Zu schwer für die Berge - Robert Förstemann im Interview Förstemann/Privat

Zu schwer für die Berge - Robert Förstemann im Interview

  • Robert Förstemann
WM- Bronzemedaillen Gewinner Robert Förstemann erzählt im netzathleten-Interview über sein Pech bei den Olympischen Spielen in Peking, seine sportlichen Zukunftspläne und den immensen Trainingsumfang beim Bahnradfahren.

netzathleten: Robert, du bist erst relativ spät zum Bahnradssport gekommen und hast trotzdem schon einige internationale Medaillen gesammelt. Wann kommt ein Bahnradfahrer ins beste Alter?
Robert Förstemann: Ich habe erst 2002 also mit 15 Jahren mit dem Radsport angefangen. Das ist schon ziemlich spät. Aber dann ging alles ganz schnell. Bereits ein halbes Jahr später bin ich Dritter bei den Deutschen Meisterschaften geworden. Welches Alter für Bahnradfahrer das Beste ist, ist schwer zu sagen. Wir machen ja einen Schnellkraftsport. Die Kraftfähigkeit entwickelt sich mit zunehmendem Alter und damit steigt auch die Leistungsfähigkeit. Ich würde sagen, mit 28 oder 29 Jahren ist man in einem guten Alter. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Jason Kenny hatte schon mit 20 ein unglaubliches Kraftpotenzial und wurde in Peking Olympiasieger im Teamsprint. Oder nehmen wir Chris Hoy, der mit über 30 noch in der Weltspitze mitmischt. Ich denke, dass ich mit 30 mein bestes Alter haben werde, sofern mein Körper mitspielt.

netzathleten: Wie viele Stunden verbringst Du in der Woche auf der Bahn und wie viele im Kraftraum?
Robert Förstemann: Das kommt auf die jeweilige Trainingsphase an. Die Grundlagenausdauer holen wir uns auf der Straße. 600-700 Kilometer in der Woche kommen da schon mal zusammen. In der Kraftphase sind wir dann jede Woche 3-4-Mal im Kraftraum. Hauptsächlich machen wir natürlich Kniebeugen, um die Maximalkraft zu steigern. Sobald es auf die Bahn geht, stehen dann wöchentlich 6-7 Bahneinheiten á 3 Stunden an. Nebenher gehen wir noch auf die Straße und in den Kraftraum.

netzathleten: Wie kann man den so ein Trainingspensum mit seinem Job vereinbaren?
Robert Förstemann: Da hatte ich großes Glück. Nach dem Abitur bin ich in die Sportfördergruppe der Bundespolizei in Cottbus aufgenommen worden. Ein normales Berufsleben wäre mit meinem Training auch nicht vereinbar. In der Wettkampfvorbereitung absolviere ich 2 Trainingseinheiten am Tag. Jede Einheit dauert 2,5-3 Stunden, dazu kommt noch die Vor- und Nachbereitung des Trainings. Viele unterschätzen die körperliche Belastung; nach so einem Tag geht nicht mehr viel. Dieses Jahr habe ich meine vierjährige Ausbildung zum Polizeimeister abgeschlossen und kann mich jetzt voll auf den Sport konzentrieren.

netzathleten: Wenn du mit 15 erst zum Radsport gekommen bist, müsstest du das Problem mit Lernen und Training ja bereits aus der Schulzeit kennen?
Robert Förstemann: Stimmt, als ich angefangen habe, war ich noch auf einem normalen Gymnasium in Gera. Damals hatten die Lehrer noch wenig Verständnis für mein Trainingspensum und regelmäßige Trainingslager. Ich bin dann auf ein Sportgymnasium in Erfurt gewechselt. Da stand dann weniger Unterricht und mehr Sport auf dem Stundenplan. Der Unterricht fand in Blöcken statt, dazwischen war genug Zeit fürs Training. Das war zwar für alle anstrengend, aber ich habe mein Abitur trotzdem mit Note 1,7 geschafft. Und das ein halbes Jahr nach einem meiner größten Erfolge: im Herbst 2004 bin ich Junioren-Weltmeister geworden und im Frühjahr 2005 war Abiturprüfung. Mit ein paar Nachtschichten zum Lernen hat es auch geklappt.


netzathleten: Was ist denn dein nächstes sportliches Ziel?
Robert Förstemann: Das Größte für einen Sportler ist immer ein Olympiasieg, also ist mein Ziel London 2012. Und national stehen im Juni die Deutschen Meisterschaften an. Da muss ich erstmal meine Titel im Sprint und über die 1000m verteidigen. Im Herbst steht dann der Weltcup auf dem Programm und im Frühjahr die Weltmeisterschaft.

netzathleten: Welche Chancen rechnest du dir für die Olympischen Spiele aus?
Robert Förstemann: Eine Medaille möchte ich dann schon mit nach Hause nehmen. Bei der WM mit der Mannschaft hat das ja auch schon geklappt, warum also nicht auch bei Olympia. In Peking war ich ja auch schon dabei, wenn auch nur als Zuschauer. Vier Wochen vor den Spielen bin ich schwer gestürzt. Wegen der Schürfwunden und Prellungen habe ich damals viele Schmerztabletten genommen, um weiter trainieren zu können. Dadurch kam noch eine Magenschleimhautentzündung dazu. Schließlich hatte der Bundestrainer nicht mehr das Vertrauen in mich. Ich darf mich aber trotzdem Olympiateilnehmer nennen, obwohl ich nur Ersatzfahrer war. Die Atmosphäre war schon einmalig.

netzathleten: Ist es für dich eine Option, irgendwann mal auf die Straße zu wechseln, oder bist du von deiner Veranlagung her zu sehr auf die Bahn festgelegt?
Robert Förstemann: Nein, das ist keine Option für mich. Klar, man sagt, dass sich die Ausdauer um das 1000-fache steigern lässt, aber die Schnelligkeit nur um das 80-fache. Von daher kann man sicherlich eher ein guter Straßenradfahrer werden. Ein guter Bahnradfahrer braucht schon die entsprechende Veranlagung. Ich will mich da aber auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, ich wiege bei 175cm Größe über 90 Kilogramm. Damit bin ich zu schwer, um einen Berg hochzukommen.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei deinen Plänen.

Details

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  • Star Vita: Robert Förstemann (*05.03.1986 in Greiz) ist ein deutscher Bahnradspezialist und startet für den RSC Turbine Erfurt. Er arbeitet als Polizeimeister bei der Bundespolizei. Seine bisher größten Erfolge sind die Deutschen Meistertitel im Sprint und 1000m Zeitfahren 2008 sowie ein 3. Platz bei den Weltmeisterschaften im Teamsprint 2007 und 2009. Robert Förstemann hat an den Olympischen Spielen 2008 in Peking teilgenommen.
  • Star Erfolge: Bahnrad/Deutscher Meister 2008, Bronze WM 2007 und 2009

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