Tai Chi Chuan: Gesundes Schattenboxen aus China! istockphoto.com/Lipik1

Tai Chi Chuan: Gesundes Schattenboxen aus China!

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Tai Chi Chuan, auch Schattenboxen genannt, ist eine chinesische Kampfkunst. Heutzutage dient Tai Chi oftmals der Gesundheit, Entspannung und Meditation. Ein Interview mit Tai-Chi-Lehrer und Ausbilder Jan Leminsky von der Wu Wei – Schule für Tai Chi und Qi Gong.

citysports.de: Es gibt unzählige Kampfkunstarten weltweit. Wie bist Du ausgerechnet zu Tai Chi Chuan gekommen?
Jan Leminsky: Bereits mit 14 Jahren habe ich autogenes Training praktiziert, um zur Ruhe zu kommen. Doch später im Berufsleben brauchte ich einfach Bewegung dazu. Deswegen suchte ich nach einer Alternative. Ich fand einen guten Tai Chi Chuan Lehrer – das hatte mich überzeugt. Vorher hatte ich bereits Tai Chi bei einer Lehrerin kennengelernt, da war es für mich aber reine Gymnastik. Der Kampfkünstler zeigte mir hingegen, dass Tai Chi Chuan aus der Kampfkunst kommt. Seit über 15 Jahren hat Tai Chi Chuan bei mir einen festen Platz.

Was ist denn Tai Chi heute – Gymnastik oder Kampfkunst?
Historisch gesehen, ist Tai Chi Chuan eine alte chinesische Kampfkunst. In der Zeit um das 19. Jahrhundert herum war diese Kampfkunst aber durch die Entwicklung von modernen Waffen nicht mehr notwendig. Yang Chen Fu kam die Idee, Tai Chi Chuan als Gesundheitsübung zu nutzen. 1956 kam mit dem Peking-Stil, 24 Bilder, der Zugang für Alle – Tai Chi Chuan wurde eine Massenbewegung. Der Kern der Kampfkunst ist aber noch heute da.

Ich sehe stehende Menschen, die ihre Arme und Beine langsam sowie fließend bewegen und sich nur in Zeitlupe von der Stelle bewegen. Das wirkt elegant und erinnert nicht an Kampf.
Doch alle Anwendungen funktionieren im Kampf, wo sie natürlich schnell ausgeführt werden. Tai Chi Chuan ist die höchste Kunst der Faust. Die Bewegung symbolisiert die Abwehr sowie den Angriff.

Viele Kampfkunstsportarten haben solche Kampfbewegungen als Basis. Was unterscheidet Tai Chi von anderen Kampfkunstsportarten?
Geist, Qi (also die Energie), Körperbewegung. Alle drei kommen gleichzeitig an. Die Energie des Gegners wird umgelenkt. Die Kraft, die Dir einer entgegen bringt, lenkst Du einfach auf ihn zurück. Schattenboxen ist der Begriff, der die traditionelle Tai Chi Chuan-Form am besten trifft. Es gibt aber auch Tai Chi mit einem Partner (Tui Shou) oder mit der Waffe, wie dem Säbel.

Welche Richtungen gibt es noch im Tai Chi?
Grob gesagt gibt es zwei Richtungen. Die der Familienrichtungen und des Wudang-Kloster. Die Familien-Stile basieren auf fünf traditionellen Familien- richtungen. Daneben existiert die Wudang-Richtung aus der klösterlichen Linie. Grundlage ist die Philosophie von Yin und Yang.

Tai Chi ist religiös?
Nein – Die Philosophie von Yin und Yang hat ihre körperliche Ausprägung in Tai Chi Chuan und seine religiöse im Daosimus. Den einzigen Glauben den Tai Chi Chuan hat, ist der Glaube an sich besser zu werden. Tai Chi Chuan ist religionsfrei.

Mir fiele es nun noch immer schwer zu entscheiden, was ich machen sollte. KungFu, Pilates, Yoga, Tai Chi…
Die Frage ist, was man sucht. Bewegung ohne Verschleiß der Muskulatur und Knochen, im ganzen Körper beweglicher werden, etwas für den Geist tun, um vom Alltag Abstand zu gewinnen, wenn man nicht gern im Training berührt werden möchte (körperlich), nicht gern auf den Boden rumturnt, dann sollte man Tai Chi Chuan ausprobieren. Wenn es um Bodystyling geht, ist Tai Chi Chuan nicht geeignet. Man sollte immer eine Probestunde nutzen. Nach drei Monaten weiß man, ob es das Richtige für einen ist. Letztendlich ist aber auch immer die Chemie zwischen Lehrer und Schüler entscheidend.

Und die Kompetenz. Wenn es doch so viele Richtungen gibt, woher weiß man, wer ein guter Tai Chi- Lehrer ist?
Es ist für Dritte sehr schwer zu erkennen, wer ein guter Tai Chi-Lehrer ist. Der Dachverband DDQT e.V. hat aktuell ein Gütesiegel entwickelt, darauf kann man achten. Danach gibt es den Kursleiter (3 Jahre), den Lehrer (6 Jahre) und die höchste Stufe den Ausbilder (15 Jahre). Auch Krankenkassen erkennen dieses Ausbildungssystem an.

Und, wenn man keinen guten Lehrer findet, gibt es ja noch die klassischen Tai Chi-DVDs für zu Hause.
DVD´s sowie Bücher sind nicht geeignet, um Tai Chi Chuan richtig zu erlernen. Dazu brauchst Du immer einen guten Lehrer, der die Bewegungen stetig korrigiert.

Wer ist eigentlich dein typischer Tai Chi-Schüler?
Menschen, die Ruhe suchen. Menschen mit körperlichen Problemen wie Rückenbeschwerden sowie Burn Out-Syndrom. Leider nutzen zu wenige Menschen Tai Chi Chuan als Prophylaxe. Erst, wenn der Schmerz da ist, kommen sie. Jedem geht es nach Tai Chi Chuan besser. Und: Es ist für jeden geeignet. Es gibt keine Entschuldigung Tai Chi Chuan nicht zu machen. Die Frauen sehen hauptsächlich den gesundheitlichen Aspekt– Männer finden Tai Chi Chuan als Kampfkunst cool.

Wie Du.
Ja.

Tai Chi-Schüler wirken immer ernst und konzentriert. Kann eine Tai Chi-Stunde auch witzig sein?
Spaß gehört dazu. Bei einem chinesischen Lehrer kann Lachen im Unterricht allerdings Respektlosigkeit bedeuten, ich bin aber Europäer. Manchmal unterbinde ich auch das Lachen, schließlich ist Tai Chi Chuan ein Kampf, bei dem man einen Gegner verletzen kann. Der echte Lohn ist, nach dem Unter- richt lachend nach Hause zu gehen.

Interview: citysports.de, Anne Nyhuis

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