Matthias Bühler: „In Berlin geht ein Kindheitstraum in Erfüllung“ Iris Hensel

Matthias Bühler: „In Berlin geht ein Kindheitstraum in Erfüllung“

  • Matthias Bühler
110-Meter-Hürden-Meister Matthias Bühler nimmt kurz vor der Leichtathletik-WM in Berlin Stellung. Er spricht im netzathleten-Interview über seine Ziele, seine Zukunft und auf welchen Umwegen er zum Hürdensprint gekommen ist.

netzathleten: Zunächst einmal Glückwunsch zum Deutschen Meistertitel über 110 Meter Hürden in persönlicher Bestzeit (13,36 Sekunden) und zur Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Was war das für ein Gefühl, als Du realisiert hast, dass Du dabei sein würdest?
Matthias Bühler: Nun ja, der Bundestrainer hat uns schon im Vorfeld gesagt, dass die Entscheidung über die WM-Tickets in Ulm bei den Deutschen Meisterschaften fällt. Klar war: Wer nach Berlin will, muss unter die ersten Drei. Als ich dann im Ziel war, wusste ich direkt, dass ich mindestens Zweiter geworden bin. Die Qualifikation war also schon geschafft. Der Druck war sehr hoch vor den Meisterschaften, ich bin sehr erleichtert, dass ich im entscheidenden Rennen die Nase vorne hatte.

netzathleten: Was bedeutet es für Dich, sich in Berlin mit den Allerbesten der Welt messen zu können?
Matthias Bühler: Mit der Teilnahme an der Weltmeisterschaft geht natürlich ein Kindheitstraum in Erfüllung. Es ist meine erste WM, und dann noch im eigenen Land. Das ist eine einmalige Möglichkeit, und ich werde es natürlich genießen. Schließlich wird während meiner aktiven Laufbahn wohl kaum nochmal eine WM in Deutschland stattfinden.

netzathleten: Vor einem Jahr hast Du Deine Ausbildung zum IT-System-Kaufmann abgeschlossen. War es für Dich ernsthaft ein Thema, in diesem Beruf zu bleiben?
Matthias Bühler: Man muss natürlich die finanzielle Sicherheit sehen, die ein geregelter Beruf mit sich bringt. Doch für mich war eigentlich immer klar, dass ich mich nach der Ausbildung voll auf den Sport konzentrieren würde. Nach dem Motto „Wenn nicht jetzt, wann dann.“

netzathleten: Du bist auch ein guter 100-Meter-Läufer, Deine Bestzeit steht bei 10,52 Sekunden. Was hat Dich dazu bewogen, Dich auf die 110 Meter Hürden zu konzentrieren?
Matthias Bühler: Bis ich 17 war, habe ich Leichtathletik nur als Breitensport betrieben und zu Hause in Haslach etwa 3-mal pro Woche trainiert. Damals war ich noch 100-Meter-Sprinter, da es in Haslach  nur eine Aschenbahn gab. Und da ist es natürlich sehr schwierig, Hürden zu trainieren. Ich bin dann schließlich wegen der besseren Trainingsmöglichkeiten nach Offenburg gewechselt. Mein Trainer Wilhelm Seigel erkannte sofort meine Begabung für den Hürdensprint, da ich einen sehr schnellen kurzen Schritt hatte, was einen für den Hürdensprint geradezu prädestiniert. Sein Sohn Quentin Seigel (Deutscher Junioren-Meister 2008 über 400 Meter Hürden, d. Red.) war zu diesem Zeitpunkt noch Kurzhürdensprinter, was natürlich für mich optimal war.

netzathleten: Bei der Mannschafts-Europameisterschaft in Leiria (Portugal) im Juni durftest Du Deutschland auf den 110m-Hürden vertreten und folglich das Nationaltrikot tragen. Verleiht einem der Adler auf der Brust tatsächlich Flügel?
Matthias Bühler: Das tut er. Zumal es das erste Mal war, dass ich Deutschland vertreten durfte. Schließlich war ich vorher nie bei einer Junioren-WM oder Ähnlichem dabei. Es gibt einem schon noch einmal einen Extraschub, wenn man für sein Land starten darf.


netzathleten: Diesen Schub wirst Du bei der WM noch einmal erleben dürfen. Weit ist es nicht mehr bis dahin. Wie sieht Dein Fahrplan aus, und was sind deine Ziele für Berlin?
Matthias Bühler: Am Sonntag, 2. August, bestreite ich in Wattenscheid bei der DLV-Gala noch einmal einen letzten Wettkampf vor der WM. Da will ich mich noch mal in guter Form präsentieren. Ab dem 10. August geht es dann ins Bundesleistungszentrum Kienbaum zur WM-Vorbereitung. Mein Ziel bei der WM ist das Erreichen des Halbfinales.

netzathleten: Im Juni hast du beim ISTAF vor fast vollem Haus schon einen Vorgeschmack auf die WM bekommen. Pusht einen das heimische Publikum, oder fühlt man sich fast schon erdrückt von der Kulisse?
Matthias Bühler: Das war ein großartiges Gefühl. Es ist schon etwas anderes, vor über 60.000 Zuschauern zu laufen als bei einem anderen Meeting vor 5.000 oder 10.000 Zuschauern. Mit meiner Leistung beim ISTAF war ich nicht so zufrieden, bei der WM möchte ich mich in bestmöglichster Verfassung präsentieren, um meine Ziele zu verwirklichen. Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, bei der Heim-WM dabei sein zu dürfen.

netzathleten: Du hast Deine persönliche Bestzeit in diesem Jahr auf 13,36 Sekunden gesteigert. Was glaubt Du, ist in der Zukunft für Dich noch möglich?
Matthias Bühler: Ab einen gewissen Level ist es natürlich schwierig, sich noch weiter zu steigern. Mit Wilhelm Seigel habe ich jedoch einen optimalen Trainer gefunden, der mich zum exakt richtigen Zeitpunkt in Topform gebracht hat. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Jahren eine Zeit um die 13,20 Sekunden anpeilen kann.

netzathleten: Wie bewertest Du die nationale Leistungsdichte in Deiner Disziplin?
Matthias Bühler: Die Dichte ist extrem hoch. Es gibt auf den 110 Meter Hürden viele gute junge Leute, die dieses Jahr die WM-Norm (13,55 Sekunden; d. Red.) unterboten haben. Thomas Blaschek ist da mit seinen 28 Jahren schon fast so etwas wie der Senior. Doch Konkurrenz belebt das Geschäft, und eine hohe Leistungsdichte ist für uns alle gut.

netzathleten: Geht die Öffentlichkeit Deiner Meinung nach zu kritisch mit den letzten Ergebnissen des DLV bei Großereignissen um? Schließlich hat man immer wieder den Eindruck, dass nur Medaillen etwas wert sind.
Matthias Bühler: Ich hoffe, dass die deutsche Leichtathletik durch die Heim-WM wieder an Ansehen gewinnt. Das Publikum wird den deutschen Athleten sicher einen Schub geben. Leider kommt es manchmal so rüber, dass nur Titel zählen. Dabei ist zum Beispiel eine Finalteilnahme unter den Besten der Welt auch ein Riesenerfolg.

netzathleten: Im Herbst wirst Du Sportsoldat bei der Bundeswehr. Ist das als Zeichen zu werten, dass du Dich auch weiterhin ganz dem Sport widmen möchtest?
Matthias Bühler: Ich habe mich für die Bundeswehr entschieden, um mich in den nächsten Jahren voll auf den Sport konzentrieren zu können. Die Bundeswehr bietet dabei einem Sportler die finanziellen Möglichkeiten für das tägliche Training. Das möchte ich wahrnehmen.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in Berlin.

Das Interview führte Marco Heibel

Netzathleten-Star:
Matthias Bühler (*2. September 1986), startet für die LG Offenburg
Größter Erfolg: Deutscher Meister 110 Meter Hürden 2009, WM-Teilnehmer in Berlin 2009
Persönliche Bestzeit: 13,36 Sekunden (2009)

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