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Krank auf Bestellung – der Nocebo-Effekt

  • Christian Riedel
Der Geist und unser Verstand können eine große Auswirkung auf unseren Körper haben. Beim Placebo-Effekt beispielsweise bilden wir uns ein, dass bestimmte Mittel oder Medikamente eine heilende Wirkung haben und werden aufgrund unserer Überzeugung gesund. Es gibt aber auch den gegenteiligen Effekt.

„Das könnte jetzt etwas weh tun.“ Kaum hat der Arzt diese Worte ausgesprochen durchzuckt uns der erwartete Schmerz. Wir bilden uns ein, dass der nicht so schlimm war. Schließlich wurden wir ja gewarnt. Doch was wäre gewesen, wenn der Arzt den Schmerz verharmlost oder gar nichts gesagt hätte?

Zugegeben ist diese Situation niemals beweisbar, da sich kein Schmerz wiederholen lässt und dieser ohnehin eine subjektive Empfindung ist. Insofern kann man in diesem Fall niemals klar sagen, ob ein Schmerz mit oder ohne Warnung heftiger ausfällt. Klar ist aber, dass unsere Psyche auf den Körper große Auswirkungen hat. Das kann wie beim Placebo-Effekt positive Auswirkungen haben. Aber auch negative Auswirkungen wurden schon nachgewiesen. Dies wird auch als Nocebo-Effekt bezeichnet. Während das Placebo heilt, macht uns der Nocebo krank.

Der Begriff stammt aus dem Lateinischen (nocere = schaden, nocebo = ich werde schaden) und bezeichnet die Reaktion unseres Körpers auf ein Präparat, das keinen Nutzen hat oder eine Reaktion auf eine bestimmte Erwartungshaltung. So kann alleine die Warnung vor möglichen Nebenwirkungen zur Ausprägung der selber führen. Kaum lesen wir, dass es nach der Einnahme eines Medikaments zu Kopfschmerzen führen kann, brummt uns der Schädel. Im Extremfall wurden auch schon Fälle beschrieben, in denen Patienten aufgrund einer extremen negativen Erwartungshaltung den Lebenswillen verloren haben.

Wie stark der Nocebo-Effekt sein kann, zeigt das Beispiel eines US-Amerikaners, der sich mit einer Überdosis Medikamente umbringen wollte. Der Mann kam in einem lebensbedrohten Zustand ins Krankenhaus. Sein Zustand des Mannes, der an einer medizinischen Studie teilnahm, besserte sich erst als er erfuhr, dass er zu der Kontrollgruppe gehörte, die nur ein harmloses Zuckerpräparat ohne Wirkung bekommen hatte.

Erwartungshaltung


Placebo und Nocebo klingen nicht nur ähnlich, sie wirken nach dem gleichen Prinzip. Wir haben eine bestimmt Erwartungshaltung, die zu einer entsprechenden Reaktion im Körper führt. Diese kann eben positiv wie negativ sein aber zeigt in beiden Fällen deutlich, welche enorme Auswirkung unsere Psyche auf den Körper haben kann. Gehen wir davon aus, dass ein Präparat hilft, werden wir gesund. Glauben wir aber fest an negative Auswirkungen, können auch medizinisch die entsprechenden Symptome nachgewiesen werden.

So gab es Versuche, bei denen die entsprechenden Nebenwirkungen diagnostiziert werden konnten. In Italien beispielsweise wurde 2004 eine entsprechende Studie mit 600 Probanden durchgeführt, bei denen die eine Hälfte ein bestimmtes Arzneimittel bekam, die andere ein Placebo. Die verantwortlichen Ärzte klärten die Testpersonen über mögliche Nebenwirkungen auf. Mehr als ein Viertel (27 Prozent) der Placebo-Gruppe klagte anschließend über diese Nebenwirkungen. Bekannt ist auch die Framingham-Herz-Studie des United States Public Health Service, bei der Frauen befragt wurden, ob sie Probleme mit dem Herzen haben. Wenn die Frauen von sich sagten, dass die eher Herzkrankheiten als andere Frauen haben, stieg die Wahrscheinlichkeit für einen Myokardinfarkt oder einen plötzlichen Herztod in den folgenden 20 Jahren um das Vierfache an, auch wenn die Ergebnisse durch die Berücksichtigung von Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder Übergewicht entsprechend korrigiert wurden. Auch ein Test mit Lebensmittelallergikern, denen in einer Doppelblindstudie eine reine Kochsalzlösung injiziert wurde, verlief entsprechend. Die verantwortlichen Mediziner gaben den Probanden die Fehlinformation, dass sich angeblich Allergene in der Lösung befinden würden. Rund ein Viertel der Teilnehmer zeigte eine allergische Reaktion.

Vor allem Ärzte müssen mit diesem Phänomen im Hinterkopf vorsichtig sein. Denn eine unbedachte Aussage oder ein Kopfschütteln an der falschen Stelle kann bei einem unsicheren Patienten eine negative Folgekette auslösen. Bei aller Aufklärung muss ein Patient nicht über die unwahrscheinlichsten Nebenwirkungen informiert werden. Auch als Patient kann Nichtwissen daher oft eher Segen als Gefahr sein. Ohne die Nebenwirkungen zu kennen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, an diesen zu leiden. Was natürlich nicht bedeutet, sich über Gefahren eines Medikaments besser nicht zu informieren. Es ist eben eine Frage des Fingerspitzengefühls. Und im Endeffekt sollte man besser an die heilende Wirkung eines Medikaments oder einer Therapie glauben, statt sich über mögliche Nebenwirkungen Sorgen zu machen.

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