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Ballack im Interview über den aktuellen Fußball

Michael Ballack ging nicht über Scherben

Rekordtransfers, ein streikender Dembelé, die Formkrise der Bayern und die eigene Zukunftsplanung. Michael Ballack sprach vergangenen Donnerstag bei einem Sponsorentermin in München über aktuelle Themen des Fußballs.
Entspannt saß der 40-jährige Ballack über den Dächern des Münchner Ostens und beantwortete geduldig Journalistenfragen. Wettanbieter Betfair präsentierte den früheren Nationalmannschaftskapitän und Vizeweltmeister von 2002 in der bayrischen Landeshauptstadt als neuen Markenbotschafter. In der Öffentlichkeit taucht Ballack seit seinem Karriereende im Jahr 2012 nicht so häufig auf, wie viele seiner ehemaligen Kollegen. Hier und da ein wohl dosierter Fernsehauftritt als Experte, das war es gefühlt auch schon. Umso größer war der Presseauflauf bei diesem Termin. Schnell wurde klar, dass Ballack, obwohl er nach seiner langjährigen Karriere bisher kein offizielles Amt im Fußball bekleidet, auf dem aktuellsten Stand im internationalen Fußball ist.

Klar, dass sich die Fragen der anwesenden Münchner Journalisten an den ehemaligen FC-Bayern-Profi auch um die aktuelle Situation beim Rekordmeister drehten, die zuletzt fünf Meistertitel in Folge holten.

Michael Ballack dazu: „Die Bayern rennen seit Jahren vorneweg und dominieren, und der Rest hinkt hinterher. Bei den Münchnern ist immer der Anspruch da, die Champions League zu gewinnen. Sie versuchen, international mitzuhalten und damit entfernen sie sich gleichzeitig von der Konkurrenz im eigenen Land.“

Dennoch ist die Lage bei den Bayern derzeit alles andere als entspannt. Wie schätzt Ballack Ancelottis zweites Jahr ein?
Ballack: „Es wird schwieriger für ihn, die Eingewöhnungsphase ist vorbei. Er muss national wie international guten Fußball zeigen. Guardiola davor hat gewisse Maßstäbe gesetzt, gezeigt, wie man attraktiven Fußball spielt. Ich habe auch ein Jahr unter Ancelotti gespielt, dabei das Double 2010 mit Chelsea gewonnen. Ich kenne also seine Art, weiß, wie er mit den Spielern umgeht. Er wird in dieser Saison früh Gegenwind bekommen, hat ihn schon jetzt. Aber das kennt er. Ich denke, damit kann er umgehen, deshalb kann er auch Vereine wie Bayern trainieren.“

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In München zeigte Ballack, dass er noch immer kicken kann


Wenn Ballack Trainer wäre, würde Thomas Müller dagegen wohl öfter spielen:
Ballack: „Ancelotti trifft die Entscheidungen, aber natürlich hat Müller eine Ausnahmestellung inne. Auch, weil er ein Junge aus Bayern ist und sich bisher immer gegen eingekaufte Top-Stars durchgesetzt hat. Deshalb genießt er auch einen besonderen Rückhalt – muss sich aber auch den Leistungsprinzipien unterordnen. Die Bayern haben 20 Top-Spieler, da ist das schwer. Aber mittelfristig gehört Thomas auf den Platz. Wenn ich Trainer wäre, würde er bei mir spielen.“

Über den Neuzugang James Rodriguez sagt Ballack: „Er saß in Madrid nur noch auf der Bank, da ist es klar, dass Zweifel an ihm aufkommen. Die Bayern agieren aber generell zurückhaltend auf dem Transfermarkt und mit ihm ist ihnen ein guter Deal gelungen, denke ich. Der Spieler kommt auf Leihbasis für einen überschaubaren Betrag mit einem geringen Risiko. Aktuell ist es aber noch zu früh, um zu beurteilen, ob er Bayern weiterhelfen kann oder nicht."

Ballack äußerte sich aber auch zu anderen Vereinen, zum Beispiel, ob Borussia Dortmund in diesem Jahr Bayerns größter Konkurrent um die Deutsche Meisterschaft ist: „Dortmund ist klar ambitioniert und das Spielermaterial gibt auch was her. Zudem gab es nach dem Trainerwechsel kaum Anpassungsprobleme. Ich traue den Dortmundern in der Liga einiges zu.“

Aktuell beherrschen die Transfersummen und auch das Verhalten von Dembelé die Schlagzeilen. Ballack dazu: „Neymars Wechsel war etwas, wo jeder erstmal geschluckt hat und sich fragt: Ist das möglich? Die Summen explodieren und diesem Thema muss man sich stellen. Diese Entwicklung ist neu und wahrscheinlich zu rasant."

Für den streikenden Spieler Dembelé hat Ballack dagegen kein Verständnis: „2004 hatte ich die Möglichkeit, nach Barcelona zu wechseln, wir waren uns bereits einig. Aber der FC Bayern ließ mich damals nicht gehen. An Streik habe ich aber nie gedacht. Das ist ein No Go, was in da jetzt passiert ist. Dembelé hat Dortmund ja auch viel zu verdanken und man hat als Fußballer auch eine Vorbildfunktion.“

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Ballack im Dress der Nationalelf (©gettyimages)

Balsam für die Seele gab es von Ballack unterdessen für den derzeit als Nationaltrainer Rumäniens so gebeutelten Christoph Daum. Ihn bezeichnete er als seinen wichtigsten Trainer: „Natürlich denke ich da an Christoph Daum. Als ich nach Leverkusen kam, war ich noch sehr jung. Gut, wenn du dann einen Trainer hast, der auf dich setzt und auch individuell mit dir intensiv arbeitet. Ich habe also gute Erfahrungen mit Daum gemacht. Diese Zeit hat mich sehr geprägt und weitergebracht. Auch wenn ich mich davor gedrückt habe, über Scherben zu gehen. Das haben andere gemacht.“

Auch die Bundesliga-Rückkehr von Kevin-Prince Boateng, der Ballack vor der WM 2010 mittels rüdem Foul so schwer verletzte, dass dieser das Turnier verpasste, wurde angesprochen. Ballack dazu: „Jedem das Seine. Was soll ich dazu sagen? Frankfurt wird sich bei seiner Qualität Gedanken gemacht haben. Nach dem Vorfall 2010 hatten wir keinen Austausch mehr.“

Zu seiner persönlichen Situation, warum er bisher kein Amt im Fußball innehat, sagte er abschließend übrigens auch noch etwas: „Das ist eine bewusste Entscheidung. 20 Jahre lang habe ich ein recht intensives Leben geführt. Da wollte ich mich erst einmal zurückziehen und nicht gleich wieder eintauchen. Ich wollte auch das Leben, das ich bis dahin nie gehabt habe, mal kennenlernen, habe eine Familie und auch andere Interessen. Wenn ich mal in den Fußball zurückkomme, werde ich das mit Entschlossenheit tun. Aber der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen und deshalb sieht man mich noch nicht in irgendeiner Funktion." Durchblicken ließ der vierfache Deutsche Meister aber, dass ihn eine Arbeit als Trainer mehr reizen würde als die des Managers. "Wenn, dann würde ich lieber mit Spielern täglich arbeiten. Ich würde es bevorzugen, auf dem Platz zu stehen.“

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