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So gesund ist Nordic Walking

  • Christian Riedel
Nordic Walking ist immer noch ein Trendsport, der gerade Menschen mit Gelenkproblemen empfohlen wird. Schließlich sollen die eingesetzten Stöcke Gewicht von Knien und Knöcheln nehmen und diese so zumindest teilweise entlasten. Doch so schonend, wie oftmals behauptet wird, ist Nordic Walking gar nicht.

Wenn es draußen wieder wärmer wird, packen viele Menschen ihre Nordic Walking-Stöcke aus und wandern durch die Natur. Alleine in Deutschland sollen rund drei Millionen Menschen regelmäßig Nordic Walking betreiben. Besonders Menschen mit Gelenkproblemen oder Übergewicht schwören aufs Gehen mit Stöcken. Schließlich gilt Nordic Walking als einer der sanftesten und gelenkschonendsten Sportarten.

Doch möglicherweise sollten diese Menschen ihre Stöcke besser im Keller stehen lassen. Denn es darf bezweifelt werden, ob Nordic Walking (NW) wirklich so schonend für Knie und Knöchel ist, wie oftmals behauptet wird. Verfechter des Nordic Walking behaupten, dass die Gelenke um 30 bis 50 Prozent weniger aushalten müssen. Doch es gibt wissenschaftliche Studien, die genau das in Frage stellen.

So gingen die Biomechaniker Thomas Jöllenbeck (Institut für Biomechanik, Bad Sassendorf), Daniel Leyser und Christian Grüneberg (beide Europa Fachhochschule Fresenius, Fachbereich Gesundheit, Idstein) der Frage nach, ob Nordic Walking wirklich die Gelenke entlastet.

Bei einer Versuchsreihe mussten 14 erfahrenen Nordic Walker mittleren Alters und 6 Nordic Walking Instruktoren eine Strecke von 1.575m mit unterschiedlichem Streckenprofil einmal mit und einmal ohne Nordic Walking Stöcke bei gleicher Geschwindigkeit absolvieren. Dabei wurden die Bodenreaktionskraft mit Hilfe von Einlegesohlen und die auf die Stöcke wirkende Kraft gemessen und anschließend verglichen.

Die Biomechaniker fanden heraus, dass die mittlere Bodenreaktionskraft, die von den Gelenken aufgefangen werden muss, beim normalen Gehen und beim Nordic Walking in etwa gleich groß sind. In den Belastungsspitzen muss der Körper zwischen 140 und 170 Prozent des Körpergewichts auffangen. Dabei ist es egal, ob man mit Stöcken geht oder nicht.

Unterschiede von Nordic Walking und Gehen


Es gibt aber auch Unterschiede bei der Belastung zwischen dem Gehen mit und ohne Stöcke. Beim Nordic Walking wirken beim Abdruck und gleichzeitigen Stockeinsatzes um rund 4 Prozent geringere Kräfte. Beim Aufsetzen des Beines muss der Körper beim Nordic Walking aufgrund der Vorwärtsbeschleunigung dafür eine etwas höhere Belastung aushalten. Je weiter man die Stöcke vor dem Körper aufsetzt, desto höher war die Belastung für die Gelenke.

Als Fazit der Studie stellten Jöllenbeck, Leyser und Grüneberg fest, dass von einer 30- bis 50-prozentigen Entlastung der Gelenke keine Rede sein kann. Zwar konnten sie gute Trainingseffekte durch Nordic Walking feststellen, gelenkschonend ist Nordic Walking allerdings nicht.

Belastung für die Ferse


Auch der Orthopäde Markus Walther von der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin wollte die Belastung von Nordic Walking auf den Fuß und insbesondere für die Ferse ermitteln. Um die Auswirkungen von Nordic Walking herauszufinden, verglich die Fersenbelastungen beim Aufprall des Fußes beim Nordic Walking mit der Belastung, die beim Joggen auftritt. Das Ergebnis wird Stock-Freunden nicht gefallen.

Walther kam zu dem Ergebnis, dass Nordic Walker den Fuß mit einem deutlich größeren Winkel aufsetzen als Jogger. Daraus ergibt sich aber auch eine höhere Belastung für die Ferse. Entscheidend dabei ist die Walking-Technik. Je weiter man den Schritt nach vorne zieht, desto größer wird die Kraft, die auf die Ferse beim Aufprall einwirkt. Daher sollte man auch beim NW darauf achten, keine zu großen Schritte zu machen. Schon wenige Zentimeter reduzieren die Belastung, da das Knie ebenfalls einen Teil der einwirkenden Kräfte abfedern kann.

Der Kalorienverbrauch beim Nordic Walking


Auch der Kalorienverbrauch ist beim Nordic Walking nur geringfügig höher als beim normalen Walking. Während Verfechter des Stocklaufens häufig von einem zusätzlichen Kalorienverbrauch im Bereich von 50 Prozent sprechen, haben aktuelle Messreihen nach Angaben des Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) nur einen gesteigerten Kalorienverbrauch von maximal 10 Prozent ergeben. Andere Studien von PORCARI J.P. (1999), CHURCH T.S., EARNEST C.P., MORSS G.M. (2002) oder PORCARI J.P., HENDRICKSON T.L., WALTER P.R., TERRY L., WALSKO G. (1997) berichten von Steigerungen im Kalorienverbrauch von 19 bis maximal 26 Prozent.

Doch es ist nicht alles schlecht am Gehen mit Stöcken. Denn der Trainingseffekt ist unbestritten. Beim Nordic Walking bewegt man bis zu 90 Prozent der Muskulatur. NW trainiert das Herz-Kreislaufsystem und verbessert die Kondition. Und jede Bewegung an der frischen Luft ist gesund, ob mit Stöcken oder ohne. Nur die Annahme, dass Nordic Walking besonders schonend für die Gelenke ist, kann man getrost zu den Akten legen.

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