Der Schienbeinbruch – Interview zu Diagnose, Behandlung und Heilungsdauer thinkstockphotos.de

Der Schienbeinbruch – Interview zu Diagnose, Behandlung und Heilungsdauer

Der Schienbeinbruch ist ein Knochenbruch am Unterschenkel, der für Sportler eine lange Auszeit bedeutet. Wie ein Schienbeinbruch diagnostiziert wird, wann er operiert werden muss und wie das Training nach einem solchen Bruch aussieht, erklärt Professor Dr. med. Andreas B. Imhoff, Chefarzt der Sportorthopädie-Abteilung der Technischen Universität München im Interview.
netzathleten.de: Herr Dr. Imhoff, welche Funktion übernimmt das Schienbein grundsätzlich?
Prof. Dr. Imhoff: Der Unterschenkel besteht aus zwei Knochen: dem Schienbein und dem Wadenbein. Der Schienbeinknochen ist der kräftigere der beiden. Wenn wir uns bewegen, geht die Belastung aufs Schienbein – es übernimmt also eine Tragefunktion. Dabei überträgt es das Gewicht vom Kniegelenk auf das obere Sprunggelenk. Das Schienbein ist also einer Dauerbelastung ausgesetzt.

netzathleten.de: Was ist ein Schienbeinbruch?
Prof. Dr. Imhoff: Bei Athleten sehen wir Schienbeinbrüche zumeist in einer Vorstufe zum eigentlichen Bruch – es handelt sich dann um kleine Haar- oder Faserrisse. Sie kommen durch eine Überbelastung des Schienbeinknochens zustande. Man spricht in diesem Fall von einer Stressfraktur oder einem Stressbruch, der Schmerzen verursacht, da die Knochenhaut oft entzündet ist. Es ist in diesem Fall jedoch nicht so, dass der Knochen komplett auseinander bricht. Bis das Schienbein richtig bricht, braucht es „mehr“ – ein Sturz vom Fahrrad, große Gewalteinwirkungen wie zum Beispiel ein heftiges Foul beim Fußball.

netzathleten.de: Wie stellt der Arzt einen Schienbeinbruch fest?
Prof. Dr. Imhoff: Ein Schienbeinbruch lässt sich mittels Röntgenbild oder Kernspintomographie (MRT) feststellen, wobei das Kernspintomogramm die feinen Unterschiede noch früher zeigt, sodass man früher behandelnd eingreifen kann. Bis man die kleinen Risse im Röntgenbild erkennt, sind diese schon fast wieder im Abheilungsprozess.  

netzathleten.de: Wie wird ein Schienbeinbruch behandelt und wann muss operiert werden?
Prof. Dr. Imhoff: Wenn das Schienbein komplett gebrochen ist, muss in jedem Fall operiert werden – das sind Notfälle, die sofort operiert werden müssen. Das Schienbein wird dann mit Metallplatten und Schrauben wieder zusammengeschraubt oder mit einem langen Nagel versorgt, der das Schienbein wieder zusammenführt. Diese Fälle sind aber sehr selten. Bei den sogenannten Stressbrüchen genügt die Schonung für etwa vier bis sechs Wochen, dann kann man das Schienbein wieder belasten. Bei dieser Vorstufe braucht es keine Operation.

netzathleten.de: Wann bin ich als Athlet nach einem Schienbeinbruch wieder einsatzfähig?
Prof. Dr. Imhoff: Die Heilung bei einem kompletten Bruch beträgt grob gesagt drei bis sechs Monate. Man kann natürlich gleich wieder auf dem Bein stehen und es bewegen, aber man kann es nicht sofort wieder voll belasten. Man geht in den ersten vier Wochen an Krücken, dann beginnt eine langsam zunehmende Belastung via Muskeltraining, sodass man nach etwa zehn bis zwölf Wochen mit dem sportspezifischen Training wieder einsetzen kann. Eine vollständige Belastung ist nach ungefähr sechs Monaten möglich.

netzathleten.de: Kann ein Schienbeinbruch langfristige Folgen haben? Was passiert zum Beispiel, wenn ich den Bruch nicht vollständig ausheilen lasse?
Prof. Dr. Imhoff: Ja, er kann Folgen haben. Zum einen bleiben Schmerzen zurück, da das Schienbein nicht stabil ist. Außerdem besteht die Gefahr, – sofern es sich um einen Stressbruch handelt – dass die Knochenfasern weiter einreißen. Es braucht eben seine Zeit, bis die Verletzung vollständig ausgeheilt ist. Den Heilungsprozess kann man auch nicht durch den Einsatz von Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln beschleunigen, da der Knochen so oder so wieder heilt. Aber man braucht eben Geduld.

netzathleten.de: Gibt es denn Präventionsmaßnahmen? Zum Beispiel Schienbeinschoner beim Fußball?
Prof. Dr. Imhoff: Die Prävention kann an verschiedenen Orten ansetzen. Die wichtigste Prävention ist das Training. Man trainiert sich langsam auf eine Leistung hoch, damit sich der Knochen adaptieren kann, er also stärker wird. Ein Schienbeinschoner selbst hilft nur gegen direkte Schläge. Von einem solchen äußeren Schutz sollte man nicht zu viel erwarten.

netzathleten.de: Herr Dr. Imhoff, vielen Dank für das Interview!

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