„Möglichst schnell und elegant nach unten.“ – Annett Gamm im Interview Bilder von Annett Gamm

„Möglichst schnell und elegant nach unten.“ – Annett Gamm im Interview

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Annett Gamm erzählt im netzathleten Interview von Ihrer Herausforderung bei den Olympischen Spielen gegen die Chinesen, von Verletzungen beim Turmspringen und wie sie jeden Tag ihre Ängste aufs Neue überwindet.

Netzathleten: Was ist für Dich das Faszinierende am Wasserspringen?
Annett: Es ist das Streben nach dem perfekten Sprung. Allerdings ist es auch irgendwie der Kick, wenn ich vom 10m-Turm springe. Es ist eine Mischung aus Respekt und Angst.

Netzathleten: Du bist 2008 mit deiner Partnerin Nora Subschinski Europameisterin im Synchronspringen geworden. Wie trainiert man denn die Synchronität zwischen den Partnern? Gibt es da ein spezielles Training und wie sieht dieses genau aus?

Annett: Eine Voraussetzung ist, dass man mit dem Partner harmoniert und einen ähnlichen Springstil hat. Nora und ich hatten den großen Vorteil, dass es von Anfang an recht gut mit der Synchronität geklappt hat. Deshalb konnten wir schon früh an den Feinheiten arbeiten. Wir haben dann meist bei Lehrgängen zusammen trainiert beziehungsweise bin ich auch mal zu ihr nach Berlin gefahren, oder sie ist zu mir nach Dresden zum Training gekommen. Um an Feinheiten zu arbeiten, haben wir natürlich viel beim Trockentraining geübt und auch Videoanalysen angewendet.

Netzathleten: Im Synchronspringen warst Du immer erfolgreicher als im Einzel. Woran liegt das?

Annett: Im Synchronspringen kann pro Nation immer nur ein Paar teilnehmen, im Einzel dagegen können pro Nation 2 Springer an den Start gehen. Da muss man sich im Einzel natürlich auch gegen mehr Konkurrenz durchsetzen. Aber ich hatte mit Ditte Kotzian und später mit Nora Subschinski auch sehr starke Synchronpartnerinnen.

Netzathleten: Auf der nationalen und auch auf der Europa-Ebene habt Ihr so ziemlich alles geholt, was es zu holen gibt. Bei weltweiten Wettkämpfen hast Du Silber und Bronze geholt. Leider nie Gold. Wo liegt Deiner Ansicht nach der Knackpunkt?
Annett: Im Wasserspringen dominieren schon fast immer die Chinesen. Um die im Synchronspringen zu schlagen, braucht es schon ein kleines Wunder!

Netzathleten: Nach den Olympischen Spielen 2008 hast Du Deine internationale Karriere beendet. Warum hörst Du auf und wie hast Du diesen Abschied empfunden?

Annett: Ich habe meine Zeit als Turmspringerin ausgereizt. Nach 26 Jahren habe ich nun das Bedürfnis, mich anderweitig zu orientieren, andere Herausforderungen anzunehmen. Diesen Abschied habe ich schon ein wenig herbeigesehnt. Nach Athen 2004 habe ich gesagt, dass ich auf keinen Fall in Peking dabei sein werde. Aber wie man gesehen hat…“sag niemals nie“.
Da ich wusste, dass nach Peking alles vorbei sein würde, konnte ich mein letztes Wettkampfjahr in vollen Zügen genießen, und der Abschied fiel mir nicht allzu schwer.

Netzathleten: In einem Interview mit dem Tagesspiegel erzählst Du, dass auch nach unzähligen Sprüngen vom 10-m-Brett immer noch die Angst vor dem Sprung besteht, weil man „blöd“ fallen und sich verletzen könnte. Was war die schlimmste Verletzung, die Du Dir zugezogen hast und wie ist das passiert?

Annett: Die Schlimmste Verletzung würde ich sagen war 2007 bei den Militärweltspielen in Indien. Da bin ich mit meiner Hand ans Brett geknallt und hab sie mir so blöd gebrochen, dass ich operiert werden musste und eine Platte hinein bekommen habe.

Netzathleten: Wie hast Du nach dem Unfall Deine Angst überwinden können? Hast Du ein spezielles Mentaltraining gemacht?
Annett: Ich hatte das Glück, dass ich diesen speziellen Sprung nie wieder machen musste. Aber ich habe viele Jahre mit einem Psychologen zusammen gearbeitet und da auch Mentaltraining angewendet. Aber mehr im Bereich Autogenes Training und Ideomotorisches Training (Vorstellung von Sprüngen). Das hat mir sehr geholfen, auch um die Angst zu überwinden.

Netzathleten: Wie gestaltet sich denn überhaupt eine Trainings-Woche für eine Wasserspringerin? Was muss man als Wasserspringerin besonders trainieren?
Annett: Also ich trainierte in der Woche 25-30 Stunden. Wasserspringen ist sehr vielseitig. Zu 60 Prozent habe ich Trockentraining gemacht. Das beinhaltet Krafttraining, Akrobatik, Grundlagenausdauer, Koordination und einmal in der Woche habe ich Mentaltraining. Ich hatte als Kind einige Zeit sogar klassisches Ballett nebenbei laufen. Im Wasser trainiere ich Grundlagen, bereite meine Kürsprünge vor und dann übe ich natürlich auch meine Wettkampfsprünge. Besonders wichtig ist natürlich die Koordination, Körperhaltung und Körperspannung.

Netzathleten: Äußerst interessant bei Dir ist, dass Du neben dem Turmspringen auch noch kletterst. Es gibt Bilder von Dir, auf denen Du in großer Höhe hängst. Warum ausgerechnet klettern, wenn man sich schon hauptberuflich mit der Absturzgefahr befassen muss?
Annett: Ich bin rein zufällig dazu gekommen. Aber das Klettern hat mich sofort gefangen genommen und ist zu einer wahren Leidenschaft geworden. Der Unterschied ist, beim Klettern will ich möglichst schnell und elegant nach oben, beim Turmspringen möglichst schnell und elegant runter.



Netzathleten: Wenn Du die Uhr zurückdrehen und noch einmal eine Karriere als Spitzensportlerin anfangen könntest, würdest Du wieder Wasserspringerin werden oder gäbe es da noch einen anderen Sport, den Du wählen würdest?
Annett: Ich würde meinen Weg genauso wieder gehen wollen. Vielleicht würde ich nur schon früher mit dem Klettern beginnen.

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