Interview mit Jens Filbrich – Olympia naht getty images; Die Ziellinie für die Langläufer in Sotschi - wer überquert sie als erstes?

Interview mit Jens Filbrich – Olympia naht

  • Nils Borgstedt
Langläufer Jens Filbrich befindet sich auf dem Weg nach Sotschi. Einen Tag vor dem Abflug der Langläufer zu den Olympischen Spielen haben wir mit ihm gesprochen. Er verriet uns unter anderem mit wem er sich ein Zimmer teilen wird und welche Momente die emotionalsten für ihn bei Olympischen Spielen sind.

netzathleten.de: Nach dem letzten Weltcup steht Sotschi vor der Tür. Wie zufrieden bist du mit den Ergebnissen der Generalprobe in Toblach?
Jens Filbrich: Es lief zwar insgesamt nicht ganz so rund, wie ich mir das vorgestellt habe, in der dritten Runde hatte ich Krämpfe, aber ich bin nicht unzufrieden. Ich bin 20. geworden, konnte unter Beweis stellen, dass ich im klassischen Stil in einer guten Verfassung bin. Das war sehr wichtig für mich, gerade bei einem Wettkampf, an dem wirklich alle Nationen am Start stehen. Das war ein Rennen mit offenem Visier. Jeder hat gezeigt, was er unmittelbar vor Olympia drauf hat. Ohne die Krämpfe wäre deutlich mehr drin gewesen. Ich fahre mit Selbstvertrauen nach Sotschi.

netzathleten.de: Du sagst es, es geht nach Sotschi. Wie sieht dein Zeitplan aus? Wann geht’s los?
Jens Filbrich: Heute Abend geht es noch nach Frankfurt und morgen dann gemeinsam mit den Biathleten weiter nach Sotschi.

netzathleten.de: Richtig los geht es dann ja erst am Freitag, da steht die Eröffnungsfeier auf dem Plan. Was macht ihr bis dahin?
Jens Filbrich: Vorher werden wir uns schon mal ein bisschen einleben und akklimatisieren. Dann werden nochmal die Einsatzpläne für die ersten Wettkämpfe durchgesprochen. Und dann geht’s eigentlich erst los.

netzathleten.de: Es sind deine vierten olympischen Spiele, du hast folglich das ganze Prozedere schon mehrfach mitgemacht, von Einkleidung über Anreise, wohnen im olympischen Dorf. Was ist denn für dich der emotionalste Moment bei Olympischen Spielen?
Jens Filbrich: Das Emotionalste für mich war meine erste olympische Medaille in Salt Lake City (2002, Bronze mit der Staffel, Anm. d. Red.). Darauf war ich schon sehr stolz. Was damals auch schön war, war die Eröffnungsfeier. Ich habe mir das nicht nehmen lassen mit ins Stadion einzumarschieren. Das ist etwas ganz Besonderes hinter deutschen Fahne herzulaufen. Das sind schon sehr eindrucksvolle Momente.

netzathleten.de: Dann wirst du dir es in diesem Jahr sicher auch nicht nehmen lassen mit einzulaufen, oder?
Jens Filbrich: Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Dass muss ich vor Ort relativ kurzfristig entscheiden. Das hängt davon ab, bei welchen Wettkämpfen ich starte. Wenn zum Beispiel der Duathlon für mich in Frage kommen sollte, kann ich die Feier nicht mitmachen. Der Wettkampf ist ja schon zwei Tage später. Wenn ich aber nur über 15 Kilometer klassisch starte, habe ich etwas mehr Zeit. Dann überlege ich mir das. Aber auch dann muss man „Kosten-Nutzen“ abwägen. Wir nordischen Sportler sind ja nicht direkt in Sotschi untergebracht, sondern im Mountain-Village in den Bergen. Da ist die Anfahrt etwas aufwändiger.

netzathleten.de: Stichwort Olympisches Dorf. Was denkst du und erwartest von eurer Herberge?
Jens Filbrich: Ich kann nur für uns Langläufer sprechen. Wir haben in Sotschi schon im letzten Jahr die Olympiaprobe mitgemacht und waren da sehr zufrieden mit unserem Quartier. Ich gehe davon aus, dass wir wieder im gleichen Quartier untergebracht sind, und da gibt es gar nichts zu bemängeln. Es wird uns an nichts fehlen. Ich freue mich darauf. Wir werden ja mit den Biathleten in einem olympischen Dorf wohnen und von daher wird das sicher eine tolle Geschichte.

netzathleten.de: Ihr seid wahrscheinlich zu zweit im Zimmer. Wer wird denn dein Zimmerpartner?
Jens Filbrich: Das steht noch nicht zu 100 Prozent fest, aber wahrscheinlich wird es Thomas Bing werden. Das bietet sich von der Mannschaftskonstellation her an. Immerhin sind wir ja drei Wochen am Stück dort. Da ist auch eine gute Zimmerpartnerschaft sehr wichtig.

netzathleten.de: Und wie muss man sich dann ein solches Zusammenleben vorstellen. Wer liest dann wem die Gute-Nacht-Geschichte vor?
Jens Filbrich: (lacht) Da gibt es keine Rituale. Wir sind bisher auch noch nicht so oft gemeinsam auf einem Zimmer gewesen. Jeder macht sein Ding. Für Thomas ist es ja zudem Neuland. Er ist zum ersten Mal bei olympischen Spielen dabei. Wir lassen das einfach mal auf uns zukommen.

netzathleten.de: Seit der Vergabe der Spiele wird immer wieder über die schwierigen Begleitumstände in Russland berichtet. Seien es Homosexuellengesetz, Bauten, die aus dem Boden gestampft werden, und Schnee, der mit LKW angekarrt werden muss. Wie siehst du solche Entwicklungen. Macht es überhaupt Sinn, olympische Spiele in solchen Orten auszutragen?
Jens Filbrich: Ich bin in der Beziehung ein Traditionalist. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, Olympische Spiele an Orte zu vergeben, wo bereits eine gewisse Infrastruktur besteht und eine Nutzung garantiert ist, die über Olympia hinausgeht. Ich hoffe jetzt auch für Sotschi, dass dort ein Weg gefunden wurde, wie man nach Olympia die Sportstätten sinnvoll nutzen kann, dass dort zum Beispiel Weltcups ausgetragen werden können. Für mich steht jetzt aber der sportliche Aspekt klar im Vordergrund. Ich muss mich auf den Sport und meine Wettkämpfe konzentrieren. Dafür habe ich vier Jahre lang gearbeitet. Alles andere kann ich auch nicht beeinflussen. Von daher ist es wichtig, dass ich mich auf den Sport konzentriere.

netzathleten.de: Heißt das, man blendet als Athlet solche Umstände auch aus und legt den Fokus nur auf den Wettkampf?
Jens Filbrich: So ist zumindest die Herangehensweise. Ob das allerdings wirklich klappt, sei einmal dahingestellt. Man bekommt natürlich einiges mit, aber ich versuche schon, mich auf meine sportliche Leistung zu konzentrieren, für den Wettkampf und auch für mein Land. Ich freue mich auf Olympia, es war ein harter Kampf überhaupt dabei zu sein, und von daher versuche ich jetzt auch, das Ganze einfach zu genießen.

netzathleten.de: Jetzt hat gerade am Sonntag der WDR von einem neuen Dopingmittel berichtet, dessen Einnahme bisher noch nicht nachgewiesen werden kann. Wenn man sowas mitbekommt, wie sehr glaubt man dann noch an saubere Spiele?
Jens Filbrich: Also ich persönlich habe davon jetzt noch nichts gehört. Ich erfahre davon gerade zum ersten Mal. Aber natürlich ist so etwas nicht schön für den olympischen Gedanken, den olympischen Geist. Es wirft immer wieder ein schlechtes Licht auf die Sportarten. Ich kann nur hoffen, dass es olympische, faire Wettkämpfe werden, mit gesundem Sportsgeist. Hoffentlich werden die schwarzen Schafe, und die wird es wahrscheinlich leider immer geben, alle erwischt. Ich habe immer für einen sauberen Sport gekämpft und ich hoffe, dass das in Sotschi auch mit aller Gewalt passiert. Dass genügend Kontrollen stattfinden, um mögliche schwarze Schafe rauszuziehen.

netzathleten.de: Was natürlich bei neuen Dopingmitteln schwer werden kann…
Jens Filbrich: Ja, natürlich. Das ist sehr ärgerlich.

netzathleten.de: Hoffentlich ungedopt wird natürlich um die Medaillen gekämpft. Wer sind deine Favoriten für das Podest? Dario Cologna hat sich ja eindrucksvoll mit einem zweiten Platz zurückgemeldet. Es war sein erster Weltcup in diesem Winter.
Jens Filbrich: Das ist natürlich von Wettkampf zu Wettkampf immer ein bisschen unterschiedlich. Aber man hat natürlich bereits gesehen, dass auch in diesem Jahr die großen Namen wieder sehr gute Ergebnisse gebracht haben. Cologna, gerade auch nach seinem Wahnsinnscomeback, wird auch in Sotschi mit einer sehr guten Form am Start stehen. Marcus Hellnar, der mit Rang drei in Toblach ein für seine Verhältnisse sehr guten Klassisch-Wettkampf gemacht hat, zählt zu den Medaillenanwärtern, auch im Duathlon. Zudem müssen natürlich Petr Northug und Alexander Legkow genannt werden, der am Wochenende gewinnen konnte. Im Grunde sind es immer die gleichen Namen. Was allerdings in Sotschi dazu kommt, sind die Wetterkapriolen. Die gibt es dort immer wieder. So werden die Rennen schnell eine Ski- und Wachslotterie. Das spielt natürlich auch eine Rolle. Aber mit den genannten Namen muss man rechnen.

netzathleten.de: Und wie sieht es bei den Damen aus?
Jens Filbrich: Eigentlich ist es dasselbe. Marit Björgen, Therese Johaug, Jystina Kowalczyk und Charlotte Kalla haben sich sehr stark präsentiert. Sie waren auch in Toblach auf dem Podium, Björgen hat sogar am Sonntag noch den Sprint gewonnen. Das ist natürlich ein Fingerzeig, dass sie sowohl im Distanz- wie auch im Sprintbereich in sehr guter Verfassung ist. Die Medaillen werden über die Skandinavierinnen Kalla und Björgen verteilt.

netzathleten.de: Und auf welche Wettkämpfe außerhalb des Langlaufs freust du dich am meisten und wirst du dir auch welche ansehen?
Jens Filbrich: Man muss sich natürlich auf seinen eigenen Wettkampf konzentrieren und daher von der Zeitplanung gucken, was macht Sinn, was nicht. Was ich aber auf jeden Fall gerne mal gerne angucken würde, sind die neuen Sportarten, wie Ski Cross, Slopestyle oder Snowboard Halfpipe. Das wäre definitiv mal einen Besuch wert.

netzathleten.de: Viel Erfolg bei den Spielen und hoffentlich klappt es mit einer Medaille!

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