Von Bouldern bis Free B.A.S.E – Extremkletterer Hansjörg Auer im Interview Günther Göberl; Bild im Text: Heiko Wilhelm

Von Bouldern bis Free B.A.S.E – Extremkletterer Hansjörg Auer im Interview

  • Sandra Wachaja
Im Rahmen der Reel Rock Film Tour 2011 war Extremkletterer Hansjörg Auer unter anderem auch beim Tour-Stopp in Gilching bei München zu Gast. Im netzathleten-Interview spricht der Österreicher über seine Leidenschaft zum Klettern, seine Pläne und andere Extreme.

netzathleten.de: Hansjörg, Du bist als Kletterer viel unterwegs und kommst viel rum. Was bewegt Dich zu immer neuen Felswänden aufzubrechen?

Hansjörg Auer: Es ist die Leidenschaft, die einen grundsätzlich immer bewegt. Eigentlich hat ja jeder Mensch eine Leidenschaft und bei mir ist es eben der Berg, die Kletterei. Aus dieser Leidenschaft heraus entstehen immer neue Projekte und man brennt einfach darauf, diese zu starten. Das müssen nicht immer lang im Voraus geplante Projekte sein. So etwas kann auch einmal ganz spontan entstehen. Es kann zwar immer passieren, dass man ein Projekt abbrechen muss und es nicht beenden kann, aber die Kletterei ist momentan einfach der Sinn in meinem Leben.

netzathleten.de: Was können solche Gründe sein, ein Projekt nicht zu Ende bringen zu können?

Oftmals sind das äußere Umstände wie objektive Gefahren oder das Wetter. Manchmal aber auch die eigene Motivation, die einem schon einmal verloren gehen kann. Dafür können mehrere Faktoren verantwortlich sein. Man hat vielleicht weniger Aufwand erwartet, die Route kann um einiges schwieriger sein, als man es selbst erwartet hat, die Erwartung im Vorfeld kann größer gewesen sein, als das, was man letztendlich vorfindet oder Kollegen, die sich unter Umständen verletzen. Oder natürlich auch, wenn man sich selbst verletzt. Aber da gibt es natürlich ganz verschiedene Charaktere. Der eine bricht ein Projekt schon recht frühzeitig ab, der andere versucht bis zum Schluss alles aus sich herauszuholen.

netzathleten.de: Du kletterst viel im Ausland. Warum muss es immer so weit weg sein? Würden nicht die Alpen allein schon genug Routen für ein ganzes Kletterleben bieten?

Natürlich gibt es im heimischen Gebirge eigentlich mehr wie genug Routen. Aber für mich ist es etwas komplett anderes, ob ich zum Klettern verreise oder ob ich zu Hause klettere. Zu Hause habe ich den Kopf nie komplett frei, weil ich viel mehr im Alltag drin bin. Wenn ich allerdings verreise, um zu klettern, dann gibt es da auch NUR das Klettern für mich. Das bringt mir mehr Motivation. Ansonsten ist es auch so, dass man die Möglichkeiten, die man quasi vor der Haustüre hat, nicht so richtig schätzt, sondern eher die Dinge, die eben weit weg sind. Für diesen Sommer habe ich mir aber auch einmal vorgenommen, zu Hause zu bleiben. Wobei der Drang zu verreisen bei mir immer präsent ist, weil auch das Kennenlernen von anderen Ländern für mich mit dazu gehört.

 

netzathleten.de: 2007 ging es in die Dolomiten. War der „Fisch“ („Weg durch den Fisch“), den Du Free-Solo, also ohne jegliche Sicherung, in unter drei Stunden geklettert bist, deine bisher schönste Tour?

Das Erlebnis nach dem Free-Solo vom Fisch war mit Sicherheit das intensivste Gefühl, das ich bisher hatte. Was ich damals gemacht habe, war für mich selbst eigentlich unfassbar und daher in gewisser Hinsicht auch das schönste Erlebnis. Allerdings war es eben alleine. Alleinsein kann beim Klettern sehr schön sein, aber man braucht es nicht immer. Erlebnisse oder Erfolge mit Freunden sind im Nachhinein betrachtet oft noch mehr wert, als Erfolge die man alleine gefeiert hat.


netzathleten.de: Stehen auch in naher Zukunft besondere Projekte bei Dir an?

In diesem Jahr ist noch eine Erstbegehung mit Seil im rechten Wandteil der Marmolada geplant. Alpine Erstbegehungen haben immer einen gewissen Unsicherheitsfaktor. Und immer, wenn bei einem Projekt ein Unsicherheitsfaktor dabei ist, ist das für mich selbst sehr interessant, weil man nie weiß, was auf einen zukommt. Je höher dieser Unsicherheitsfaktor ist, desto größer ist die Gefahr, das Projekt umsetzen zu können. Aber das sind gerade die Herausforderungen, die ich suche und wenn man so ein Projekt letztlich zu Ende bringt, ist es natürlich umso schöner.

netzathleten.de: Wie man heraushört, kletterst Du hauptsächlich Routen, oder? Was liegt Dir daran mehr, als beispielsweise am Bouldern?

Genau. Ich bin eigentlich ein Routenkletterer. Ich gehe raus, um mit Seil zu klettern. Vor allem, um das Niveau vom Sportklettern auf die alpinen Pläne zu übertragen. Bouldern mache ich hauptsächlich im Boulderraum, rein zu Trainingszwecken, wobei ich mittlerweile auch angefangen habe draußen ein wenig zu bouldern. Beispielsweise im Frühjahr im Tessin. Aber ich muss ehrlich sagen, dass mich das Erlebnis an einem Bouldertag nicht so sehr befriedigt, wie das Erlebnis nach einem Sportklettertag. Das Erlebnis nach einer alpinen Expedition ist für mich viel intensiver. Das bedeutet aber keineswegs, dass ich die Kletterer, die hauptsächlich im Boulder-Bereich unterwegs sind, nicht respektiere. Ganz im Gegenteil. Ich bewundere die Leute, die sich mit einem kleinen Stück Fels so intensiv auseinandersetzen können. Nur für mich persönlich ist das nicht das Richtige.

netzathleten.de: Als Kletterer lernt man viele Extreme kennen. Würdest Du dich auch gerne in anderen Extremen ausprobieren? Beispielsweise im BASE-Jumping?

Ich bin sicher ein Mensch, der eher dazu neigt, risikoreiche Sportarten zu machen. Aber meine Leidenschaft für den Klettersport ist so groß, dass ich mir ziemlich sicher bin, dabei zu bleiben. Das schließt natürlich nicht aus, dass man auch einmal etwas anderes ausprobiert. Ich war schon paragleiten, aber da habe ich schnell gemerkt, dass mir das weniger taugt. BASE-Jumpen würde mich ehrlich gesagt schon reizen, aber ich könnte den Klettersport nicht so weit hinten anstellen, um dort Fuß fassen zu können, da eine neue Sportart ja auch immer mit sehr viel Aufwand verbunden ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

netzathleten.de: Was hältst du vom Free B.A.S.E., der Kombination aus Free-Solo-Klettern und BASE-Jumping, also mit einem Fallschirm im Gepäck, mit dem Dean Potter bei der Reel RockFilm Tour für Aufsehen sorgt?

Free B.A.S.E ist eine recht neue und eigentlich auch sehr coole Spielerei, wobei das voraussetzt, dass man im BASE-Jumping wirklich sehr gut ist. Mir gefällt es, wie Dean Potter das Free B.A.S.E interpretiert. Und zwar, dass es nicht Ziel ist, herunter zu springen, sondern, die Route ohne Sturz hinaufzukommen. Für ihn ist Free B.A.S.E also, wenn er die Route erfolgreich beendet hat und nicht, wenn er gesprungen ist. Der Fallschirm dient somit nur der eigenen Sicherheit. Ich persönlich kann es mir nicht vorstellen, weil ich BASE-Jumping eben noch nie ausprobiert habe. Bei mir ist es außerdem so, dass wenn ich ohne Seil klettern gehe, dann auch ohne Gurt. Wenn ich extrem unterwegs bin, dann richtig (lacht), also ohne jegliche Sicherheitsreserven. Dafür mache ich das aber auch nicht so oft.

netzathleten.de: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die kommenden Projekte.

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