Paracycling: UCI-Bahnrad-WM Mexiko 2014 manifoto.de

Paracycling: UCI-Bahnrad-WM Mexiko 2014

  • Kristin Hierl
Vom 10. bis 13. April 2014 werden die Bahnrad-Weltmeisterschaften der Paracycler im mexikanischen Aguascalientes ausgetragen. Wir sprachen mit Denise Schindler, WM-Teilnehmerin und Silbermedaillengewinnerin der Paralympics 2012, über die Besonderheiten der diesjährigen Bahnrad-WM und ihren Kampf gegen die Zeit.

netzathleten.de: Denise, Du wurdest im letzten Jahr vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) für die Bahnrad-WM 2014 nominiert und gehst in wenigen Tagen für das deutsche Team in Aguascalientes an den Start. Dabei gab der internationale Radsportverband UCI erst im Dezember bekannt, dass die WM in Mexiko und bereits im April stattfinden wird.

Denise Schindler: Das ist richtig, erst Ende Dezember wurde veröffentlicht, dass die Bahn-WM im April 2014 stattfinden wird. Das war schon extrem kurzfristig und damit auch sehr problematisch für das gesamte Team, sich entsprechend vorzubereiten. Wir sind eine Straßennation, das heißt der Fokus liegt grundsätzlich auf dem Asphalt, unter freiem Himmel. Viele Athleten haben daher die WM abgesagt, um sich voll und ganz auf die Straße zu konzentrieren. Grund dafür ist nicht zuletzt das kurzfristig gewählte Datum. Generell wurde ein sehr ungeschickter Zeitpunkt für eine Bahn-WM gewählt, wenn der Schwerpunkt auf der Straße liegt. Auch ich habe mir die Frage gestellt, ob ich an der WM teilnehmen sollte. Schließlich habe ich mich dann doch dafür entschieden. Mit allem, was dazu gehört.

netzathleten.de: Weshalb hat die UCI diese Schwierigkeiten nicht berücksichtigt?

Denise Schindler: Es wurde sehr lange behauptet, es gäbe keinen Veranstalter, obwohl es klare Bewerber gab. Bis es zu einer Einigung kam, verging viel Zeit und man ließ uns Sportler einfach in der Luft hängen. Zum Glück wirkten viele Paracycler – berechtigterweise – großen Druck auf die UCI aus, weshalb es dann zu einer Ausschreibung kam. Den Athleten wurde das Gefühl vermittelt, man wolle der Veranstaltung ausweichen, was ich sehr schade finde.

netzathleten.de: Ist das der Grund, weshalb die Medienpräsenz eher ausblieb?

Denise Schindler: Ja, ich denke schon, dass dem Ganzen nun noch weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Obwohl sich England für die Austragung bereiterklärte, wurde dieser wichtige und durchaus interessante Bewerber einfach ignoriert. Da muss man schon sagen, dass die UCI in Zukunft gewissenhafter planen sollte, zumal wir nicht alle Vollprofis sind. Kurzfristige Planänderungen bedeuten viel Stress und zusätzliche Kosten, da wir unseren Trainingsplan komplett umstellen müssen.

netzathleten.de: Apropos Trainingsplan: Auch Dein Terminkalender sieht für die kommenden Monate sehr straff aus…

Denise Schindler: Ja, das stimmt. Die Kunst wird sein, diesem Stress standzuhalten. Alles unter einen Hut zu bekommen, wird wohl der größte Spagat, den ich leisten muss.

netzathleten.de: Trotz kurzfristiger Planung und ungewohntem Terrain gehst Du die Herausforderung in Mexiko dennoch an. Was rechnest Du Dir aus?

Denise Schindler: Meine Stärken liegen ganz klar beim Straßenfahren. Das wird auch so bleiben. Der Straße den Rücken zu kehren, um sich mehr auf das Bahnfahren zu konzentrieren, wäre in meinem Fall eher kontraproduktiv. Dennoch denke ich, dass die Verfolgung in Mexiko eine Disziplin ist, der ich sicher viel abgewinnen kann. Zudem möchte ich testen, inwieweit ich meine Bestzeiten verbessern kann. Das Ziel ist es, diese zu toppen. Wenn das gelingt, kann ich sehr zufrieden sein. Dann gilt es abzuwarten, ob das reicht, um bei der Weltspitze auf’s Podium zu fahren.

netzathleten.de: War die Trainingszeit ausreichend, wenn man bedenkt, dass die Bahn nicht zu Deinen Stärken gehört?

Denise Schindler: Bis jetzt bin ich sehr zufrieden, auch wenn beim Material nicht alles rund lief. Seit zwei Wochen trainiere ich mit dem Rad, das ich im Wettkampf-Setup fahren werde. Das ist sehr kurz und macht natürlich auch etwas unsicher. Ich hatte die WM-Option schon länger im Auge und mich frühzeitig darauf vorbereitet. Das ist sicherlich ein Vorteil, da ich etwas mehr Zeit auf der Bahn verbringen konnte als andere Athleten aus dem Team. Offen bleibt, ob das Training für den Wettkampf wirklich ausreichend sein wird.

netzathleten.de: Aguascalientes liegt auf 1885 Höhenmeter. Wie hast Du Dich darauf vorbereitet?

Denise Schindler: Seit zirka zwei Wochen schlafe ich in einem speziellen Höhenzelt, das viele positive Anpassungsprozesse wie Atemfähigkeit und Leistungssteigerung in Gang setzt. Das Zelt habe ich um mein Bett im Schlafzimmer aufgebaut, das heißt, momentan wird das Zubettgehen zum richtigen Campingerlebnis (lacht). Es lässt sich hervorragend in den Alltag integrieren und ich muss nicht extra in die Alpen fahren, um dort zu übernachten. Ich kann in meiner Umgebung bleiben, hier trainieren und zur Arbeit gehen. Das ist wirklich sehr bequem und ich hoffe, dass ich mit dem Zelt die Umstellungsdefizite minimieren kann.

netzathleten.de: Du wirst nicht nur bei der Verfolgung, sondern auch beim 500-Meter-Sprint an den Start gehen. Eine Disziplin, die nicht zu unterschätzen ist, oder?

Denise Schindler: Auch hier kann ich sicher einiges mitnehmen. Dennoch ist die Disziplin für mich als gute Zeitfahrerin eine große Herausforderung. Man muss wahnsinnig schnell seine Leistung abrufen und auf den Punkt bringen. Der Vorteil liegt darin, dass ich beim Sprint testen kann, wie ich mit Nervosität umgehe und sehe, wie es um wichtige Abläufe bestellt ist, bevor es in die Verfolgung geht. Spannend bleibt zudem, den richtigen Gang zu finden. Bei der Verfolgung ist das die Königsdisziplin. Ob hoher oder niedriger Gang entscheidet sich meist erst kurz vor Start. Ein Mechaniker montiert dann die von mir gewünschte Übersetzung, die sich während des Laufs natürlich nicht mehr ändern lässt.

netzathleten.de: Wo liegen die Vor- und Nachteile bei der Einstellung?

Denise Schindler: Mit einer „dicken Kettung“, also einem hohen Gang, zu fahren, bringt natürlich ordentlich Speed. Die Frage ist allerdings, ob man diese hohe Übersetzung bis zum Ende durchhält. Mit einer „dünnen Kettung“ kann es passieren, dass ich zwar wesentlich leichter die hohe Frequenz halten kann, jedoch kann das am Ende auch bedeuten, dass ich vielleicht wichtige (Zenti)Meter verschenke, da der Gang eventuell zu leicht war.

netzathleten.de: Denise, vielen Dank, dass Du noch vor Deiner Reise nach Mexiko die Zeit gefunden hast, uns Rede und Antwort zu stehen. Wir wünschen Dir für die diesjährige Bahnrad-WM natürlich alles Gute und viel Erfolg!

Denise Schindler: Vielen Dank! Ich freue mich auf die Reise. In diesem Sinne „Never stop spinning“.

 

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