkeiten vor, die für eine bestimmte Neuerung in der Sportwelt verantwortlich waren. Dieses Mal ist es etwas verzwickter. Es geht quasi um den Daniel Düsentrieb des Fußballs, mit einer einzigen Erfindung ist es bei folgendem Herrn nicht getan.

Den Engländer Jimmy Hill (Jahrgang 1928, Spitzname „The Chin“/„Das Kinn“) mit irgendeiner deutschen Fußballpersönlichkeit zu vergleichen, fällt schwer. Es gibt vermutlich niemanden auf diesem Planeten, der im Fußball in so vielen Bereichen gearbeitet hat wie „Mr. Football“. Doch der Reihe nach.

Hill begann seine Laufbahn als durchaus passabler Mittelfeldspieler, er absolvierte zwischen 1949 und 1961 über 350 Spiele in Englands höchster Spielklasse. Zu dieser Zeit war er auch Vorsitzender der Spielergewerkschaft. In dieser Funktion setzte er durch, dass Profis mehr als die damals als Höchstlohn fixierten 20 Pfund pro Woche verdienen durften.

Jimmy Hill: Wegbereiter für modernes Marketing im Fußball


Wirklich von sich reden machte Jimmy Hill jedoch erst nach seinem Karriereende: 1961 übernahm er den Drittligisten Coventry City als Trainer und Manager in Personalunion. Hill führte den Club binnen sechs Jahren in die erste Liga. Noch viel bahnbrechender waren jedoch seine Maßnahmen auf dem Marketing-Sektor. Hill verpasste Coventry ein komplett neues, einheitliches Image: Passend zur – von ihm ausgewählten – neuen Vereinsfarbe himmelblau komponierte Hill ein Vereinslied (den „Sky Blues Song“), richtete einen offiziellen Fanzug ein („Sky Blues Express“), taufte eine Tribüne „Sky Blues Stand“, und sorgte als erster für das mittlerweile weltweit übliche Unterhaltungsprogramm der Zuschauer vor dem Anpfiff und in der Halbzeitpause.

Zweite Karriere: Jimmy Hill und das Fernsehen


Nachdem der Aufstieg in die erste Liga geschafft war, wechselte Hill überraschend zum Fernsehen. Beim Privatsender ITV übernahm er 1968 die Fußballsendungen „The Big Match“ und „Match of the Day“ (quasi die englische Sportschau). Von der WM 1970 in Mexiko bis zu den Titelkämpfen in Frankreich 1998 war er DER TV-Experte bei großen Turnieren. Hill kam auch auf die Idee, über Spiele in Expertenrunden zu diskutieren – heute auch in Deutschland eine Normalität, etwa im „Doppelpass“ im DSF.

Rückkehr nach Coventry: Weitere revolutionäre Neuerungen


1980 kehrte Hill nach Coventry zurück, dieses Mal auf den Stuhl des Vorstandsvorsitzenden. Weitere Neuerungen ließen nicht lange auf sich warten: Coventry war der erste Club in England, der eine Rasenheizung im Stadion installieren ließ. Hill wollte zudem den Vereinsnamen an den in Coventry ansässigen Automobilhersteller Talbot verkaufen – eine Maßnahme, wie sie in Österreich heute gang und gäbe ist. Unter Hills Ägide rüstete Coventry zudem das komplette Stadion auf Sitzplätze um, um dem Hooliganismus Einhalt zu gebieten.

Das Problem: Die letzten beiden Maßnahmen kamen bei den Fans nicht sonderlich gut an. Sie blieben weg, und Hill musste gehen. 1985 wurden die Sitze wieder rausgerissen – unmittelbar vor den Katastrophen von Heysel und Hillsborough, in deren Folge sämtliche englischen Stadien per Gesetz zu „all seaters“ umgerüstet werden mussten.

Die Dreipunkteregel: Von einer englischen Amateurliga um die Welt


Hills bedeutendste Neuerung war jedoch die Erfindung der Dreipunkteregel. In den frühen 1970er Jahren kam eine Beratungsfirma auf den damaligen TV-Mann zu. Hill wurde um die Erarbeitung eines Ideenkatalogs gebeten, um den Fanrückgang in den Stadien zu stoppen. „Mr. Football“ machte sich an die Arbeit. Aus all seinen Vorschlägen fand einer besonderen Anklang: Hill schlug vor, Siege dadurch aufzuwerten, dass sie mit drei statt zwei Punkten belohnt werden.

1974 startete die erste Amateurliga nach der neuen Regel. Ab der Saison 1981/82 schlossen sich die englischen Profiligen an, seit 1995/96 wird auf der ganzen Welt um drei Punkte gekämpft. Und in der Tat hat sich der Fußball durch diesen „Bonuspunkt“ für einen Sieg verändert. Zwar ist die Zahl der Remis weltweit sogar noch leicht angestiegen, doch zumindest Mannschaften, die um Titel mitspielen, bemühen sich nun zumindest mehr darum, bei engem Spielverlauf noch ein Tor zu erzielen. Schließlich bedeutet ein Unentschieden nicht nur einen, sondern gleich zwei verlorene Punkte.

Was wäre wenn – FC Bayern ist größter Profiteur der Dreipunkteregel


Und wer ist der größte Profiteur der Dreipunkteregel? Der FC Bayern München. Wäre man hierzulande nämlich der alten Zweipunkteregel treu geblieben, stünde der Deutsche Rekordmeister heute bei „nur“ 19 anstatt 21 Titelgewinnen. Ohne Jimmy Hills Idee hätte der Titelträger der Saison 1999/2000 nämlich Bayer Leverkusen und der von 2000/01 Schalke 04 geheißen. Die Fans beider Clubs, die sich häufig Schmähungen im Stile von „Vizekusen“ oder „Ihr werdet nie deutscher Meister“ anhören müssen, wissen ja jetzt, bei wem sie sich beschweren können…

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