„Mal vier Schritte vorwärts und dann wieder drei zurück” – Interview mit Martin Lotti, Creative Director bei Nike Nike

„Mal vier Schritte vorwärts und dann wieder drei zurück” – Interview mit Martin Lotti, Creative Director bei Nike

  • Anja Rau
Wie verläuft die Entwicklung eines neuen Produkts? Was muss alles beachtet werden? Martin Lotti, der Creative Director von Nike, erklärt im Interview mit netzathleten, worauf es bei der Entwicklung von Sportbekleidung und –schuhen ankommt.

Martin Lotti, der Creative Director von Nike, ist 37 Jahre alt und bereits seit vielen Jahren für den Sportartikelhersteller Nike engagiert. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2012 in London war er für die Kollektion der Nike-Athleten zuständig. netzathleten sprach mit „Nike’s kreativem Genie“, wie ihn das Time Magazine nannte.

netzathleten: Wie lange dauert die Entwicklungszeit eines Ihrer Produkte?
Martin Lotti: Das kommt ganz auf das Produkt an. Die neuen Sprintanzüge beispielsweise haben jetzt vier Jahre Entwicklung hinter sich. Wir haben direkt nach den Olympischen Spielen 2008 in Peking damit angefangen.

netzathleten: Wie muss man sich diese Zeit vorstellen?
Martin Lotti: Wir sind alle zusammengekommen und haben überlegt, wie man einen noch schnelleren Anzug machen kann. Was schwer war, wir hatten ja schließlich gerade einen schnellen hergestellt. Da muss man dann wirklich umdenken und radikal eine neue Idee einbringen, um kreativ zu sein. Man sollte also manchmal fast vergessen, wie man etwas macht, um es dann besser zu machen.

netzathleten: Was haben Sie sich bei der Entwicklung der Sprintanzüge überlegt?
Martin Lotti: Wir haben uns die Oberfläche eines Golfballs angeschaut. Da musste ja irgendetwas sein, warum ein Golfball diese spezielle Struktur mit den Dellen hat. Wir haben über 1000 Stunden lang im Windkanal versucht, das nachzubauen. Als uns die ersten Resultate präsentiert wurden, waren diese so gut, dass wir gedacht haben, dass etwas nicht stimmt. Wir konnten es kaum glauben. Der Luftwiderstand ließ sich auf ein Minimum reduzieren. Über vier Jahre hat es dann bis zum fertigen Sprintanzug gedauert.

netzathleten: Was haben Sie denn bei dem neuen Schuh verändert?
Martin Lotti: Die Idee, einen Schuh als eine Art Socke zu kreieren, hatten wir schon fast zehn Jahre. Jetzt ist es gelungen, weil wir die richtige Technik gefunden haben. Wir haben eine komplett neue Maschine erfunden. Bei unserem neuen Marathonschuh haben wir also nach 40 Jahren der Schuhherstellung komplett neu begonnen.
Der Flyknit ist aus einem Strickgewebe hergestellt, das überflüssige Schichten und Materialien einspart. Jetzt werden Stabilität, Flexibilität und Atmungsaktivität in eine Schicht eingestrickt. Das Obermaterial kommt in einem Stück aus der Maschine, weswegen Nähte, die scheuern könnten, fast komplett eingespart werden. Außerdem ist der Schuh so nochmal deutlich leichter als seine Vorgänger und zum Großteil aus recycelbaren Materialien hergestellt.

netzathleten: Wie funktioniert die Entwicklung? Haben Sie erst eine Idee, wie das Ergebnis aussehen soll und entwickeln dafür eine Technik? Oder haben Sie eine neue Technik und schauen, was dabei herauskommt?
Martin Lotti: Wir fangen immer damit an, die Athleten zu befragen. Das ist sehr angenehm, weil wir nicht jeden Tag auf ein weißes Blatt Papier starren und uns fragen, was wir heute machen sollen. Die Athleten geben den Input, was wir nicht nur neu, sondern vor allem besser machen sollen. Ansonsten kommt es darauf an, was uns gerade inspiriert. In Kyoto habe ich beispielsweise eine ganz tolle Struktur im Sand gesehen und diese habe ich dann übernommen. Die Inspiration kann wirklich von überall kommen. Dann wird diese mit der Technik verbunden. In unseren Entwicklungsstudios können wir ausprobieren, ob es wirklich stimmt, was wir uns gerade ausgedacht haben. Ab und zu macht man vier Schritte vorwärts und dann wieder drei zurück. Man weiß nie genau, ob etwas effektiv funktioniert oder nicht.

netzathleten: Wie wird bestimmt, welche Farben die Produkte bekommen? Wann wird das entschieden?
Martin Lotti: Die Farben werden relativ spät ausgesucht. Zuerst muss die Technik stimmen und erst fast am Ende konzentrieren wir uns auf die Farben. Wir haben eine ganze Abteilung, die sich um die Farben kümmert. Sie achten auf Trends, doch wir laufen diesen ja nicht nur hinterher, sondern setzen sie auch selbst. Das ist schön, weil wir auch bestimmen können, welche Farbe etwas haben sollte. So machen wir manchmal fast Anti-Trends, um etwas Neues zu kreieren.

netzathleten: Worauf kommt es bei der Farbgestaltung an?
Martin Lotti: Unsere neue Farbe ist Volt (ein leuchtendes Gelb, Anm. der Redaktion), die sieht man sehr gut. Die Auffälligkeit war einer der Gründe. Aber auch das Umfeld wird in Betracht gezogen. Beim Laufschuh muss man wissen, dass die Laufbahn im Stadion meistens rot ist. Dazu passt das Volt. Es kommt bei der Entscheidung für die Farben also auf Vieles an.

netzathleten: Herr Lotti, vielen Dank für das Gespräch!

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten