„Guter Einstand als Trainer für Filbrich“ – Interview mit Jens Filbrich getty images

„Guter Einstand als Trainer für Filbrich“ – Interview mit Jens Filbrich

  • Nils Borgstedt
Jens Filbrich hat vergangenes Wochenende seine Langlaufkarriere beendet. Wir sprachen mit dem 35-Jährigen über seine letzten Olympischen Spiele, seine Karriere und das letzte Weltcuprennen seiner Karriere.

netzathleten.de: Wir haben dich immer wieder begleitet, gerade auch in der letzten, der Olympiasaison. Wie lautet denn im Rückblick dein Fazit der Olympischen Spiele?
Jens Filbrich: Natürlich wollte ich um die Medaillen mitkämpfen. Das muss auch das Ziel sein von einem Sportler, der schon Medaillen gewonnen hat – gerade bei der letzten Olympiade der Karriere. Insgesamt muss ich sagen, dass ich den 14. Platz über 15 km Klassisch durchaus positiv sehe. Das war ein ordentlicher Wettkampf.

Für mich war wichtig zu sehen, dass ich aufgrund meiner Leistungen wieder in die Staffel komme. Das habe ich geschafft und damit war schon mal ein Zwischenziel erreicht. Stolz war ich natürlich auch, als Startläufer ins Staffelrennen gehen zu dürfen. Leider habe ich uns dann mit Sturzpech ins Hintertreffen gebracht. Allerdings konnte ich mir in der Situation nichts vorwerfen. Ich konnte nichts dagegen machen. Dass einem beim Spurwechsel jemand auf die Ski fährt, das passiert einfach schnell bei einem Massenstart-Rennen. Ich bin daher auch niemandem böse, es war einfach eine sehr blöde Situation. Aber auch ohne den Sturz hätten wir große Probleme gehabt, in der Staffel um die Medaillen mitzukämpfen.

Ich blicke trotzdem sehr gerne auf Olympia zurück. Es waren schöne Spiele, top organisiert, super Wettkampfstrecken, gute Stimmung an den Strecken. Ich sehe das alles durchweg positiv.

netzathleten.de: Nun waren es nach 2002, 2006 und 2010 deine vierten Olympischen Spiele. Im Vergleich, wo würdest du Sotschi 2014 einordnen?
Jens Filbrich: Das kann man nicht machen. Jeder Ort hatte sein eigenes Flair, seine eigenen Voraussetzungen. Salt Lake 2002 war natürlich etwas ganz Besonderes, weil es meine ersten Spiele waren. Da ist man unglaublich stolz und völlig geflashed, überhaupt dabei zu sein. Landschaftlich war Vancouver beziehungsweise Whistler sicherlich das Nonplusultra. An Turin denke ich gerne zurück, weil ich dort Silber gewonnen habe. Man kann die Orte daher nicht wirklich miteinander vergleichen. Sotschi war einfach super organisiert und ich konnte auch bei der Eröffnungsfeier dabei sein, die sehr schön war. Dazu das sensationelle Wetter, Sommer bei Winterspielen. Das war zwar für uns Sportler sehr schwierig, aber für die Zuschauer sicher klasse.

netzathleten.de: Nach Olympia fanden noch weitere Weltcups statt, seit letztem Wochenende bist du aber im athletischen Ruhestand. Du hast dein letztes Profirennen bestritten. Wie fühlt sich das an? Begreifst du die neue Situation schon?
Jens Filbrich: Das ist natürlich alles sehr schnell gekommen. Als Sportler lebt man eben sehr schnell. Man hat immer Ziele vor Augen. In dieser Saison waren es erst die Olympia-Quali und die Tour de Ski, dann die Spiele selbst. Dann war Olympia geschafft und ich hatte noch so große Highlights wie den Start beim Wasa-Lauf. Anschließend wollte ich natürlich auch den 50er am Holmenkollen laufen. Das ging alles sehr schnell vorbei, daher herrscht im Moment schon ein wenig Wehmut. Wehmut kam aber auch schon bei der Abschlussfeier von Olympia auf, als das Feuer ausging. Da habe ich gedacht: Ok, deine vierten olympischen Spiele sind jetzt auch vorbei.

Ich persönlich hatte jetzt am Holmenkollen einen wunderschönen Abschied. Der Holmenkollen ist ja das Wimbledon für einen Langläufer, das Ultimative. Es waren am letzten Samstag nochmal extrem viele Zuschauer an der Strecke, von denen bestimmt die meisten gewusst haben, dass der Tobi Angerer und ich unser letztes Rennen bestreiten. Ich hatte das Gefühl, dass sie uns besonders angefeuert haben, sie haben unsere Namen gerufen – das war Gänsehaut-Feeling pur. Als ich dann mit Tobi zusammen ins Stadion eingebogen bin und die ganze Tribüne sich erhoben und Beifall geklatscht hat, war das etwas ganz Besonderes. Das habe ich richtig genossen. Im Zielraum hat uns dann das ganze Team inklusive Techniker empfangen, wir wurden auf Tragen, man könnte fast sagen Sänften, aus dem Stadion getragen. Vor den Augen des Königs. Das war natürlich ein absolutes Highlight. Die Oberkrönung war dann, als Tobi und ich ein Zertifikat überreicht bekommen haben, dass ein Streckenabschnitt am Holmenkollen nach uns benannt wird. Das ist wirklich ehrenhaft. Man kann das fast nicht in Worte fassen. Ich denke daher sehr gerne an mein letztes Rennen zurück. Für mich hätte es keinen besseren Rahmen gegeben, abzutreten.

netzathleten.de: Auch nicht das Weltcupfinale in Falun?
Jens Filbrich: Um in Falun starten zu können, hätte ich entweder Olympischer Goldmedaillengewinner sein oder unter die Top 50 im Weltcup kommen müssen. Derzeit liege ich aber nur auf Platz 57. Aber selbst wenn ich das geschafft hätte, hätte ich in Oslo meine Karriere beendet und gesagt, ich fahre nicht nach Falun. Das stand für mich schon vorher fest.

netzathleten.de: Lass und noch ein wenig über besondere Erlebnisse in deiner Laufbahn sprechen. Wenn du Deine Karriere in drei Wörtern beschreiben müsstest, wie würden sie lauten?
Jens Filbrich: (überlegt) Außergewöhnlich, erfolgreich, schön. So kann man das sagen.

netzathleten.de: Gab es in deiner Karriere eine Schlagzeile, die dich besonders stolz gemacht hat, die dich besonders berührt oder auch geärgert hat?
Jens Filbrich: Da bin ich jetzt auch wieder in Oslo. Das war wohl der beste Weltcup meiner Karriere. Ich bin Zweiter am Holmenkollen im 50er geworden. Und da hatte die BILD-Zeitung in etwa getitelt: Der Ritterschlag für Filbrich. Das war schon toll. Große Zeitung, deutschlandweit und dann diese Überschrift. Sportlich war das natürlich für mich auch klasse, bei so einen großen und schweren Rennen auf dem Podium gestanden zu haben.

netzathleten.de: Und wenn du dir zum Abschluss der Karriere noch eine Schlagzeile wünschen würdest, wie sähe diese aus?
Jens Filbrich: Eine Schlagzeile? Da muss ich natürlich versuchen, eine Brücke zu schlagen in meine Zukunft. Ich möchte ja Trainer werden und dem deutschen Skiverband und dem deutschen Langlauf etwas zurückgeben. Daher würde ich sagen: Guter Einstand als Trainer für Filbrich.

netzathleten.de: Damit sind wir ja direkt bei der Zukunft, der Zeit nach der Karriere. Was steht die nächsten Wochen auf dem Plan und was passiert mittel- und langfristig bei dir?
Jens Filbrich: Ich werde jetzt erst mal bewusst Zeit mit der Familie verbringen, die ist gerade in den letzten Monaten viel zu kurz gekommen. Dann planen wir noch, ein Haus zu bauen. Das ist natürlich auch eine große Baustelle, die da ansteht. Soviel zum Privaten. Beruflich geht schon im April die Trainerausbildung los und das Trainerstudium beginnt im Oktober. Von daher habe ich gar nicht so viel Zeit zum Nachdenken. Vielleicht ist das auch ganz gut, dass die nächsten Aufgaben anstehen und ich direkt wieder Gas geben kann.

netzathleten.de: Gibt es schon genauere Pläne bezüglich einer Trainerstelle?
Jens Filbrich: Da gibt es noch keine konkreteren Pläne. Aber die Trainerausbildung wird ja eng mit dem Skiverband abgestimmt. Wie die Verwendung in Zukunft ist, ist noch nicht klar. Für mich ist es vor allem erst mal wichtig, Erfahrung zu sammeln.

netzathleten.de: Und wie siehst du die Zukunft des deutschen Langlaufs?
Jens Filbrich: Das ist natürlich ein schwerwiegendes Thema. Aufgrund der Geburtenraten gibt es ja immer weniger Kinder. Und diese relativ wenigen Kinder muss man auch davon überzeugen, einen so harten Sport wie Langlaufen zu machen. Man muss sehr viel investieren, sehr viel Herzblut reinstecken und auch eine große Ausdauer in der Leistungsentwicklung haben. Man muss sich über viele Jahre nach oben kämpfen. Und da müssen jetzt Anstrengungen unternommen werden, um den Kindern auch so einen Sport schmackhaft zu machen. Es ist aber allgemein im deutschen Sport wichtig, dass Nachwuchs gewonnen wird. Es muss an den Schulen möglich sein, Kinder zum Sporttreiben zu animieren, und auch eine gute Vereinsarbeit ist wichtig. Nur so kann der Skilanglauf überleben.

Als Positivdenker, und ich war schon als Athlet ein Positivdenker, bin ich natürlich der Ansicht, dass man auch mit den wenigen Nachwuchskräften, die wir haben, erfolgreich sein kann. Deutschland ist eine kleine Langlaufnation, man hat aber in den vergangenen zehn Jahren gesehen, wie erfolgreich man auch mit wenigen Läufern sein kann. Es wurde über uns immer von der goldenen Langlaufgeneration gesprochen, die jetzt abtritt. Aber ich bin mir sicher, dass es auch in fünf, zehn oder 15 Jahren wieder eine deutsche Langlaufgeneration geben kann, die vielleicht auch golden ist. Daran glaube ich und ich bin davon überzeugt, dass der deutsche Langlauf eine gute Zukunft hat.

netzathleten.de: Zumal, wenn die aktuelle goldene Generation dann die Trainerführung übernommen hat.
Jens Filbrich: (lacht) Na klar. Ich habe ja immer wieder betont, dass ich für alles, was ich genießen konnte, auch an Förderung von der Thüringer Sporthilfe, dem Skiverband und auch dem Stützpunkt Oberhof etwas zurückgeben möchte. Deswegen will ich mich dann auch mit Herzblut in die Zukunft stürzen.

netzathleten.de: Dabei wünschen wir dir viel Erfolg!

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