Videoschiedsrichter: Chaos auch in der Bundesliga? gettyimages.de
Wie geht es weiter mit dem Videobeweis?

Videoschiedsrichter: Chaos auch in der Bundesliga?

  • Redaktion
Sporthochschul-Experte Memmert ist trotz des derzeitigen Chaos in Sachen Videobeweis beim Confed-Cup in Russland zuversichtlich für den Bundesliga-Einsatz von Videoschiedsrichtern.
csm Memmert Daniel 1b596e3e76Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert (im Bild), geschäftsführender Direktor am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule in Köln, gehört zu den intimsten Kennern des Videoschiedsrichterprojektes, das derzeit beim Confed-Cup in Russland für Aufsehen sorgt. Ab der kommenden Saison wird die komplexe Technik auch in der Bundesliga zum Einsatz kommen. Experten befürchten ein Chaos, Memmert ist aber zuversichtlich.

„Die Schiedsrichter beim Confed-Cup sind nach Aussage von Massimo Busacca, Schiedsrichter-Chef des Weltverbandes Fifa, gerade einmal vier Tage im Umgang mit der Videotechnik ausgebildet worden. Die Videoschiedsrichter in Deutschland üben dagegen seit einem Jahr“, sagt Memmert.

„Spieler, Trainer, Fans, Manager wollen den Videoassistenten, jetzt müssen wir auch schauen, dass wir das System entsprechend wertschätzend behandeln“, so der Experte weiter.

Hier lest Ihr das ausführliche Interview mit Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert:

Herr Memmert, in Russland haben die Videoassistenten zwar diverse Fehlentscheidungen ihrer Kollegen auf dem Rasen korrigiert, sie produzierten aber auch eigene Fehler. Sind zum Bundesligastart ähnliche Debatten wie beim Confed-Cup zu befürchten?

Die Schiedsrichter beim Confed-Cup sind nach Aussage von Massimo Busacca (Schiedsrichter-Chef des Weltverbandes Fifa) gerade einmal vier Tage im Umgang mit der Videotechnik ausgebildet worden. Die Videoschiedsrichter in Deutschland üben dagegen seit einem Jahr, das muss man mal ins Verhältnis setzen. Bei der DFL und beim DFB wurde sehr akribisch gearbeitet, das hat ein hohes Niveau. Nach all den Test, Übungen und Versuchen der vergangenen Monate gibt es robuste Zahlen, die sagen: Von drei Entscheidungen, die früher falsch waren, werden künftig zwei richtig sein.

Ein Problem beim Confed-Cup war, dass der Videoassistent nicht ausschließlich in ganz eindeutigen Situationen eingriff, so dass es Kontroversen über die Entscheidungen gab. Ein Beispiel ist die Rote Karte für den Kameruner Ernest Mabouka gegen Deutschland, nach der viele Experten sagten: Die gelbe Karte hätte auch gereicht.

Einer der wichtigsten Aspekte der Schulungen in Deutschland ist, genau das zu verhindern. Die Schiedsrichter arbeiten mit Metaphern, sie sollen sich vorstellen, dass das Bild, auf dessen Grundlage sie ihre Entscheidung treffen, allen Fans auf der großen Leinwand im Stadion gezeigt wird. Kein Videoassistent darf eingreifen, wenn zu erwarten wäre, dass von 60.000 Leuten im Stadion 50.000 sagen: Was ist denn das für ein Schwachsinn. Das darf nicht passieren, dann ist das System tot. Spieler, Trainer, Fans, Manager wollen den Videoassistenten, jetzt müssen wir auch schauen, dass wir das System entsprechend wertschätzend behandeln.
Der andere umstrittene Fall war das Tor des Chilenen Eduardo Vargas gegen Kamerun, als später eine virtuelle Abseitslinie aufs Feld projiziert wurde, die eine minimale Abseitsstellung illustrieren sollte. Bisher gibt es meines Wissens keine Technik, mit der sich eine wirklich genaue Abseitslinie in ein TV-Bild einzubauen lässt. Vor Entscheidungen, die man später vor vielen Menschen nicht klar begründen kann, lässt man die Finger.

Wo liegt aus Ihrer Sicht der Knackpunkt für ein Gelingen des Projektes?

Ein wichtiger Aspekt ist die Kommunikation zwischen dem Videoassistenten und den Schiedsrichtern auf dem Platz. Es gibt Regeln, wie kommuniziert wird, wie man Dinge abkürzt, wie man klar und eindeutig formuliert. Die deutschen Schiedsrichter arbeiten mit einem Katalog an Phrasen, der eingeübt wird. So können die Entscheidungen sehr schnell getroffen werden, und Missverständnisse werden unwahrscheinlich. Wenn man so will, ist dieser Confed-Cup eine ganz gute Vorbereitung auf die erste Saison mit Videoschiedsrichter in der Bundesliga, weil alle überrascht sein werden, wie gut das hier funktioniert.

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