110-m-Hürden-Läufer Helge Schwarzer im Interview: „Wie ein Balletttänzer“ Helge Schwarzer privat

110-m-Hürden-Läufer Helge Schwarzer im Interview: „Wie ein Balletttänzer“

  • Helge Schwarzer
110-Meter-Hürden-Vizemeister Helge Schwarzer nimmt kurz vor der Leichtathletik-WM in Berlin Stellung zu seinen Erwartungen, seinen Chancen und zur deutschen Leichtathletik im internationalen Vergleich.

netzathleten: Was macht einen guten Hürdensprinter aus?
Helge Schwarzer: In erster Linie musst Du schnell laufen können. Das kann jeder 100- oder 200-Meter-Sprinter natürlich auch. Was ein Hürdensprinter zusätzlich mitbringen muss, ist ein ausgeprägtes Bewegungsgefühl. Der Sport stellt hohe Anforderungen an die Motorik, die Bewegungsabläufe sind einfach sehr komplex. Man muss fast wie ein Balletttänzer filigran über die Hürden fliegen, um schnell zu sein.

netzathleten: Wie bist Du zum Hürdensprint gekommen?
Helge Schwarzer: Bis ich 14 oder 15 Jahre alt war, habe ich, wie viele andere Leichtathleten auch, Mehrkampf gemacht. Irgendwann sieht man dann, was einem am besten liegt. Bei mir war es eben der Hürdensprint.

netzathleten: Du hast bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm mit dem zweiten Platz in persönlicher Bestzeit das WM-Ticket für Berlin gelöst. Warst Du nach dem Zieldurchlauf einfach nur froh über die Quali und die Bestleistung, oder enttäuscht, weil Du so knapp geschlagen wurdest?
Helge Schwarzer: Dass ich um drei Hundertstel Sekunden am Meistertitel vorbei geschrammt bin, war schon etwas schade. Aber im Grunde haben direkt nach dem Lauf und erst recht auf der Ehrenrunde die Freude und die Erleichterung überwogen.

netzathleten: Wie motivierst Du Dich jetzt für die WM, nachdem das erste große Ziel, die Qualifikation erreicht ist?
Helge Schwarzer: Ich muss gestehen, dass ich das erst mal verarbeiten musste. In der ersten Woche nach der Qualifikation habe ich schon gemerkt, dass eine Last von mir abgefallen ist. Mittlerweile habe ich meine Spannung aber wiedergefunden und bin wieder voll fokussiert. Mein Trainer war mir dabei natürlich eine große Hilfe.

netzathleten: Was sind Deine Ziele bei Deiner ersten Weltmeisterschaft?
Helge Schwarzer: Ich möchte natürlich meine Leistung bringen und an die Deutschen Meisterschaften anknüpfen. An dem Tag hat Vieles gepasst, und die Zuschauer haben einen richtig gepusht. Wenn bei der WM vor der tollen Kulisse das Halbfinale rausspringen sollte, wäre das toll.

netzathleten: Wie stehst Du zur teils heftigen Kritik an der deutschen Leichtathletik, gerade nach dem schlechten Abschneiden des DLV in Peking (eine Bronzemedaille; d. Red.)? Geht die Öffentlichkeit zu kritisch mit Euch um?
Helge Schwarzer: Ich glaube schon, dass die Leute möchten, dass wir gut aufgestellt sind und gerade bei der Heim-WM gut aussehen. Aber meiner Meinung nach wird für den Erfolg nicht alles Nötige getan. Ich habe zum Beispiel nie Sporthilfe erhalten. Um es klarer zu machen: Die deutsche Leichtathletik ist hoch professionalisiert. Und doch gibt es im Ausland viele Verbände, die Ihren Athleten mindestens genauso professionelle Möglichkeiten bieten. In manchen Sportnationen können sich die Athleten noch mehr auf Ihren Sport konzentrieren. Finanzielle Sicherheit spielt da schließlich auch eine Rolle.

netzathleten: Das bedeutet, der Sport kollidiert irgendwo mit Deinem Studium?
Helge Schwarzer: Ja, ich habe mir zwei Urlaubssemester genommen, um das Ziel Berlin zu erreichen. Das ist schon eine Entbehrung. Es gäbe natürlich die Möglichkeit, Sportsoldat zu werden. Aber ich persönlich würde nicht zu einhundert Prozent hinter diesem Konzept stehen. Insofern habe ich mich nie ernsthaft mit diesem Gedanken befasst. Es müsste ein Konzept für Sportler geben, der über Bundeswehr oder Bundespolizei hinaus geht.

netzathleten: Du bist noch sehr jung, und hast in den letzten vier Saisons Deine persönliche Bestzeit jeweils verbessern können. Welche Ziele hast Du für die nächsten Jahre?
Helge Schwarzer: Mein großes Ziel über die WM hinaus ist natürlich Olympia 2012 in London. Bis dahin möchte ich gerne unter die Top 8 in der Welt kommen. Doch die Basis dafür ist, dass man verletzungsfrei bleibt und sich über Jahre kontinuierlich vorbereiten kann. Ich habe mich zum Beispiel bei der Hallen-EM bei einem Sturz an der Schulter verletzt. So etwas wirft einen natürlich im Training zurück.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in Berlin.

Das Interview führte Marco Heibel

Mehr Infos zu Helge findet Ihr in seinem Blog http://helgeschwarzer110m.blogspot.com/

Netzathleten-Star:
Helge Schwarzer (*26. November 1985), startet für den Hamburger SV
Größter Erfolg: Deutscher Vizemeister 110 Meter Hürden 2009, WM-Teilnehmer in Berlin 2009
Persönliche Bestzeit: 13,39 Sekunden (2009)

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten