Das kritische Interview mit Stephan Keck – Am Everest erschossen www.stephan-keck.at

Das kritische Interview mit Stephan Keck – Am Everest erschossen

  • Derk Hoberg
Extrembergsteiger Stephan Keck ist ja nun schon einige Wochen in Nepal am Dhaulagiri unterwegs. Vor seiner Abreise sprachen wir mit dem Tiroler Bergsteiger noch über das Bergsteigen an sich und über negative Begleiterscheinungen, wie den Massentourismus am Berg und Doping im Bergsport.

 

Update Januar 2012: Inzwischen ist Stephan Kecks und Derk Hobergs Buch "Solo mit Familie" erschienen. Weitere Informationen unter www.solo-mit-familie.de


netzathleten: Stephan, ich habe Dich als kritischen Bergsteiger kennengelernt. Du teilst Deine Ansichten auch gerne mit und eckst auch schon mal an. Deine Homepage kann man in China zum Beispiel nicht öffnen, sie ist dort zensiert. 2008 sperrte die chinesische Regierung den Mount Everest, das hatte aber nichts mit Dir zu tun, oder?
Stephan Keck: Ja, sie haben ihn gesperrt, ich wollte ihn damals besteigen. Ich habe es 14 Tage vor der Abreise erfahren und gedacht okay, ich steige auf der nepalesischen Seite auf, da wird es keine Probleme geben. Da habe ich mich aber getäuscht, China wollte nämlich das Olympische Feuer auf den Mount Everest bringen. Das hat sich dann so dargestellt, dass Soldaten in das Basislager geflogen wurden und schließlich bis ins Lager Zwei mit Nachtsichtgeräten und Scharfschützen vorgerückt sind. Die Anweisung war: Wer vorbei geht wird abgeschossen. Wenn es nicht so tragisch wäre, wäre es fast schon witzig: Wenn man es versucht hätte, wäre man der erste gewesen, der am Everest erschossen worden wäre.


netzathleten: Und das mit der Olympischen Fackel im Hintergrund…
Stephan Keck: Ja. Aber für uns war das alles schon mühsam. Und ich will da kein Blatt vor den Mund nehmen, obwohl ich dort ja auch beruflich, als Bergführer, immer wieder mit Gruppen hin muss. Ich veröffentliche solche Geschichten dann auf meiner Homepage und hoffe ehrlich gesagt, dass die Agentur vor Ort, oder der, der mir den Einreisestempel geben muss, meine Website nicht lesen kann.

netzathleten: Du äußerst Dich ja auch dem Massentourismus im Bergsteigen sehr kritisch gegenüber. 2.000 Menschen im Basislager am Mount Everest sind zu viele, oder?

Stephan Keck: Das große Problem ist, dass sich jeder, der ein bisschen Geld hat, den Traum vom Everest erfüllen kann. Da sollte man sich aber genau überlegen, was man dem Volk und der Natur dort für einen Schaden zufügt. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert, ich lebe ja auch in gewisser Weise vom Tourismus. Aber ich kann den Berg so fair und sauber wie möglich behandeln, damit schließe ich schon mal einige Umweltsünden aus. Aber ich kann auch niemanden verbieten, dort hinzugehen.


netzathleten: Nun hinterlassen die Touristen aber auch eine riesige Menge an Sauerstoffflaschen auf dem Berg…

Stephan Keck: Das stimmt. Inzwischen gibt es aber immerhin jährliche Reinigungsexpeditionen, aber die Umweltschäden sind immens. Der Elbrus, der höchste Berg Russlands, knapp 6.000 Meter, ist im Sommer eine einzige Mülldeponie. Da liegt vom verrosteten Panzer über Getränke- und Konservendosen alles, was man sich nur vorstellen kann. Im Winter sieht man das nicht, da ist alles zugeschneit.

netzathleten: Damit ist doch auch der Reiz beim Bergsteigen weg, oder?

Stephan Keck: Im Prinzip ist das ganze Höhenbergsteigen nicht mehr so außergewöhnlich wie es klingt. Wie gesagt, mit dem nötigen Geld kann man sich alles relativ leicht organisieren lassen. Man muss einfach die körperlichen Voraussetzungen bringen, für den Rest gibt es Agenturen. Das große Problem ist aber, dass die Leute – auch hier in den Alpen – immer auf die gleichen Berge wollen. Das Ding muss einen Namen haben, damit sie hinterher davon erzählen können. Für mich selbst ist es aber leider auch einfacher, einen bekannten Berg zu gehen. Das interessiert meine Sponsoren natürlich mehr.

netzathleten: Wie sieht es denn aus mit Doping im Bergsport. Wird beispielsweise Epo genommen?

Stephan Keck: EPO hilft definitiv. Das ist ja genau das, was der Bergsteiger gebrauchen könnte, die Anzahl der roten Blutkörperchen erhöht sich nämlich dadurch. Ich bin auch überzeugt davon, dass im Höhenbergsteigen mindestens gleich viel gedopt wird, wie in anderen Sportarten, wenn nicht sogar mehr.

netzathleten: Es gibt auch keine Instanz, die das verbieten könnte…
Stephan Keck: Leider. Das ist schwer umzusetzen. Aber die Leute schaden sich damit selbst am meisten. Entweder man hat selbst die Ethik, dass man sagt: Ich gehe soweit, wie mich mein Körper bringt und dann dreh ich um, anstatt: Ich pump mir was rein und bringe mich auf Raten um.

 


netzathleten: Die Spätfolgen von Doping sind noch gar nicht richtig erforscht, das kann bitter enden…
Stephan Keck: Und es bringt Dir auch als Profi nichts. Wenn ich EPO mit Viagra kombinieren würde, hätte ich einen riesigen Effekt und könnte jeden Gipfel ohne Akklimatisation gehen. Aber für mich ist ja nicht nur der Gipfel das Ziel. Vielmehr das Ganze möglichst fair und nur mit eigener Kraft zu schaffen. Das Schönste ist eigentlich zu erkennen, ob ich es aus eigener Kraft zum Gipfel schaffe. Man muss aber auch im richtigen Moment umkehren können. Wenn man dann wieder daheim ist, ist das eigentlich das gleiche Erfolgserlebnis, da man weiß: Man hat sich richtig entschieden.

netzathleten: In den meisten Ländern, in denen Du unterwegs bist, gibt es ja noch mehr anzuprangern als nur den Massentourismus. Armut, Kinderarbeit und vieles mehr. Du hast einen Hilfsverein gegründet, erzähl doch mal ein bisschen mehr davon!

Stephan Keck: Wir haben vor 4 Jahren damit begonnen Geld für ein Krankenhaus in Pakistan zu sammeln. Seit letztem Jahr haben wir nun auch endlich eine Homepage: www.stepzeropointone.org, was so viel heißt wie „auch kleine Schritte führen zum Ziel“. Da kann sich jeder informieren was wir machen. Dort haben wir auch ein paar Botschafter, die für uns Werbung machen.

Letztlich haben mir bei allen meinen Abenteuern immer Einheimische vor Ort geholfen. Ich hatte auch Jahre, in denen ich nicht wusste, ob ich am nächsten Tag ein Brot kaufen kann. Jetzt geht es mir aber besser, Schritt für Schritt ging das. Jetzt will ich was zurückgeben. Wir haben in Pakistan angefangen, in Nepal unterstützen wir einen Sherpa, dem die Maoisten das Hörgerät weggenommen haben, er kann dadurch auch nicht reden. Er bekommt nun ein Hörgerät und eine Sprechschulung von uns. Zusätzlich unterstützen wir eine alleinerziehende Mutter in Ecuador. Ganz kleine Projekte, die wir aber sehr gezielt fördern. Da gehen wirklich 95 Prozent der Spenden in die Hilfe selbst, der Rest geht leider an Behörden vor Ort.

netzathleten: Damit tust Du schon mehr als viele andere…

Stephan Keck: Uns war auch wichtig, einen Verein zu gründen, damit alles seine Ordnung hat. Ich finde Hilfsorganisation nicht so toll, wo man nicht genau weiß, was mit dem Geld passiert und wo ein paar Leute im Büro sitzen, die bezahlt werden müssen. So groß werden wir nie werden, das ist nicht unser Ziel.

netzathleten: Du planst aber noch eine weitere Aktion, um verstärkt auf den Kimawandel aufmerksam zu machen?

Stephan Keck: Ja, da habe ich auch selbst ein schlechtes Gewissen, weil ich ja selbst in der ganzen Welt umherfliege, um an die Berge zu kommen. Deshalb starte ich gemeinsam mit dem Radprofi Gerrit Glomser eine Aktion im Sommer. Wir fahren von hier vor meiner Haustür eine Radtour zum Großglockner, dem höchsten Berg Österreichs, den wir im Anschluss besteigen werden. Das ganze findet in der Badehose statt, damit die Leute sehen, wie warm es ist. Das ist die erste Aktion, im Jahr darauf geht es zum Mont Blanc in Frankreich.

netzathleten: Da aber nicht mit dem Fahrrad hin?
Stephan Keck: Doch. Und im Jahr darauf geht es nach Russland und dann als Abschluss wahrscheinlich nach Pakistan zum K2, das aber nicht mehr in der Badehose. Mein Plan ist, dass das meine letzte große Expedition sein soll. Wir wollen damit wie gesagt auf die Umweltsituation aufmerksam machen und die Aktionen sollen sich über 5 Jahre erstrecken.

Ihr seid natürlich alle herzlich eingeladen bei dieser Aktion ein Stück mitzufahren im Sommer.

netzathleten: Ich danke Dir für das nette Gespräch Stephan.

Das Interview führte Derk Hoberg

 

Details

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  • Star Vita: Stephan Keck (25.09.1973), geboren in Schwaz in Tirol, ist Bergführer, Tourenguide, Ski- und Snowboardlehrer, sowie Mental- und Motivationstrainer. Der Extrembergsteiger ist auf den höchsten Bergen der Welt unterwegs, unter anderem auf dem Mount Everest und dem Nanga Parbat war er schon. Für die die nächsten Jahre hat er zahlreiche weitere Projekte geplant. Er gründete das Hilfsprojekt step 0.1 mit dem er sich sozial engagiert.
  • Star Erfolge: Shisha Pangma (2004), Nanga Parbat (2006), Mount Everest (2008), uvm.

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