Die natürlichen Feinde des Hessen: Radfahrer, Reiter und Rollstuhlfahrer getty images

Die natürlichen Feinde des Hessen: Radfahrer, Reiter und Rollstuhlfahrer

  • Anja Rau
Das Bundesland Hessen quälen offenbar keine schwerwiegenden Probleme, weswegen es sich nun neue Feindbilder gesucht hat: Den Mountainbiker und den Reiter sowie den Rollstuhlfahrer. Diese Spezies sind landein, landab in Wäldern unterwegs. Das möchte das Land Hessen nun mehr oder weniger verbieten. Verbände, Biker sowie Reiter zeigen sich verwundert.

Das Waldgesetz in Hessen soll mit Gesetzentwurf vom 25. Juni 2012 geändert werden. Für Unstimmigkeiten sorgt dabei Paragraph 15 des Vierten Teils, der die Überschrift „Betreten des Waldes, Reiten und Fahren“ trägt. In diesem sind Radfahrer, Fahrer von Kutschen sowie Krankenfahrstühlen und Reiter ausdrücklich benannt. Sie dürfen laut dem Gesetzentwurf fortan nur noch auf festen Waldwegen und Straßen im Wald unterwegs sein. Feste Waldwege sind dabei „befestigte oder naturfeste Wege, die von nicht geländegängigen, zweispurigen Kraftfahrzeugen ganzjährig befahren werden können.“ Diese genaue Beurteilung darüber, was „feste Wege“ sind, fehlte bislang.

Bedeutet: Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, dürfen Radfahrer, Reiter, Kutschen- und Rollstuhlfahrer zukünftig keine schmalen oder naturnahen Waldwege mehr nutzen. Vor allem in der Gemeinschaft der Mountainbiker hat das für Empörung gesorgt. Die Biker fühlen sich damit stark in der Ausübung ihres Hobbies beschnitten, da die kleinen Waldpfade besonders interessant für sie sind.

Rad-Verbände kritisieren Gesetzentwurf

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) zeigt sich ebenfalls überrascht vom Vorstoß der hessischen Landesregierung. Er sieht das Verbot für Radfahrer, sich auf weniger als drei Meter breiten Waldwegen zu bewegen, für „eine nicht hinzunehmende Einschränkung“. Zudem seien keine Komplikationen bekannt, die das Gesetz nötig machen. Sollten einzelne rücksichtslose Biker für Aufregung sorgen, würden meist noch vor Ort durch Naturschützer oder Forstbeamte Lösungen gefunden, berichtet die „Zeit“.

Ein komplettes Verbot von Radfahren auf kleinen Waldwegen hält auch die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) für unsinnig: „Die allermeisten Radfahrer benehmen sich vernünftig im Wald. Es ist nicht akzeptabel, dass die hessische Regierung nun flächendeckend für alle das Radfahren auf über 75 Prozent der hessischen Waldwege verbieten möchte!“, erklärt Thomas Kleinjohann, der Erste Vorsitzende. Kleinjohann weiter: „Unsere erfolgreichen Bemühungen für ein vernünftiges Miteinander würden mit den neuen Regelungen zunichte gemacht, da die Biker nun generell in die Illegalität gedrängt und damit sozusagen zum Abschuss freigegeben werden.“ Der Vorschlag der DIMB sind dagegen offizielle Wegekarten, die das Befahren für Radfahrer regeln. So würden einzelne Raser, die unter anderem auch über die Reste der römischen Wallanlagen am Limes brettern, in ihre Schranken gewiesen, die breite, friedliche Masse könne ihrem Hobby aber weiter frönen.

Nun gibt es dieses Kartennetz bereits seit Jahren, doch bislang sind die Trails nicht bewertet worden. Der Vorschlag der DIMB traf bislang an den entscheidenden Stellen auf taube Ohren. Jetzt hat die Initiative aber einen Vermittler gefunden: Der neue Geschäftsführer im Naturpark Hochtaunus, Uwe Hartmann, legt die Trailkarten nun Behörden sowie Naturschützern und Förstern zur Prüfung vor.

Reiter ebenfalls vom neuen Gesetz betroffen

Reiter wären vom neuen Gesetz gleichermaßen betroffen wie die Radfahrer. Auch sie sind entsetzt darüber, was die Landesregierung plant. Zum Reiten gehört die Natur schlichtweg dazu. Der Verein der Freizeitreiter- und Fahrer in Deutschland-Landesverband Hessen (VFD-Landesverband Hessen) hat nun ebenfalls Wind von der Sache bekommen und berät aktuell, wie er geben den Gesetzentwurf vorgehen kann.

Für die Nutzer von Krankenfahrstühlen gibt es schlichtweg keinen großen Verband, der sich organisiert gegen die hessische Landesregierung einsetzen kann. Bedenkt man aber, dass Rollstuhlfahrer in ihrer Freizeitgestaltung ohnehin eingeschränkt sind, wiegt der Gesetzentwurf für sie doppelt schwer. Sollten sie künftig nur noch auf breiten Straßen im Wald unterwegs sein dürfen, verlieren sie ein weiteres Stück Lebensqualität. Zumal im Fall der Krankenfahrstühle das geplante Gesetz besonders grotesk wirkt, rasen sie doch wahrscheinlich weder unkontrolliert noch unvorsichtig durch die hessischen Wälder.

Befürworter des Gesetzentwurfs

Die Landesregierung Hessen bekommt aber auch Unterstützung von Befürwortern des geplanten Gesetzes. Waldbesitzer beispielsweise kritisieren Mountainbiker als Radfahrer mit Hightech-Geräten, die überall fahren können und oft auch wollen. Zwar dürften diese weiterhin im Wald unterwegs sein, nur halt nicht mehr überall. Vor allem Landtagsabgeordnete der Regierungsparteien sind natürlich ebenfalls für das neue Gesetz. Trails durch Brut- und Setzgebiete seien nicht hinnehmbar, sorgt sich der Umwelt-Staatssekretär Mark Weinmeister um den Wald.

Gegen diese Argumente bringen aber gerade diejenigen etwas vor, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Natur und Umwelt zu schützen: der Bund Naturschutz in Bayern. Ob sich Wanderer, Reiter oder Radfahrer durch den Wald bewegen, sei den Tieren vollkommen egal. Das Wild ist an Menschen gewöhnt und sucht sich seine Plätze abseits der Wege. Durch das Dickicht sind sowieso keine Menschen unterwegs.

Klar gibt es immer einzelne, die sich über allgemeine Regelungen hinwegsetzen und so ihre Mitmenschen und die Umwelt stören. Diese seien, wie die „Zeit“ weiter berichtet, laut Aussage des Forstamtsleiters Königstein, Ralf Heitmann, das Problem. Es bleibt aber, wie immer bei solchen Diskussionen, fraglich, ob die große Masse wegen des Fehlverhaltens einzelner bestraft werden darf.

Auch Einschränkungen für Gruppen?

Paragraph 15, Absatz vier des Gesetzentwurfs besagt zudem: „Betreten mehrere Personen den Wald zur Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes, steht ihnen das Betretungsrecht nur zu, wenn nach den örtlichen Gegebenheiten eine Beeinträchtigung des betroffenen Waldgebietes nicht zu erwarten ist.“ Auch dieser Absatz sorgt für Unruhen, denn wie viele sind mehrere Personen und wann darf ihnen das Betretungsrecht entzogen werden? Gegner kritisieren, dass dies zu ungenau formuliert ist. Mehrere Personen seien schließlich bereits zwei und darf man in Zukunft nicht mehr gemeinsam durch den Wald fahren oder reiten? Der Sprecher des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Thorsten Neels, verspricht allerdings gegenüber dem „Hessischen Rundfunk“, dass dieser Absatz nur für offizielle Veranstaltungen gelte, die bisher auch schon anmeldepflichtig seien. Genauso betont er, dass es bald ausgewiesene Mountainbike-Strecken geben soll.

Petition gegen Gesetzentwurf

Der Widerstand gegen den Gesetzentwurf ist groß. Um zum Ausdruck zu bringen, wie viele Personen das geplante Gesetz der hessischen Regierung missbilligen, hat die DIMB eine Online-Petition eröffnet. Gehofft hatten die Gründer der Petition auf 10.000 Unterschriften. Ihre Erwartungen wurden bereits jetzt deutlich übertroffen. Aktuell ist die Liste noch 28 Tage geöffnet, bereits jetzt haben über 32.000 Personen aus ganz Deutschland unterzeichnet.

Klar ist bislang nur eins: Das Querfeldeinfahren und –reiten ist bereits jetzt verboten. An diese Regelung sollten sich alle Nutzer des Waldes halten, da so ein Mindestschutz für Tiere und Pflanzen eingehalten werden kann.

Doch selbst wenn der Gesetzentwurf von der Regierung verabschiedet wird, ist die Frage der Umsetzung noch ungeklärt. Wie „mittelhessen.de“ berichtet, sind bei der Ordnungsbehörde im Lahn-Dill-Kreis keine Kontrollen geplant. Der Leiter der Ordnungsbehörde, Reinhard Strack-Schmalor, erklärt der Online-Zeitung gegenüber: „Wir haben niemand, der im Außendienst in den Wäldern unterwegs ist. Aber selbst wenn wir das Personal hätten, würden wir keine Mountainbiker kontrollieren. Das Gesetz ist bloß Beschäftigungstherapie für Behörden.“

Es bleibt also abzuwarten, was aus dem umstrittenen Gesetzentwurf für das Waldgesetz Hessen wird.

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