"Nie wieder mache ich so einen Schmarrn" Michael Kalivoda/Privat

"Nie wieder mache ich so einen Schmarrn"

  • Michael Kalivoda
Michael Kalivoda betreibt einen extremen Sport und ist dabei extrem erfolgreich. Er fährt Mountainbike-Rennen. Und zwar die wohl härtesten, die man sich vorstellen kann, von Marathondistanzen (4-6 Stunden), 12 Stunden-Rennen, bis hin zu 24-Stunden Mammut-Rennen. Im Star-Interview schildert er uns, worauf es in seinem Sport ankommt.

2007 war er 24-Stunden-Weltmeister. Michael Kalivoda. Die Distanzen, die er in 24 Stunden zurücklegt, gehen an die 600 Kilometer-Marke. Wir haben uns für Euch mit Michael getroffen und ihn zu seinem Extremsport befragt.


netzathleten: 24 Stunden Mountainbike-Rennen, das klingt ja zunächst mal ein bisschen verrückt. Wie kommt man auf die Idee sich so etwas anzutun?
Eigentlich komme ich vom Klettern und Ski-Touring. Da ist man natürlich auf Berge angewiesen. Ich habe dann irgendetwas gesucht, was man auch bei uns auf dem flacheren Land machen kann. Auf einer meiner Touren am Gardasee war ich dann zufällig Zuschauer eines Mountainbike-Marathons. Das hat mir gefallen – und zwar so gut, dass ich in ein Jahr später bei eben diesem Rennen erstmals an den Start ging. Damals kam ich allerdings erst nach dem Zeitlimit an.


netzathleten: In anderen Sportarten hat man ein geregeltes Trainingspensum, Fußballer absolvieren ihre Einheiten, haben den Rest des Tages frei. Wie kann man Deinen Sport trainieren? Du wirst ja nur im Rennen mit solch einer Extremsituation konfrontiert?
Natürlich fahre ich im Training keine 24 Stunden am Stück. Die Grundlagen für die Rennen schaffe ich im Winter. Da mache ich immer noch ausgedehnte Ski-Touren. Dabei werden zwar andere Muskelgruppen beansprucht, für die Grundlagenausdauer ist das aber hervorragend. Davon zehre ich dann den Sommer über. Das „Sitzfleisch“, das man für die langen Rennen braucht, muss man sich nach dem Winter antrainieren. Das kommt aber automatisch, da ich es mag, ausgiebige Touren mit dem Bike zu unternehmen.


netzathleten: Bei den bedingungslosen Rennen über 12 oder 24 Stunden fährst Du regelmäßig Siege ein. Bei den kürzeren Marathons sind Deine Ergebnisse auch nicht gerade schlecht, ein Siegfahrer bist Du dort allerdings nicht. Wie erklärst Du Dir das?
Das kommt daher, dass ich prinzipiell einen schlechten Hämatokrit-Wert habe, das heißt, dass ich nicht so viele rote Blutkörperchen habe, die Sauerstoff transportieren können. Das bedeutet letztlich, dass ich das hohe Tempo bei den kürzeren Rennen nicht so gut mitgehen kann. Bei den langen Rennen ist die Geschwindigkeit dosierter, man kann sich das Tempo besser einteilen. Das kommt mir dann wiederum zugute.


netzathleten: Was passiert in den letzten Tagen vor solch einem Rennen? Wie sieht Dein persönlicher Countdown aus?
Selbstverständlich versuche ich viel zu schlafen vor den Rennen. Wichtig ist aber auch, Gewicht aufzubauen. Zwei bis drei Kilo muss ich vor der extremen Beanspruchung zunehmen. Bei einem 24 Stunden Rennen fährt man Distanzen um die 600 Kilometer, da ist eine gute Substanz unabdingbar. Lockere Touren mit Rad mache ich bis zwei Tage vor dem Rennen, in den letzten beiden Tagen fahre ich gar nicht mehr. Dann muss ich auch noch mein Material auf Vordermann bringen, die Verpflegung besorgen und das Lager vor Ort aufbauen. Insgesamt gibt es viel zu tun. Durch die ganzen Vorbereitungen steigt natürlich auch das Renn-Fieber und dadurch ist die letzte Nacht vorm Rennen auch immer etwas unruhig.


netzathleten: Wie teilst Du Dir ein solches Rennen ein und wie schaffst Du es die Konzentration über 24 Stunden hoch zu halten, schließlich sind es anspruchsvolle Strecken auf denen Ihr fahrt?
Die Taktik spielt bei so langen Rennen eine große Rolle. Man darf natürlich nicht zu schnell angehen und muss seinen Körper sehr genau kennen. Ich versuche konstante Rundenzeiten zu fahren. Dafür teste ich die Strecke in den ersten Runden und präge mir ein, welche Passage man in welchem Gang fahren kann. Nach diesem Muster fahre ich das Rennen dann bis zum Ende - immer in den gleichen Gängen an den gleichen Stellen. Natürlich werden die Zeiten nach mehreren Stunden etwas langsamer, letztlich erzielt man dadurch aber recht konstante Zeiten. Das hält zusätzlich auch die Konzentration hoch, und bisher ging diese Taktik auch immer ganz gut auf.


netzathleten: Machst Du ein spezielles Mentaltraing?
Nein, eigentlich nicht. Bei meinen Trainingsfahrten genieße ich einfach die Ruhe und die schönen Landschaften. Gerade in Trainingslagern sind wir häufig auf den bergigen Inseln des Mittelmeers unterwegs, da macht das besonders viel Spaß.


netzathleten: Wie wirst Du betreut und verpflegt während des Rennens, kannst Du auch mal eine Pause einlegen?
Der Gang zur Toilette ist eigentlich die größte Pause die ich einlege. Ansonsten halte ich mal kurz an, um mein Licht am Helm anzubringen, da die Strecken zumeist nicht ausgeleuchtet sind. Der Rest wird auf dem Rad sitzend erledigt. Verpflegt werde ich von meinem Team, das aus Freunden und Bekannten besteht. Ich nehme dann natürlich viel Koffein zu mir und die Powerriegel, die man vom Radsport her kennt. In den Trinkflaschen habe ich zum Beispiel auch Suppe und ein Brötchen kann man auch mal zwischendurch essen. Ansonsten heißt es viel Trinken. Das ist ganz wichtig.


netzathleten: Wie erholst Du dich nach einem Rennen und was tut Dir am meisten weh nach 24 Stunden auf dem Fahrrad?
Nach den 24 Stunden denkt man natürlich erstmal: Nie wieder mache ich so einen Schmarrn. Die letzten Stunden kämpft man eigentlich nur noch gegen sich selbst. Am meisten schmerzen die Arme und das Gesäß. In der Nacht nach einem Rennen ist an Schlaf erstmal nicht zu denken. Der Puls ist noch so hoch, dass man einfach nicht zur Ruhe kommt. Auf jeden Fall fahre ich die nächsten drei Tage kein Fahrrad, erst danach wieder, aber in sehr niedrigem Pulsbereich.


netzathleten: Was sind für Dich die schönsten Erlebnisse in deinem Sport?
Zum einen natürlich das tolle Gefühl, wenn man ein Rennen überstanden hat, das überwiegt in gewissem Maße auch die Schmerzen. Bei manchen Rennen herrscht durchaus Volksfeststimmung, fast die gesamten 24 Stunden lang, da macht das Fahren richtig viel Spaß. Beim Training ist es sehr schön, dass man einen großen Bewegungsradius hat und viel von der Natur sieht. Außerdem besteht der ganze Langstrecken-Zirkus im Mountainbike-Sport aus fairen Sportsleuten, das Verhältnis ist sehr familiär. Vor allem mit den österreichischen Kollegen verstehe ich mich sehr gut.


netzathleten: Die 24-Stunden-WM in Sulzbach-Rosenberg steht vor der Tür, am 22. August ist es soweit. Was sind Deine Ziele bei der diesjährigen WM?
Ich würde gerne meinen Titel zurückerobern, das ist mein Ziel. Bei der WM im letzten Jahr konnte ich ihn durch ein Missgeschick leider nicht verteidigen. Da lief bei der Verpflegung etwas schief und ich musste das Rennen mit Magenproblemen abbrechen. Man darf die Konkurrenz aber auch nicht unterschätzen, und in 24 Stunden kann doch eine ganze Menge passieren.


netzathleten: Danke für das nette Interview Michael. Wir wünschen Dir viel Erfolg bei der WM im August und hoffen, dass Du Deinen Titel wieder zurück eroberst.

Details

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  • Star Vita: Michael Kalivoda stammt aus Selb, 30 Kilometer südlich von Hof, wohnt aber mittlerweile in Garmisch-Partenkirchen und arbeitet in München. Seine Disziplin sind extreme Mountainbike-Rennen über 12 oder 24 Stunden. Im Jahr 1998 fuhr er seine erste komplette Saison Mountainbike Marathons. 2007 wurde er dann Weltmeister in der 24 Stunden Kategorie und legte dabei fast 600 Kilometer auf dem Rad zurück. 2009 wurde er erneut Weltmeister.
  • Star Erfolge: Weltmeister 2007 und 2009 24-StundenMountainbike-Rennen

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