„Alles so einfach wie möglich halten“ – Windsurf-Coach Pierre-Yves Mottier im Interview Nathalie Müller

„Alles so einfach wie möglich halten“ – Windsurf-Coach Pierre-Yves Mottier im Interview

Der Schweizer Pierre-Yves Mottier hat seit 25 Jahren eine Surfschule am Genfer See und trainiert Windsurfer an den verschiedensten Surf-Spots der Welt. Das macht ihn zu einem der erfahrensten Windsurf-Coaches weltweilt. Worauf kommt es beim Coaching an? Wir haben mit ihm über seine Vision des Windsurfens gesprochen.
netzathleten.de: Bereits mit 15 Jahren hast Du mit Windsurfen begonnen. Was bedeutet der Sport für Dich?
Pierre-Yves Mottier: Freiheit, Fitness, Gleichgewicht, Spaß und Freundschaft. Windsurfen hat mir viele Abenteuer und Freunde auf der ganzen Welt verschafft. Für mich bedeutet Windsurfen vor allem, eine tolle Zeit auf dem Wasser zu verbringen und neue Dinge auszuprobieren – ohne Druck und ohne Ziele. Auch heute habe ich immer noch so viel Spaß auf dem Brett wie damals, als ich angefangen habe. Diesen Spaß versuche ich als Coach an andere Menschen weiterzugeben.

netzathleten.de: Du trainierst sowohl Anfänger, als auch Profis. Wie ist Dein Training aufgebaut?
©Matthias KuhnPierre-Yves Mottier: Ich stimme jedes Training individuell auf den Athleten ab. Das Grundprinzip bleibt immer gleich: Alles so einfach wie möglich halten. Oft neigen wir dazu, Dinge zu verkomplizieren. In der ersten Stunde erkläre ich Anfängern nur das Nötigste zum Umgang mit dem Segel, nichts zum Wind und nichts zur Position der Hände oder Füße. Das sollen sie auf dem Wasser selbst herausfinden.

Lernt man etwas Neues, entstehen im Gehirn neue Verbindungen. Diese bilden und festigen sich schneller, wenn man etwas selbst ausprobiert und beobachtet was passiert. Und das immer und immer wieder. „Learning by Doing“ – so funktioniert motorisches Lernen. Meine Anweisungen bleiben deshalb möglichst vage. Ich sage zwar: ,Greife das Segel‘, beschreibe aber nicht wie. Wieso etwas erklären, dass die meisten sowieso intuitiv richtig machen? Indem ich eine Person mit Lob bestätige, verstärke ich die neu geformten Verbindungen im Gehirn nochmals. Das motiviert.

Das ist die große Verantwortung eines Trainers. Den Lernenden mit kleinen Tipps und positiver Kommunikation in die richtige Richtung zu lenken, ihn in richtigem Handeln zu bestätigen, ihm Sicherheit zu geben sowie für die geeignete Ausrüstung zu sorgen. Alles andere erreicht er von ganz allein. Menschen sind aus eigenem Antrieb zu viel mehr fähig, als sie denken.

netzathleten.de: Du sprichst von intuitivem Handeln. Wie viel hat Windsurfen mit Gefühl zu tun?
©Matthias KuhnPierre-Yves Mottier: Sehr viel. Den Wind können wir schließlich nur fühlen und nicht sehen. Ich hatte einmal die Gelegenheit, Blinden Windsurfen beizubringen. Das war sehr interessant. Die Blinden hatten unglaublich viel Spaß auf dem Wasser und waren extrem gefühlvoll. Sobald das Segel oben war, hielten sie es immer in der bestmöglichsten Position zum Wind. Das hat mir gezeigt, wie viele Eindrücke und Gefühle  Menschen mit normalem Sehvermögen eigentlich abschneiden. Mit verbundenen Augen lässt sich der Wind ausgesprochen gut wahrnehmen. Eine spannende Erfahrung, die ich nun auch im Training einsetze.

netzathleten.de: Neben dem Gefühl für den Wind, welche Fähigkeiten muss jemand mitbringen, der Windsurfen lernen möchte?
Pierre-Yves Mottier: Es gibt keine bestimmten Voraussetzungen, um Windsurfen zu lernen. Jeder ist einzigartig und bringt viele verschiedene Fähigkeiten mit, auf denen er aufbauen kann, sei es Radfahren, Skaten oder Skifahren. Gleichgewicht ist nichts, womit wir geboren sind. Das Gehirn muss es erst lernen. Jeder der Spaß auf dem Brett und keine Angst davor hat, ins Wasser zu fallen, kann mit der richtigen Ausrüstung zum Windsurfer werden. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Vielen Dank für das Interview.


Um Windsurfen für Anfänger besonders leicht zu machen, hat Pierre-Yves Mottier die neue Spielform des Windsurfens „Lightriding“ entwickelt. Wir haben das Ganze ausprobiert.

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