Geballert wird nicht! – Interview mit Bogenschützin Anja Hitzler Anja Hitzler

Geballert wird nicht! – Interview mit Bogenschützin Anja Hitzler

  • Maria Poursaiadi
Bogenschützin Anja Hitzler erklärt im netzathleten-Interview das Bogenschiessen, gibt Tipps für Anfänger und beschreibt die Einleitung ihrer Konzentrationsphase vor dem Schuss.

netzathleten: Als Bogenschützin musst Du Dich vom Zeitpunkt des Einlegens des Pfeils, des Anvisierens bis zur Schussabgabe stark konzentrieren. Wie leitest Du Deine Konzentrationsphase ein?
Anja: Die Konzentrationsphase beginnt eigentlich schon viel früher mit der Erwärmung. Das ist bei mir zu einem „einleitenden Ritual“ geworden, mit dem ich mich auf den Wettkampf einstimme.


„Erwärmungsritual“

netzathleten: Wie sieht Dein „Erwärmungsritual“ denn aus?
Anja: Ich fang immer mit den Handgelenken an, dann kommen die Ellbogen, dann die Schultern, dann der Hals, dann die Finger. Zuerst kreisen, dann für ein paar Sekunden dehnen und dann kommt der für mich wichtigste Teil – die Erwärmung mit dem Elastikband, die ich mit der Simulation von Schüssen abschließe.
Die Konzentrationsphase für den einzelnen Schuss beginnt bei mir dann mit dem Einlegen des Pfeils, danach richte ich den Blick zur Scheibe und gehe die mir wichtigsten Punkte meines Schusses noch einmal vor meinem geistigen Auge durch.

Netzathleten: Und was ist der wichtigste Punkt, der Dir durch den Kopf geht?
Anja: Vor allem denke ich daran, wie ich meinen Schuss beenden will - „weit“ und „kraftvoll“. Prinzipiell denke ich also mehr an die Technik als an das Ergebnis.


Schützen-Training

netzathleten: Das Ergebnis ist ja am Ende des Tages auch eine Frage des Trainings. Wie gestaltet sich denn das Training eines Bogenschützens überhaupt?
Anja: Der Schwerpunkt meines Trainings liegt natürlich auf dem Schießen selbst. Dabei unterteilt sich das Training in Techniktraining und wettkampfnahes Training. Je nachdem in welcher Phase der Vorbereitung man sich befindet liegt der Schwerpunkt auf dem einen oder dem anderen Teil. Allerdings sind auch Kraft- und Ausdauertraining sehr wichtige Komponenten, die nicht fehlen dürfen. Regelmäßiges Krafttraining ist wichtig für den Ausgleich, da die Schießbewegung eine doch sehr einseitige Belastung ist. Vor allem ist das Krafttraining wichtig, um Verletzungen, die bei uns vermehrt im Schulterbereich liegen, vorzubeugen. Das regelmäßige Ausdauertraining ist wichtig für die Konzentrationsfähigkeit, da wir uns wie gesagt bei Wettkämpfen über einen sehr langen Zeitraum hoch konzentrieren müssen.

netzathleten: Hast Du auch manchmal Tage, an denen Du einfach nicht triffst? Wie fängst Du Dich wieder auf?
Anja: Natürlich, das kommt immer wieder vor! Ich versuche dann zu analysieren, woran es liegen könnte und gehe meinen Schussablauf systematisch durch. Meistens finde ich auch das Problem. Wie das Ganze dann zu beheben ist und wie lange es dauert, ist leider sehr verschieden.

netzathleten: Dafür braucht man allerdings Ausdauer und Selbstbewusstsein. Wie sieht es bei Dir damit aus?
Anja: Nicht anders als bei anderen Sportlern. Mir fehlt auch manchmal das Vertrauen in mich und in meine Fähigkeiten. Daran muss man eben arbeiten.


Einzige deutsche Bogenschützin bei den Olympischen Spielen

netzathleten: Du warst bei den Olympischen Spielen in Peking die einzige deutsche Frau in Deiner Disziplin. Kommt man sich sehr allein vor ohne jegliche Mitstreiterin im eigenen Lager?
Anja: So ganz alleine habe ich mich gar nicht gefühlt. Es waren noch ein männlicher Bogenschütze (Jens Pieper) und mein Trainer dabei. Natürlich habe ich auch jede Menge Unterstützung von den anderen Schützen meines Verbandes erhalten. Darüber hinaus kommt man bei den Olympischen Spielen relativ schnell in Kontakt mit Athleten aus anderen Sportarten. Aber es ist natürlich immer schöner, wenn man mit einer Mannschaft (die bei uns aus drei Schützinnen bzw. drei Schützen besteht) zu einem Wettkampf fahren kann. Besonders wenn es ein großes Ereignis ist! Ich hoffe – und gehe davon aus – dass das bei den Olympischen Spielen in London auch wieder der Fall sein wird.

netzathleten: Anja, Du bestreitest Deine Wettkämpfe mit einem „Recurve-Bogen“. Was genau ist das?
Anja: Das Schießen mit dem Recurve Bogen ist die einzige Olympische Disziplin im Bogenschießen, obwohl es noch einige andere Bogen- und Wettkampfarten gibt. Der Bogen hat seinen Namen von der Form der Wurfarme, deren Enden nach vorne gebogen sind. Spannt man den Bogen so wird das Zuggewicht immer schwerer, je weiter er gespannt wird. Außerdem zielt man im Vergleich zu anderen Bögen mit einem Visier.

netzathleten: Es gibt, wie bei fast allen Sportgeräten, auch für den Sportbogen unzählige Formen und Materialien. Was rätst Du einem Anfänger, mit was für einen Bogen soll dieser beginnen?
Anja: Also eigentlich ist es nicht nötig, sich gleich am Anfang einen eigenen Bogen zu kaufen. Ich denke es ist am Besten, einen Verein in seiner Nähe aufzusuchen, denn fast jeder Verein hat ein paar Anfängerbögen, mit denen man erst einmal die grundlegende Technik erlernen kann. Dann gibt es die Möglichkeit, Bögen zu mieten, was meiner Meinung nach sehr sinnvoll ist, da die guten Bögen doch relativ teuer sind. Man kann sich aber natürlich auch für den Anfang einen relativ günstigen Holz oder Kunststoffbogen kaufen…



Geballert wird nicht!

netzathleten: Hast Du zum Abschluss vielleicht noch drei goldene Regeln für ein erfolgreiches Training als Bogenschütze?
Anja: Also so eine goldene Regel hab ich eigentlich nicht, aber ich denke das Wichtigste ist, qualitativ hochwertig und konzentriert zu trainieren. Es bringt nicht viel, wenn man nur durch die Gegend „ballert“. Und für den Wettkampf ist es sehr wichtig sich selbst zu vertrauen und an sich und seine Fähigkeiten zu glauben.

 

Das Interview wurde gehalten von Maria Poursaiadi.

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