Warum schlafen wir – Neue wissenschaftliche Erkenntnisse thinkstockphotos.de

Warum schlafen wir – Neue wissenschaftliche Erkenntnisse

  • Christian Riedel
Rein evolutionstheoretisch gesehen ist Schlaf sinnlos, wenn nicht sogar gefährlich. Wir sind verwundbar, können uns weder ernähren noch fortpflanzen. Dennoch verschlafen wir rund ein Drittel unseres Lebens. Dass wir so viel schlafen ist nicht nur für den Körper wichtig. Auch unser Kopf benötigt diese Auszeit dringend.

Dass wir schlafen müssen, damit sich unser Körper von den Anstrengungen des Tages erholen kann, ist klar. Trotzdem bleibt es ein Geheimnis, warum wir so viel und so lange am Stück schlafen müssen, wie sonst kaum ein anderes Lebewesen. Auch die Forscher standen bisher vor einem Rätsel. Lange war nicht klar, was genau unsere graue Zellen im Schlaf machen. Eine neue Studie an der Universität von Rochester könnte jetzt eine mögliche Antwort auf die Schlaf-Frage gefunden haben.

Dass der Mensch so viel schläft, könnte an seinem Gehirn liegen. Denn in der Ruhephase kann der Körper nicht nur die Energiespeicher wieder auffüllen, sondern auch viel von dem Müll aufräumen, der sich in unserem Denkorgan angesammelt hat. Das kann man ruhig wörtlich nehmen. Denn im Schlaf verarbeitet unser Gehirn nicht nur die Eindrücke des vergangenen Tages, es räumt auch den molekularen Müll auf, der sich hier im Lauf der Zeit angesammelt hat.

Wie wichtig Schlaf für uns ist, zeigt sich, wenn man zu wenig davon bekommt. Schlafmangel hat schwere Konsequenzen für jeden Betroffenen. Es beginnt mit nachlassender Leistung, geht über Konzentrationsschwächen und kann im Extremfall sogar zum Tod führen. Schlafmangel erhöht zudem das Risiko für viele Beschwerden und Krankheiten wie Epilepsie, Alzheimer, Herz-Kreislauf-Probleme und auch Schlaganfall. Insofern ist es nicht nur für Sportler wichtig, ausreichend Schlaf zu bekommen.

Party im Gehirn


Eine britische Forschergruppe um Lulu Xie von der University of Rochester hat nun zumindest bei Mäusen einen wichtigen Mechanismus entdeckt, der Aufschluss darauf geben kann, was während der Schlafphase in unserem Gehirn passiert. Solange wir ruhen, schafft der Organismus schädliche Stoffwechselprodukte im Gehirn weg. Wie auch Maiken Nedergaard, Co-Autorin der Studie, berichtet, hat das Gehirn nur eine begrenzte Menge an Energie zur Verfügung. Allem Anschein nach, gibt es für das Gehirn nur zwei Zustände. Entweder es ist wach, passt auf, steuert die Körperfunktionen und nimmt neue Eindrücke auf, oder es schläft und räumt auf, was sich im Lauf des Tages angesammelt hat. Nedergaard beschreibt den Vorgang wie eine Party bei sich zuhause. Hier sollte man sich als Gastgeber ebenfalls entscheiden, ob man sich nun um die Gäste kümmert oder die Überreste der Feier aufräumt. Beides gleichzeitig geht nicht.

Wie die Wissenschaftler berichten, wird der gesammelte Unrat über Nacht mit dem Hirnwasser aus dem Gehirn gespült und in den Blutkreislauf gebracht, mit dem es letztendlich abtransportiert wird. Bei einer Untersuchung mit Mäusen, injizierten die Forscher einen grünen Farbstoff ins Gehirn und beobachteten, wie dieser sich verteilt. Nachdem die Nager aufgewacht waren, spritzten die Forscher einen roten Farbstoff ins Gehirn und beobachteten auch hier, was im Gehirn passiert. Dabei stellten sie fest, dass das Gehirnwasser während der Schlafphase tief in in das Gewebe hinein floss. Waren die Mäuse dagegen wach, reduzierte sich der Hirnwasserfluss um 95 Prozent. Das Gehirnwasser verteilte sich nur an der Oberfläche des Gehirns. Gleichzeitig stellten die Forscher fest, dass extra markierte Ablagerungen im Gehirn, so genannte β-Amyloide die beispielsweise Alzheimer verursachen können, im Schlaf doppelt so schnell abtransportiert wurden als bei wachen Mäusen.

Schrumpfen Gehirnzellen?


Die Forscher machten zudem eine andere interessante Entdeckung. Denn die Gehirnzellen scheinen nachts zu schrumpfen. Zumindest stellten die Wissenschaftler fest, dass nachts der Raum zwischen den Zellen 23 Prozent des Hirnvolumens ausmachte. Waren die Mäuse wach, waren es nur 14 Prozent. Die Zellen kontrahieren sozusagen im Schlaf. Die Forscher glauben, dass hier der Neurotransmitter Noradrenalin eine große Rolle spielt. Denn wenn wir aufmerksam sein müssen, wird mehr Noradrenalin ausgeschüttet. Im Schlaf dagegen nahm auch die Noradrenalinkonzentration im Gehirn ab.

Es bleibt nun die Frage, was im menschlichen Gehirn während des Schlafs tatsächlich passiert. Werden wir beispielsweise müde, wenn sich zu viel Molekularmüll im Gehirn angesammelt hat? Was passiert im Denkorgan, wenn der Körper zu wenig Zeit hat, diesen Müll wegzuschaffen? Und wie schädlich ist es, wenn das Gehirn beim Großreinemachen gestört wird. Es wird noch eine Weile dauern, bis diese Fragen restlos geklärt sind. Fakt ist aber, dass wir unserem Körper den benötigten Schlaf gönnen müssen. Ansonsten leidet nicht nur unser Körper, sondern auch unser Gehirn.

Hier geht’s zur Studie

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten